Tedros erklärte sein Zögern

WHO-Generaldirektor ist seit Mai 2021 gegen Covid-19 geimpft

22.08.2022, 12:46 (CEST)

Die Weltgesundheitsorganisation setzt sich für weltweiten Zugang zu Corona-Impfstoffen ein. Doch ist ausgerechnet ihr Generaldirektor gar nicht geimpft? Nein - eine Aussage von ihm dazu ist verkürzt.

Die Weltgesundheitsorganisation setzt sich weltweit für die Impfung gegen das Coronavirus ein - aber hält sich der Chef der WHO nicht an die Empfehlung der eigenen Institution, sich gegen Covid-19 zu impfen? Ein Video, in dem Tedros Adhanom Ghebreyesus offenbar über sein Zögern spricht, kursiert auf Facebook. Er sei «aus Protest» nicht geimpft, heißt es dazu in einem Beitrag (archiviert). Doch das stimmt nicht.

Bewertung

Tedros erhielt seine erste Corona-Impfung am 12. Mai 2021. Im Interview erklärte der WHO-Generaldirektor, dass er damit eine Weile gewartet habe, um gegen die ungerechte Verteilung von Impfstoffen auf der ganzen Welt zu protestieren.

Fakten

Die Szene aus dem Video ist authentisch und stammt aus der Dokumentation «How to Survive a Pandemic» des amerikanischen Fernsehsenders HBO. Sie wurde am 29. März 2022 veröffentlicht. Die Deutsche Presse-Agentur (dpa) hat sich die Doku über den niederländischen Streamingdienst NPO Plus angesehen und verifiziert, dass der Ausschnitt ab Minute 1:36:50 in gleicher Form zu sehen ist.

In der Doku beantwortet Tedros die Frage, wann er seine Impfung hatte, in Zusammenhang mit seiner Herkunft: «Ich denke, ich weiß, wo ich zugehöre: in ein armes Land namens Äthiopien auf einem armen Kontinent, Afrika. Ich wollte warten, bis Afrika und andere Länder in anderen Regionen, Länder mit niedrigem Einkommen, mit der Impfung beginnen. Es war eine Form des Protests.»

Heißt: Der Generaldirektor hat mit seiner Impfung gewartet. Aber es ist falsch zu behaupten, er sei nicht geimpft. Seine erste Impfung hat Tedros am 12. Mai 2021 erhalten, dazu hat er an dem Tag auf Twitter gepostet.

Der Interviewer im Video ist der amerikanische Journalist Jon Cohen vom «Science Magazine». Für die HBO-Doku wurde seine Berichterstattung über den Corona-Impfstoff begleitet. Das Gespräch mit Tedros hat Cohen als Interview bei «Science» im Juni 2021 veröffentlicht.

Auf die Frage, wann der Generaldirektor seine eigene Impfung erhalten habe, antwortet er im Print-Interview mit «12. Mai». Dann folgen Aussagen von Tedros über den Zeitpunkt. Sie sind im Print-Interview ausführlicher als in der Dokumentation.

Tedros erklärt, dass er mit seinen Privilegien vielleicht die Chance gehabt hätte, als Erster geimpft zu werden, das aber nicht nutzen wollte, «weil ich jeden Tag daran erinnert werden möchte, dass die Impfung in Afrika beginnen muss». Ungefähr zu dem Zeitpunkt seiner Impfung, im Mai 2021, erklärt er im Interview, dass dies der Moment war, in dem der Corona-Impfstoff für medizinisches Personal in afrikanischen Ländern verfügbar wurde. Das schien ihm der richtige Zeitpunkt.

Die Minuten in der Dokumentation vor dem Interview mit Tedros handeln von der ungleichen Verteilung des Corona-Impfstoffs auf der ganzen Welt und der Tatsache, dass das Impfstoffrezept von Pharmaunternehmen nicht veröffentlicht wurde. In diesem Zusammenhang sind auch die Antworten des Generaldirektors zu sehen. Der WHO-Generaldirektor hat schon oft auf die ungleiche Verteilung von Impfstoffen aufmerksam gemacht.

(Stand: 16.8.2022)

Links

Beitrag auf Facebook (archiviert; Video archiviert)

HBO-Dokumentation (archiviert)

Dokumentarfilm bei NPO Plus (archiviert)

Tweet von Tedros zur Impfung (archiviert)

Über Jon Cohen im Dokumentarfilm (archiviert)

Interview bei «Science» (archiviert)

WHO zur Ungleichverteilung von Impfstoffen (archiviert)

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