Raumfahrt-Tragödie

Die gesamte Crew der «Challenger»-Mission kam 1986 ums Leben

21.7.2022, 14:34 (CEST), letztes Update: 21.7.2022, 14:57 (CEST)

Millionen verfolgten 1986 den Absturz der US-Raumfähre «Challenger». Angeblich habe die Crew zum größten Teil überlebt, behaupten manche nun. Doch wie bei anderen Verschwörungsmythen fehlen die Beweise.

Die «Challenger»-Tragödie war am 28. Januar 1986 live im Fernsehen zu sehen. Diverse Facebook-Posts behaupten heute, der Absturz sei inszeniert gewesen. Mindestens sechs der sieben Besatzungsmitglieder hätten die Katastrophe überlebt. Als Beweis sollen Informationen und Fotos von Menschen dienen, die einen identischen oder ähnlichen Namen haben. Sie sind ungefähr so alt wie die Mitglieder der Crew, wenn diese heute noch am Leben wären und haben auch zum Teil visuelle Ähnlichkeiten.

Bewertung

Falsch. Die Biografien der Besatzungsmitglieder und ihrer vermeintlichen Doppelgänger beweisen, dass die Crew der «Challenger» bei dem Absturz ums Leben gekommen ist.

Fakten

Am 28. Januar 1986 sollte die Raumfähre «Challenger» als 25. Space-Shuttle ins All fliegen. Doch kurz nach dem Start endete die Mission auf tragische Weise. Der Haupttank explodierte, das Shuttle zerbrach und die einzelnen Teile fielen vom Himmel - bis heute einer der schwersten Unfälle der Raumfahrtgeschichte.

Bei der Katastrophe starben Sharon Christa McAuliffe, Judith Arlene Resnik, Michael John Smith, Francis Richard Scobee, Ronald Erwin McNair, Ellison Ozinuka und Gregory Bruce Jarvis. Mindestens sechs der sieben Besatzungsmitglieder sollen angeblich noch am Leben sein. Die vermeintlichen Beweise - und was diese auslassen - im Detail:

Biografien machen Doppelgänger-Theorie unmöglich

Die am 5. April 1949 geborene promovierte Elektroingenieurin Judith Arlene Resnik war die zweite amerikanische Astronautin, die ins All fliegen sollte. Wäre sie heute noch am Leben, wären vermutlich tatsächlich Ähnlichkeiten mit einer gleichnamigen Professorin an der Yale Law School zu erkennen.

Doch während die Astronautin Judith Resnik in den 1970er und 80er Jahren bei der Nasa arbeitete und studierte, unterrichtete Judith Resnik, die Anwältin, Jura an der Yale Law School. Im Jahr 1985 schrieb die Juraprofessorin zudem Beiträge für Fachzeitschriften. Ein Jahr zuvor nahm die Astronautin Resnik an einem Raumflug teil. Es ist unmöglich, dass ein und dieselbe Frau zur gleichen Zeit in verschiedenen Berufen und an verschiedenen Orten tätig war.

Ähnlich verhält es sich mit Francis Richard Scobee. Er war 46 Jahre alt, als er bei der Katastrophe starb. Es gibt heute tatsächlich einen Mann, der ebenfalls Richard Scobee heißt. Er ist CEO einer Marketing-Werbefirma und sieht dem Raumfahrer Richard Scobee unter Berücksichtigung des Zeitabstands ähnlich. Dennoch gibt es deutliche Unterschiede, die sich nicht durch den Lauf der Jahre erklären lassen (z.B. die unterschiedlichen Ohrformen).

Außerdem war zu der Zeit, als Francis Richard Scobee, der Raumfahrer, bei der Nasa eine Ausbildung zum Astronauten absolvierte, der andere Richard Scobee CEO und Präsident einer anderen Marketing-Firma in Chicago. Auch in diesem Fall ist es nicht möglich, dass ein und derselbe Mann zwei so unterschiedliche Jobs an zwei geografisch weit voneinander entfernten Orten zur gleichen Zeit ausübte.

Sharon Christa McAuliffe war Sozialkundelehrerin an der Concord High School in New Hampshire, bevor sie unter mehr als 11 000 Bewerbern für das Nasa-Programm «Teacher in Space» ausgewählt wurde. Wäre sie nicht bei der Katastrophe ums Leben gekommen, wäre sie die erste Lehrerin im Weltraum gewesen.

Es gibt eine Professorin am Syracuse University College of Law, die Sharon A. McAuliffe heißt und wie eine ältere Astronautin McAuliffe aussieht, wenn man die 30 Jahre dazwischen berücksichtigt. Doch auch in diesem Fall widerlegen die Lebensläufe der beiden McAuliffes die Behauptung, die Astronautin sei noch am Leben.

Während die Astronautin McAuliffe Abschlüsse in Pädagogik am Framingham State College und an der Bowie State University erwarb, Sozialkunde an der Concord High School (New Hampshire) unterrichtete und eine Ausbildung bei der Nasa absolvierte, besuchte Sharon McAuliffe, die Anwältin, die Syracuse University und arbeitete für eine Wirtschaftsprüfungsfirma in Syracuse.

Auch Michael John Smith soll angeblich unter seinem richtigen Namen leben. Michael J. Smith ist emeritierter Professor an der University of Wisconsin-Madison. Auch in diesem Fall haben die beiden Männer unterschiedliche Lebensläufe und können unmöglich zur gleichen Zeit und an verschiedenen Orten ihre Tätigkeiten ausgeübt haben.

Geschwister sehen sich ähnlich

Ronald McNair wäre heute 71 Jahre alt, wenn er nicht bei der «Challenger»-Katastrophe ums Leben gekommen wäre. In diesem Fall wird ebenfalls das Foto eines ähnlich aussehenden Mannes geteilt. Dies ist aber der Bruder von Ronald McNair, Carl McNair.

Doch auch hier sind Unterschiede in den Details zu erkennen. Carl McNair hat eine deutlich sichtbare Lücke in seinen Vorderzähnen, anders als sein Bruder Ronald. Ansonsten sehen sich Geschwister üblicherweise, wie auch in diesem Fall, ähnlich.

Ellison Shoji Onizuka wurde am 24. Juni 1946 auf Hawaii geboren und wäre heute 68 Jahre alt. Auch er hat einen Bruder, Claude Onizuka, der ihm ähnlich sehen würde, wäre er heute noch leben. Das ist jedoch kein Beweis dafür, dass es sich um Ellison Shoji Onizuka handelt.

Der Social Security Death Index (SSDI)

Als weiteren Beleg dafür, dass die Besatzung der «Challenger» das Unglück angeblich überlebt habe, wird der Social Security Death Index (SSDI) herangezogen. Der SSDI ist eine US-Datenbank, in der die meisten Menschen, die seit 1936 verstorben sind und eine Sozialversicherungsnummer hatten, verzeichnet sind. Sie ist öffentlich einsehbar.

Angeblich sollen die sieben Besatzungsmitglieder in der Datenbank nicht zu finden sein, was ein Indiz dafür wäre, dass sie nicht gestorben sind. Doch vier der sieben Besatzungsmitglieder (Ronald McNair, Francis Richard Scobee, Ellison Shoji Onizuka und Michael J. Smith) lassen sich in der Datenbank finden.

Warum die restlichen drei Besatzungsmitglieder nicht in der Datenbank sind, lässt sich wohl damit erklären, dass diese zwar viele, aber längst nicht alle Todesfälle beinhaltet.

Verschwörungsmythos ohne Belege

Wenn die Nasa das «Challenger»-Unglück wirklich inszeniert und es tatsächlich Überlebende gegeben hätte, wäre es wohl höchst unwahrscheinlich, dass die vermeintlich Überlebenden offen unter ihren normalen Namen und einer ähnlichen physischen Erscheinung leben würden. Außerdem: Was für einen Grund sollte es überhaupt gegeben haben, ein solches Unglück zu inszenieren?

Zudem findet das siebte Besatzungsmitglied, Gregory Bruce Jarvis, gar keine Erwähnung in der Behauptung. Offenbar weil er weder ähnlich aussehende Geschwister, noch einen vermeintlichen Doppelgänger in einem ähnlichen Alter hat.

Die Verschwörungstheorie kursiert schon seit Jahren durch die sozialen Medien. Bereits 2015 wurde sie durch die Faktenprüfer von Snopes widerlegt. Zuletzt hatte die Internetseite «kla.tv» die Behauptung wiederholt. Hinter dem Fernsehsender steckt die «Organische Christus Generation», die laut Bundesregierung «Verschwörungsmythen mit Tendenzen zu Antisemitismus, Geschichtsrevisionismus sowie Holocaustleugnung verbreitet.»

(Stand: 21.7.2022)

Links

Facebook-Post (archiviert)

Facebook Post 2 (archiviert)

National Geographic über Challenger-Katastrophe (archiviert)

Sharepic mit Behauptung (archiviert)

NASA über Judith Arlene Resnik (archiviert)

Yale Law School über Judith Resnik (archiviert)

Beitrag von Juristin Judith Resnik in Fachzeitschrift (archiviert)

NASA über Francis R. Scobee (archiviert)

LinkedIn-Seite von CEO Richard Scobee (archiviert)

University of Wisconsin über Ronald E Nair (archiviert)

Erinnerungen von Carl Nair an seinen Bruder (archiviert)

NASA über Ellison Shoji Onizuka (archiviert)

Interview mit Claude Onizuka (archiviert)

NASA über Sharon Christa McAuliffe (archiviert)

Spiegel-Artikel über Sharon Christa McAuliffe (archiviert)

Informationen über Sharon A. McAuliffe (archiviert)

NASA über Michael John Smith (archiviert)

Informationen über den Professor Michael J. Smith (archiviert)

Social Security Death Index (SSDI) (archiviert)

SSDI-Eintrag zu Ronald McNair (archiviert)

SSDI-Eintrag zu Francis Richard Scobee (archiviert)

SSDI-Eintrag zu Michael J. Smith (archiviert)

SSDI-Eintrag zu Ellison Shoji Onizuka (archiviert)

Informationen über den Social Security Death Index (archiviert)

NASA über Gregory Bruce Jarvis (archiviert)

Weitere Informationen Gregory Bruce Jarvis (archiviert)

Der Standard über Hintergründe von «kla.tv» (archiviert)

Bundesregierung über «Organische Christus Generation» (archiviert)

Faktencheck von Snopes.com zur Behauptung (archiviert)

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