Paul-Ehrlich-Institut (PEI)

Daten zu Impf-Nebenwirkungen zeigen lediglich Verdachtsfälle

26.07.2022, 19:30 (CEST)

Nach Fehlinformation vom Gesundheitsministerium: In Netz wird behauptet, dass bei einer von 5000 Impfdosen eine schwere Nebenwirkung auftrete. Dabei wird ein wichtiges Detail vernachlässigt.

Die angebliche Zahl schwerer Nebenwirkungen nach einer Corona-Impfung löst immer wieder Diskussionen aus. Auch Falschbehauptungen werden in diesem Zusammenhang über soziale Netzwerke verbreitet. Aktuell teilen etwa Facebook-Nutzer zwei Blogbeiträge von reitschuster.de und Tichys Einblick. In beiden Texten wird behauptet, dass nach Daten des Paul-Ehrlich-Institutes (PEI) bei einer von 5000 Impfdosen eine schwere Nebenwirkung auftrete.

Bewertung

Die Behauptung ist falsch, denn beide Blogbeiträge verschweigen ein wichtiges Detail: Bei den Zahlen des Paul-Ehrlich-Institutes handelt es sich nur um Verdachtsmeldungen, nicht um sicher nachgewiesene Impf-Nebenwirkungen. Das PEI weist in seinem jüngsten Sicherheitsbericht zu den Covid-19-Impfstoffen ausdrücklich darauf hin, dass die erfassten Reaktionen «oftmals im zeitlichen, nicht aber unbedingt im ursächlichen Zusammenhang mit einer Impfung» stehen.

Fakten

Die beiden Blogbeiträge beziehen sich auf einen mittlerweile gelöschten Tweet des Bundesgesundheitsministeriums (BMG): Die Behörde hatte fälschlicherweise die Information verbreitet, dass eine von 5000 Personen «von einer schweren Nebenwirkung nach einer COVID-19-Impfung betroffen» sei. Dabei bezog sich das Ministerium auf Daten des Paul-Ehrlich-Institutes (PEI), das in Deutschland unter anderem für die Überwachung von Impfstoffen zuständig ist. Wie die Deutsche Presse-Agentur (dpa) in einem anderen Faktencheck erklärt, hatte das Gesundheitsministerium allerdings zwei Fehler gemacht.

Denn das BMG bezog sich auf Daten aus dem jüngsten PEI-Sicherheitsbericht zu den Covid-19-Impfstoffen. Darin schreibt das Institut: Im gesamten Zeitraum zwischen Beginn der Impfkampagne am 27. Dezember 2020 und dem 31. März 2022 lag die Melderate für schwerwiegende Reaktionen bei allen Corona-Vakzinen zusammen bei 0,2 Meldungen pro 1000 Impfdosen.

Da viele Menschen in Deutschland sich mehrmals gegen das Coronavirus haben impfen lassen, kann die Zahl aber nicht eins zu eins auf Patienten umgerechnet werden, wie es das BMG getan hatte. Die Autoren der beiden Blogbeiträge merken also richtigerweise an, dass sich die Daten nicht auf Personen, sondern auf Impfdosen beziehen. Es stimmt somit, dass dem PEI zufolge hochgerechnet im Schnitt bei 5000 Impfungen ein Mal gemeldet wurde, dass möglicherweise eine schwere Nebenwirkung aufgetreten sein könnte.

Aber Achtung, die Betonung liegt hierbei auf: möglicherweise. Denn es handelt sich nur um Verdachtsmeldungen. Das schreibt das PEI in dem erwähnten Sicherheitsbericht ab Seite 20. Die erfassten Reaktionen stehen dem Paul-Ehrlich-Institut zufolge «oftmals im zeitlichen, nicht aber unbedingt im ursächlichen Zusammenhang mit einer Impfung». Nicht bei jeder Meldung handelt es sich tatsächlich um eine Impf-Nebenwirkung. Dieses wichtige Detail unterschlagen die Autoren jedoch in ihren Blogbeiträgen.

Seit Monaten versuchen Impfgegner immer wieder, durch bewusste Falschinterpretation der offiziellen Zahlen des PEI oder der auf EU-Ebene zuständigen Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) zu unterstellen, es seien sehr viele Menschen nach einer Covid-Impfung schwer erkrankt oder gestorben. Doch auch die EMA gibt lediglich Verdachtsmeldungen an - keine nachgewiesenen Nebenwirkungen. Das hat die Deutsche Presse-Agentur (dpa) in einem weiteren Faktencheck ebenfalls bereits erklärt.

Als «Schwerwiegende Nebenwirkungen» werden unterdessen dem Arzneimittelgesetz (Paragraf 4, Absatz 13) zufolge Nebenwirkungen bezeichnet, die unter anderem tödlich oder lebensbedrohlich sind, eine stationäre Behandlung erforderlich machen oder zu bleibenden Behinderungen führen. Anders als bei anderen Impfstoffen definiert das PEI zusätzlich auch alle unerwünschten Reaktionen von besonderem Interesse nach Corona-Impfungen als «schwerwiegend».

Dem PEI-Sicherheitsbericht zufolge gab es bei mehr als 178 Millionen verabreichten Dosen bis Ende März 116 gemeldete Todesfälle, bei denen ein wahrscheinlicher oder möglicher ursächlicher Zusammenhang zur Impfung besteht.

(Stand: 26.7.2022)

Links

Blogbeitrag auf reitschuster.de (archiviert)

Blogbeitrag auf "Tichys Einblick" (archiviert)

Über die Aufgaben des Paul-Ehrlich-Instituts (archiviert)

dpa-Faktencheck zu BMG-Tweet vom 22. Juli 2022

PEI-Sicherheitsbericht über Covid-19-Impfungen bis 31.03.2022 (archiviert)

dpa-Faktencheck über EMA-Datenbank vom 17. Mai 2021

Paragraf 4 "Sonstige Begriffsbestimmungen" des Arzneimittelgesetzes (archiviert)

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