Pro-EU-Demos seit Wochen

Zehntausende protestieren für Westbindung Georgiens

06.07.2022, 16:30 (CEST), letztes Update: 06.07.2022, 16:47 (CEST)

Generelle Anti-Europa-Stimmung in Georgien? Dies sollen angeblich Aufnahmen von Demonstrationen in der Hauptstadt Tiflis belegen. Doch das Gegenteil ist der Fall.

In der Ex-Sowjetrepublik Georgien im Südkaukasus reißen die Demonstrationen für einen stärkeren proeuropäischen Kurs des Landes nicht ab. Doch in einem Artikel auf «Report 24» wird jedoch das genaue Gegenteil behauptet (archiviert): Demnach hat es angeblich jüngst Massenkundgebungen gegen Nato und EU gegeben. Auf eine Mitgliedschaft in der Nato, heißt es weiter, habe man «keine Lust».

Bewertung

Es gab zwar Anti-EU-Proteste in Georgien, Umfragen zeigen jedoch einen sehr hohen Zuspruch zu EU- und Nato-Mitgliedschaft in der Bevölkerung. Regelmäßig finden Demonstrationen von Beitrittsbefürwortern statt.

Fakten

Vor dem Hintergrund des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine sind auch in Georgien die Forderungen nach einer stärkeren Westorientierung des Landes laut geworden.

Dass die Ex-Sowjetrepublik (im Gegensatz zur Republik Moldau und zur Ukraine) von den EU-Staats- und Regierungschefs bei deren Treffen am 23./24. Juni 2022 den Status eines EU-Beitrittskandidaten nicht erhalten hat, lasten die Bürger der Regierung in Tiflis an. Das Land hatte Anfang März 2022 einen Antrag in Brüssel eingereicht.

Eine regelmäßige Umfrage der Nichtregierungsorganisationen National Democratic Institute (NDI) und The Caucasus Research Resource Centers (CRRC) in Georgien fand zuletzt im März heraus, dass 82 Prozent der Bürger für einen EU-Beitritt einstehen - nur 9 Prozent sind dagegen. Für eine Nato-Mitgliedschaft sprechen sich 71 Prozent aus.

In den vergangenen Wochen kam es in der Kaukasusrepublik zu mehreren proeuropäischen Großkundgebungen, auf denen auch immer wieder die Europahymne «Ode an die Freude» abgespielt wurde - zuletzt am 3. Juli in Tiflis mit mehr als 35 000 Menschen, wie die Nachrichtenagenturen dpa und AFP berichten. Am 20. Juni fanden sich nach AFP-Schätzungen sogar 120 000 Menschen in der Hauptstadt zusammen. Häufig versammeln sich die Protestierenden auf dem Platz zwischen Parlamentsgebäude und dem Museum der Schönen Künste.

Zwar tragen auch etwa prorussische Parteien oder Gruppen wie die rechtsextreme Verbindung Alt-Info ihren Protest gegen EU und Nato auf die Straßen und verbrennen - wie am 2. Juli - etwa Flaggen. Das ist aber keine Beleg für die Behauptung, dass «die Menschen in Georgien» angeblich von Beziehungen zum Westen «die Nase voll» haben.

Das Verhältnis zwischen Georgien und Russland ist spätestens seit dem Kaukasuskrieg 2008 angespannt. Nach dem Krieg erkannte Moskau die abtrünnigen georgischen Gebiete Südossetien und Abchasien als unabhängige Staaten an und stationierte Tausende Soldaten in der Region.

(Stand: 05.07.2022)

Links

Europäischer Rat über Status Georgiens (archiviert)

Europäischer Rat über Entscheidungen vom 23./24. Juni (archiviert)

NDI/CRRC-Umfrage über Ansichten zu EU- und Nato-Mitgliedschaft (archiviert)

ZDF-Artikel über Pro-EU-Demonstration in Georgien am 3.7.2022 mit Material von dpa und AFP (archiviert)

AFP-Artikel über Pro-EU-Demonstration in Georgien am 20.6.2022 (archiviert)

Europahymne auf Pro-EU-Demonstration in Georgien am 3.7.2022 (archivierter Tweet, archiviertes Video)

Platz zwischen Parlament und Museum der Schönen Künste auf Google Maps (archiviert)

Artikel über Kundgebungen der Gruppe Alt-Info (archiviert)

Artikel zu vermeintlichen Anti-EU-Kundgebungen (archiviert)

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