Energiekrise

Ausschnitt von 2021 im falschen Kontext verbreitet: Baerbock sprach von indirekter Energiespeicherung im Netz

26.07.2022, 15:14 (CEST)

Den Plänen der Grünen wurde schon häufig vorgeworfen, dass sie weltfremd seien. In diesem Fall wird ein älterer Ausschnitt mit der jetzigen Außenministerin Annalena Baerbock aus dem Zusammenhang gerissen und als aktueller Beitrag zur Energiekrise verkauft. Tatsächlich ging es damals darum, Schwankungen bei der Stromerzeugung effizient auszunutzen.

Deutschland versucht händeringend, eine drohende Strom- und Heizkrise im Winter zu verhindern. Ein im Juli 2022 auf Facebook veröffentlichtes Video erweckt den Eindruck, Außenministerin Annalena Baerbock habe in dieser Lage aktuell vorgeschlagen, Supermärkte als Energieerzeuger einzusetzen - das sei «Baerbocks Lösung für die Energiekrise», heißt es in einem Post (archiviert). Baerbock habe gesagt: «Wenn wir das Hühnchen nur auf -18 Grad kühlen, können wir sogar Strom exportieren...»

Bewertung

Der Ausschnitt ist von 2021 und wird in einem falschen Kontext verbreitet, Annalena Baerbock hat den Vorschlag nicht aktuell zur Lösung der Energiekrise gemacht. Es geht darum, Kühlhäuser zu Zeiten mit hohem Strombedarf etwas weniger zu kühlen, sodass der eingesparte Strom dann anderen zur Verfügung steht. Die Idee, auf diese Weise indirekt Strom zu speichern gibt es schon länger.

Fakten

Der Ausschnitt ist vom 26. Mai 2021 und stammt aus der Sendung «maischberger. die woche» - er hat also nichts zu tun mit der vom Krieg in der Ukraine ausgelösten Energiekrise im Jahr 2022. Annalena Baerbock war damals Kanzlerkandidatin der Grünen und erläuterte eine Idee, wie Strom indirekt im Netz gespeichert werden könne. Tatsächlich erwähnte Baerbock dabei als Beispiel Supermärkte und die Kühlung von Lebensmitteln - an keiner Stelle sagt sie aber, bei einer Kühlung von Minus 18 Grad könne Strom exportiert werden.

Den Vorschlag, Strom im Netz zu speichern, hat Baerbock schon früher gemacht, etwa 2018 in einem Interview. Der Hintergrund: Erneuerbare Energien liefern unregelmäßig Energie; beispielsweise arbeitet eine Photovoltaikanlage nur, wenn die Sonne scheint und Solarenergie liefert. Effizient ist es darum, Strom zu nutzen oder zwischenzuspeichern, wenn die entsprechenden Quellen wie Wind oder Sonne mehr liefern, als zu diesem Zeitpunkt gebraucht wird. Eine Studie von 2021 ergab, dass beispielsweise Rechenzentren dazu genutzt werden könnten.

Schon 2006 brachten niederländische Forscher den Vorschlag ins Spiel, den Energie-Verbrauch von Kühlhäusern so nach oben oder unten zu steuern, dass zu Zeiten mit insgesamt hohem Verbrauch Energie für andere zur Verfügung steht. Wenn viel Energie produziert, aber wenig benötigt wird, können die Kühlhäuser hingegen stärker herunterkühlen, damit sie die anderen Phasen ausreichend kalt überstehen.

Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Facebookposts hatte Baerbock gefordert, den Ausstieg aus fossiler Energie massiv zu beschleunigen. Ende Juli hat sich Annalena Baerbock außerdem gegen eine Verlängerung der Laufzeit deutscher Atomkraftwerke ausgesprochen.

(Stand: 26.7.2022)

Links:

Post (archiviert)(Video archiviert)

Sendung von 2021

Artikel Rechenzentren als Stromspeicher (archiviert)

Interview Deutschlandfunk (archiviert)

Artikel zu Forschung in Niederlanden vom Deutschlandfunk (archiviert)

Meldung (archiviert)

Meldung zu Atomkraftwerken (archiviert)

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