Konflikt mit Russland

Keine Hinweise, dass Umfrage zur Kampfbereitschaft der Deutschen existiert

15.7.2022, 13:00 (CEST)

Für Russland und gegen die Nato zu den Waffen greifen? Im Netz wird behauptet, Millionen Deutsche wären dazu bereit. Doch ein angebliches Umfrageergebnis ist offenbar komplett erfunden.

Auch in Deutschland gibt es Befürworter des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine. Auf Facebook kursieren sogar Behauptungen, die noch einmal eine andere, martialischere Qualität haben: Dort heißt es, «11 Millionen Deutsche würden im Kriegsfall für Putin & Russland gegen die NATO kämpfen» (archiviert). Das gehe aus einer «Schock-Umfrage» hervor. Ist an dieser angeblichen Unterstützung etwas dran?

Bewertung

Es gibt keinerlei Belege für eine solche Umfrage in Deutschland über die militärische Unterstützung Putins und Russlands.

Fakten

Die Facebook-Beiträge, die die Text-Bild-Kachel mit der Behauptung zusammen mit einem Bild des lächelnden russischen Präsidenten Wladimir Putin verbreiten, nennen keine Quelle für die angebliche «Schock-Umfrage». Die Kachel kursiert bereits seit Mai 2022. Teilweise ist im begleitenden Text vage von einer angeblichen «ARD-Umfrage» die Rede.

Doch der öffentlich-rechtliche Sender dementiert auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur (dpa), in seinen Umfragen eine solche Kampfbereitschaft abgefragt zu haben. Und tatsächlich finden sich auch in den «Deutschlandtrend»-Umfragen der ARD keine solche Frage und dementsprechend auch kein Zustimmungswert, der sich auf eine absolute Zahl von elf Millionen Menschen hochrechnen lassen würde.

Die ARD hat seit dem Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine in Umfragen aber immer wieder Einschätzungen und Meinungen der deutschen Bevölkerung rund um den Krieg ermittelt. Es geht zum Beispiel um die Bewertung der westlichen Sanktionen gegen Russland, die Angst vor einem sich ausweitenden Krieg in Europa, mögliche Energieengpässe und Waffenlieferungen an die Ukraine.

Eine Frage nach der persönlichen Bereitschaft zu einem Kampfeinsatz - ob für das Militär Russlands, der Ukraine oder eines anderen, nicht am Krieg beteiligten Landes - findet sich darunter nicht. Für den «Deutschlandtrend» vom 3. März wurde lediglich nach allgemeinen Einschätzungen zum westlichen Militärbündnis Nato gefragt. Der Aussage «Die Nato ist wichtig, um den Frieden in Europa zu sichern», stimmten 83 Prozent der Befragten eher zu. 11 Prozent entschieden sich für «stimme eher nicht zu».

Ebenfalls kurz nach Kriegsbeginn Ende Februar fragte das Meinungsforschungsinstitut Civey, ob Deutschland «die Verteidigung der Nato-Ostgrenzen durch die Bundeswehr verstärken» solle - wofür sich eine Mehrheit aussprach. Doch Hinweise auf die Bereitschaft von Befragten, für Russland kämpfen zu wollen, finden sich auch dort nicht. Auch bei anderen regelmäßigen Umfragen großer Fernsehsender, etwa dem «Trendbarometer» von RTL und ntv oder dem «Politbarometer» des ZDF, gibt es keine Frage und keine Werte, die die Beiträge auf Facebook belegen würden.

Die Umfragen der Fernsehsender werden in regelmäßigen Abständen von Instituten wie Forsa, Infratest dimap oder der Forschungsgruppe Wahlen erstellt. Neben wiederkehrenden Fragen zur Wahlabsicht («Sonntagsfrage») werden auch aktuelle politische und gesellschaftliche Themen aufgegriffen. Aufgrund ihrer Methodik gelten diese Umfragen als repräsentativ - es lassen sich daraus also Schlüsse auf Meinungen und Ansichten in der gesamten Bevölkerung beziehungsweise unter den Wahlberechtigten in Deutschland ziehen.

(Stand: 14.7.2022)

Links

Überblick zum ARD-«Deutschlandtrend» (archiviert)

ARD-«Deutschlandtrend» vom 3.3.2022 (archiviert)

Civey-Umfrage zu Nato-Ostgrenzen (12.3.2022) (archiviert)

RTL/ntv-«Trendbarometer» (archiviert)

ZDF-«Politbarometer» (archiviert)

Infratest dimap zur Methodik beim ARD-«Deutschlandtrend» (archiviert)

Beitrag auf Facebook (archiviert)

Weiterer Beitrag mit Erwähnung der ARD (archiviert)

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