Mit UN und Staaten abgestimmt
Obama führte Krieg gegen Terror-Organisationen
11.7.2022, 14:46 (CEST)
Wenn Krieg geführt wird, sollte es zumindest gerechtfertigt sein. Dem ehemaligen US-Präsidenten und Friedensnobelpreisträger Barack Obama wird in Facebookposts vorgeworfen, er habe 2016 zeitgleich sieben Länder bombardieren lassen – alle «mit erfundenem Kriegsgrund» (archiviert).
Bewertung
Die USA waren 2016 an Luftangriffen in mehreren Staaten beteiligt, meist gegen Terroristen. Die Einsätze fanden teils mit Zustimmung der Vereinten Nationen (UN), teils in Absprache mit den Regierungen der betroffenen Länder statt. Tatsächlich erfunden war der Grund für die Bombardierung des Iraks 2003 - das war 2016 jedoch schon lange bekannt.
Fakten
Der Screenshot zeigt einen Leserbrief, der am 13. März 2022 auf der Seite Krone.at veröffentlicht wurde. Doch waren die USA im Jahr 2016 überhaupt wie behauptet an Kriegen in sieben Ländern beteiligt? Der Spiegel und der Council on Foreign Relations führten in jenem Jahr tatsächlich sieben Länder als Einsatzgebiete von US-Kräften auf: Afghanistan, Irak, Pakistan, Somalia, Jemen, Libyen und Syrien.
Meist wurden dabei Luftangriffe durchgeführt. Ziel des militärischen Eingreifens war laut Kriegsursachenforscher Wolfgang Schreiber das «Bekämpfen aktiver islamistischer Gruppen».
Die US-amerikanische Offensive zur Bekämpfung von Terrororganisationen geht auf den Anschlag am 11. September 2001 zurück. Schon unter Präsident George W. Bush wurde Krieg in einigen der genannten Ländern geführt. Obama setzte das ab 2009 fort und machte von Anfang an deutlich, er werde gegen Al-Kaida vorgehen.
Neben Al-Kaida stellte der Islamische Staat (IS) eine Bedrohung für die Sicherheit vieler Länder dar. So schlossen sich die USA 2014 mit mehr als 40 weiteren Ländern zu einer Koalition zusammen, um den Islamischen Staat zu bekämpfen. In einer Resolution aus dem Jahr 2015 erklärten die Vereinten Nationen (UN), dass der Islamische Staat im Irak und in Syrien eine Gefahr für alle Mitgliedsstaaten darstellt und beschlossen, die Bedrohung mit allen Mitteln im Einklang mit dem Völkerrecht zu bekämpfen.
Es stellt sich die Frage, ob das Abwerfen von Bomben im Kampf gegen Terrororganisationen die beste Vorgehensweise ist. Schreiber sagt dazu im Interview mit der Deutschen Presse-Agentur: «Das ist eine rechtliche Frage: Wo darf man wie intervenieren?»
Dennoch ist der Vorwurf der «erfundenen Gründe» haltlos. Die Umstände der Interventionen im Einzelnen:
Irak
Der Krieg im Irak begann schon vor der Amtszeit Obamas, nämlich 2003. Als Begründung für das Eingreifen der USA nannte der damalige Präsident Bush eine Bedrohung durch Massenvernichtungswaffen des Iraks. Diese Behauptungen stellten sich später als falsch heraus, so dass Kriegsursachenforscher Schreiber hier zu dem Schluss kommt: «Das war ein erfundener Grund.»
Die USA stürzten den irakischen Diktator Saddam Hussein. Bei den demokratischen Parlamentswahlen 2005 gewann die Schiitenkoalition gegen die Kurden und Sunniten und erarbeitete gedrängt von den USA eine Verfassung. Die sunnitischen Gruppen wurden von dort an jahrelang unterdrückt, was dem IS in die Karten spielte: Viele schlossen sich der Organisation an. Die USA beteiligten sich unter Obama an Luftangriffen gegen die Terrorgruppe zur Unterstützung der irakischen Regierung. Legitimiert wurde dies durch die genannte UN-Resolution.
Syrien
2011 protestierten die Menschen in Syrien gegen das Assad-Regime. Aus den Protesten entwickelte sich ein Bürgerkrieg zwischen der Regierungsarmee und den Oppositionellen. Dabei formten sich terroristische Gruppen. Der IS konnte an Macht gewinnen und erklärte neben Gebieten im Irak nun auch Syrien zum Kalifat.
Somit weiteten die USA den Kampf gegen die Terrormiliz 2014 schließlich auch auf Syrien aus. Das Problem laut Schreiber: «Es fehlte die Zustimmung der syrischen Regierung.» Und auch der Spiegel schreibt: «Das syrische Regime wurde nicht vorher um Erlaubnis gefragt.» Der Angriff ist daher völkerrechtlich umstritten.
Die USA berufen sich jedoch auf das Selbstverteidigungsrecht nach Artikel 51 der UN-Charta und beziehen dies auf den Irak. Der Irak machte zuvor deutlich, dass die Attentate des Islamischen Staats aus Syrien heraus das Land bedrohen und eine Unterstützung in der Verteidigung notwendig sei. Die USA kamen diesem Wunsch nach. 2016 wurden weiterhin Luftangriffe geflogen.
Afghanistan und Pakistan
Der Krieg in Afghanistan begann 2001, kurz nach dem Anschlag in New York, für den die von der Taliban-Regierung Afghanistans unterstützte Terrorgruppe Al-Kaida verantwortlich gemacht wurde. Unter Obama wurde 2011 der Chef der Organisation Osama bin Laden getötet.
2014 ging Aschraf Ghani als Sieger der Präsidentschaftswahlen hervor und unterzeichnete ein Sicherheitsabkommen mit den USA. Eine multilaterale Initiative, an der auch die Vereinigten Staaten beteiligt waren, Friedensgespräche mit den Taliban zu organisieren, scheiterte und endete mit der Tötung des Anführers der Taliban 2016 durch eine US-Drohne. Mullah Mansur habe, so soll es von Obama geheißen haben, den Friedensgesprächen im Weg gestanden.
Pakistanische Geheimdienste trainierten zur selben Zeit Taliban-Kämpfer. Die Taliban griffen Afghanistan daher auch von Pakistan aus an. Da die Vereinigten Staaten die afghanische Regierung im Kampf gegen die islamistische Organisation unterstützten, reagierten sie mit Angriffen auf Ziele in Pakistan.
Libyen
2011 kam es in Libyen zu Kämpfen zwischen Anhängern von Muammar al-Gaddafi und Feinden des Diktators. Die Vereinten Nationen verabschiedeten eine Resolution, die es allen Mitgliedsstaaten (auch den USA) erlaubt, alle notwendigen Maßnahmen zum Schutze der Bevölkerung zu ergreifen. Das machte den Weg für einen Luftangriff gegen den Diktator al-Gaddafi frei.
Nach dem Sturz al-Gaddafis wurden zwei konkurrierende Regierungen gebildet und ein Bürgerkrieg entfachte. Dieses Chaos nutzte der Islamische Staat, um Anhänger zu rekrutieren und brutal seine Herrschaft auszuweiten. Dadurch schadete die Terrororganisation der international anerkannten Regierung. 2016 griffen die USA Ziele in Libyen aus der Luft aus an, um den IS zu schwächen - zum Teil geschah dies auch auf Ersuchen der libyschen Regierung.
Jemen
Auch im Jemen sind die Ursprünge des Krieges im Jahr 2011 zu finden. Nach Demonstrationen für einen politischen Richtungswechsel trat der damalige Präsident zurück. Es sollte zu Reformen kommen, doch die Huthi – eine Rebellengruppe - wurden davon ausgeschlossen. Es kam zu bewaffneten Konflikten zwischen den Truppen der international anerkannten Übergangsregierung und den Kräften der Huthi.
2015 bat der Präsident des Jemen den Kooperationsrat der Arabischen Golfstaaten mit allen erforderlichen Mitteln (einschließlich der militärischen Intervention) um Unterstützung gegen die Huthi. Die USA halfen mit militärischer und materieller Unterstützung.
Unterdes konnte sich im Jemen die Terrorgruppe Al-Kaida ausbreiten. Schon 2009 hatte Obama angekündigt, überall gegen die Gruppe vorzugehen. Auch die Luftangriffe im Jahr 2016 auf den Jemen dienten laut Pentagon dem Ziel, Al-Kaida zu vernichten.
Somalia
In Somalia herrschte lang ein Kampf um die politische Macht. Die radikalislamische Terrormiliz Al-Shabaab etablierte sich als Sieger. Die Gruppe, die Teil von Al-Kaida ist, verlor mit der Zeit den Rückhalt in der Bevölkerung und übte später landesweit Anschläge aus. 2012 erklärte Obama die Situation in Somalia zum nationalen Sicherheitsrisiko. Die USA unterstützen, wie aus einem Dokument aus 2016 hervorgeht, afrikanische Truppen namens AMISOM im Kampf gegen die Terrorgruppe mit Luftangriffen.
(Stand: 7.7.2022)
Links
Facebook-Post (archiviert)
Spiegel: Liste der Länder (archiviert)
CfR: Bomben (archiviert)
Geschichte Afghanistan-Krieg (archiviert)
Bundeswehr über Afghanistan-Krieg (archiviert)
Afghanistan- und Pakistan-Strategie der USA (archiviert)
Hintergründe Irak-Krieg (archiviert)
Chronologie Irak-Krieg und IS (archiviert)
Luftangriffe 2016 auf Irak (archiviert)
Berufung auf Selbstverteidigungsrecht (archiviert)
Irak benötigt Hilfe (archiviert)
Spiegel-Meldung Syrien (archiviert)
Resolution über IS (archiviert)
Resolution gegen al-Gadaffi (archiviert)
Bundestag über den IS in Libyen (archiviert)
Statement Pentagon zu Libyen (archiviert)
Jemen - Kriegsgeschichte (archiviert)
Jemen - Golf-Kooperation (archiviert)
Resolution zum Jemen (archiviert)
USA unterstützen Jemen-Koalition (archiviert)
al-Qaida und IS im Jemen (archiviert)
Pentagon Statement 2016 Jemen (archiviert)
Geschichte Krieg in Somalia (archiviert)
Über dpa-Faktenchecks
Dieser Faktencheck wurde im Rahmen des Facebook/Meta-Programms für unabhängige Faktenprüfung erstellt. Ausführliche Informationen zu diesem Programm finden Sie hier.
Erläuterungen von Facebook/Meta zum Umgang mit Konten, die Falschinformationen verbreiten, finden Sie hier.
Wenn Sie inhaltliche Einwände oder Anmerkungen haben, schicken Sie diese bitte mit einem Link zu dem betroffenen Facebook-Post an faktencheck@dpa.com. Nutzen Sie hierfür bitte die entsprechenden Vorlagen. Hinweise zu Einsprüchen finden Sie hier.
Schon gewusst?
Wenn Sie Zweifel an einer Nachricht, einer Behauptung, einem Bild oder einem Video haben, können Sie den dpa-Faktencheck auch per WhatsApp kontaktieren. Weitere Informationen dazu finden Sie hier.