Geflüchtete aus der Ukraine

Gesetz soll Kommunen zur Aufnahme von Flüchtlingen bewegen

26.07.2022, 15:41 (CEST), letztes Update: 26.07.2022, 15:51 (CEST)

Soll die niederländische Regierung die Bürger bald zur Aufnahme von Ukraine-Geflüchteten zwingen können? Diese Befürchtung, die in den Sozialen Netzwerken kursiert, ist unbegründet.

Wegen des Krieges in der Ukraine haben viele Menschen das Land verlassen und Zuflucht in anderen europäischen Ländern gesucht - auch in den Niederlanden. In den Sozialen Medien wird nun behauptet, dass die Regierung dort die Bürgerinnen und Bürger nach einem neuen Gesetz dazu zwingen kann, Geflüchtete in ihren Wohnungen unterzubringen und zu ernähren. Doch die Sache verhält sich anders.

Bewertung

Das Gesetz bezieht sich auf die Kommunen und nicht die Bürgerinnen und Bürger der Niederlande.

Fakten

Das Fortführungsgesetz zum Bevölkerungsvertreibungsgesetz wurde laut einer Mitteilung der niederländischen Regierung mit Blick auf die steigende Zahl der Geflüchteten aus der Ukraine reaktiviert. Es stammt aus dem Jahr 1952 und ist seit Anfang April 2022 wieder in Kraft. Im Zuge der Reaktivierung sollen aber nur die Artikel 2c und 4 umgesetzt werden, wie in einer Mitteilung im Amtsblatt steht.

An wen richtet sich dieser Erlass?

In Artikel 4 steht, dass Bürgermeister «die gesetzliche Aufgabe (haben), sich um die Aufnahme einschließlich Unterbringung und Betreuung und Registrierung von Vertriebenen aus der Ukraine sowie um die Vorbereitungen dafür zu kümmern». So steht es im Amtsblatt zur Erklärung des Fortführungsgesetzes. Weiter heißt es dort, dass der Justizminister den Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern der niederländischen Gemeinden Weisungen erteilen kann. Es geht also nicht direkt um die Bürgerinnen und Bürger.

Die niederländische Justizministerin Dilan Yeşilgöz-Zegerius hat in einer Plenardebatte im Parlament erklärt, dass es im Zusammenhang mit diesem Gesetz nicht um die Wohnungen von Privatpersonen gehe. Man ziehe in Betracht, die Kontrolle über leerstehende Gebäude zu übernehmen, sagte sie weiter.

Wieso wurden Teile des Gesetzes reaktiviert?

Im Amtsblatt steht zur Begründung, «dass die bestehenden Strukturen nicht die erforderliche Aufnahme bieten können». Der Zustrom von Vertriebenen sei so hoch, dass die Niederlande ihnen keine (Not-)Unterkünfte innerhalb der bestehenden Strukturen bieten könnten, heißt es weiter.

Wie geht es jetzt weiter?

Das Gesetz ist aktiv, der königliche Erlass ist aber nur eine Art Übergangsgesetz. Am Ende der Amtsblatt-Veröffentlichung steht, dass unmittelbar nach dieser Entscheidung ein Gesetzentwurf eingebracht werde, der die Bestimmungen dauerhaft festlegen soll. Die Justizministerin und der Innenminister sind also dafür zuständig ein entsprechendes vollwertiges Gesetz aufzusetzen und haben einen Gesetzesentwurf erarbeitet. Nach dem Sommer soll dieser an das Parlament weitergeleitet werden.

Hintergrund der Debatte um Geflüchtete

Der niederländische Migrationsminister Eric van der Burg versucht seit geraumer Zeit, alle Kommunen in den Niederlanden dazu zu bringen, Geflüchtete aufzunehmen. Das schreibt die überregionale niederländische Tageszeitung AD. Bisher hat das aber offenbar nicht funktioniert. Alle Asylbewerberzentren seien voll, heißt es weiter. Denn es gebe «viele Kommunen», die kooperieren, aber auch eine große Zahl von Gemeinden, die «nichts tun», zitiert AD Van der Burg. Die ganzen Niederlande könnten nicht von den hart arbeitenden Kommunen profitieren, jeder müsse seinen Teil beitragen.

Diesen Beitrag soll die Regierung von den Kommunen mit Hilfe des neuen Gesetzes auch erzwingen können, wie Van der Burg erklärte. Für diesen Fall gebe es zwei Szenarien: entweder entscheide die jeweilige Provinz oder der Migrationsminister, wie viele Geflüchtete eine Kommune aufnehmen solle.

(Stand: 26.07.2022)

Links

Facebook-Post (archiviert)

Niederländischer Gesetzestext (archiviert)

Mitteilung zum Fortführungsgesetz (archiviert)

Amtsblatt zum Fortführungsgesetz (archiviert)

Übersicht Gesetzgebungsprozess (archiviert)

Niederländischer Migrationsminister (archiviert)

AD-Artikel zu Geflüchteten in den Niederlanden (archiviert)

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