Unterstellung

Behörden beschlagnahmen auch Vermögen von Clan-Mitgliedern

1.7.2022, 11:08 (CEST)

In München haben Behörden russisches Vermögen wegen EU-Sanktionen einkassiert. Bei Clankriminalität traue sich die Justiz das nicht, behaupten Facebook-User. Berichte zeigen: Das ist Quatsch.

Die Europäische Union hat als Reaktion auf den russischen Angriff gegen die Ukraine mehrere Sanktionen gegen Russland und russische Einzelpersonen verhängt. Darunter fallen unter anderem Reiseverbote oder das Einfrieren von Vermögenswerten von Spitzenpolitikern und Oligarchen. Mitte Juni 2022 hat nun erstmals eine Behörde in Deutschland auf dieser Grundlage russisches Vermögen beschlagnahmt. Ermittler der Staatsanwaltschaft München I konnten laut einer Mitteilung drei Privatwohnungen eines sanktionierten Duma-Abgeordneten und seiner Frau sicherstellen sowie ein Bankkonto, auf das die Mietzahlungen in Höhe von monatlich rund 3500 Euro eingingen.

In diesem Zusammenhang kursiert in den sozialen Medien derzeit ein Sharepic: «Weshalb traut man sich eigentlich russisches Vermögen zu beschlagnahmen. Aber nicht das von Clans?» steht als rhetorische Frage auf dem Bild. Die Aussage ist eindeutig: Deutsche Behörden würden angeblich nur russische Besitztümer, nicht aber Vermögen von kriminellen Mitgliedern aus Großfamilien - sogenannter Clans - beschlagnahmen.

Bewertung

Die Behauptung ist falsch. In Deutschland wird auch illegal erworbenes Vermögen von kriminellen Clan-Mitgliedern beschlagnahmt.

Fakten

Dass in Deutschland auch Vermögenswerte von kriminellen Clan-Mitgliedern beschlagnahmt werden, geht aus den sogenannten Lagebildern zur Clankriminalität hervor, die von einigen Bundesländern jährlich veröffentlicht werden. Für das Jahr 2021 haben bereits die Länder Berlin und Nordrhein-Westfalen (NRW) ihre Berichte vorgelegt.

In NRW haben die Behörden demnach im Jahr 2021 knapp 10,2 Millionen Euro im Zusammenhang mit Clankriminalität abgeschöpft. Die Summe hat sich im Vergleich zum Vorjahr mehr als verdoppelt. 2020 wurden 4 Millionen Euro beschlagnahmt. «Unter anderem konnten Bargeld in Höhe von 8,4 Millionen Euro und Immobilien im Wert von 1,1 Millionen Euro gesichert werden», heißt es in dem Bericht. In Berlin wurden laut einer Mitteilung 2021 unter anderem 108 132 Euro beschlagnahmt, die mehrheitlich als Erlöse aus dem Handel mit Betäubungsmitteln stammen sowie zahlreiche Gegenstände im Zuge von polizeilichen Kontrolleinsätzen. Für das Jahr 2020 geben niedersächsische Behörden laut dem zuletzt veröffentlichen Lagebericht zudem sichergestellte Vermögenswerte in Höhe von 946 000 Euro an.

Wie hoch der Betrag der beschlagnahmten Vermögen in Bezug auf Clankriminalität in Deutschland insgesamt ist, dazu lassen sich keine offiziellen Angaben auf der Seite des Bundesinnenministeriums finden. Zwar thematisiert das Bundeskriminalamt (BKA) Clankriminalität als einen Teilaspekt im jährlich herausgegebenen Lagebild zur Organisierten Kriminalität. Jedoch findet sich im jüngsten Bericht für 2020 keine Aufschlüsselung, wie viel des insgesamt eingezogenen Vermögens dabei im Zusammenhang mit kriminellen Clan-Aktivitäten steht.

Warum werden Vermögen in Deutschland überhaupt beschlagnahmt?

2017 hat der Bundestag die gesetzliche Grundlage zur Einziehung von illegal erworbenen Vermögen mit der Zustimmung zu einem Gesetzesentwurf zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung geändert. Das grundsätzliche Ziel der Vermögensabschöpfung ist, dass sich Straftaten für die Täter nicht lohnen sollen. Denn bei vielen Straftaten gehe es häufig auch um die persönliche Bereicherung, erklärt das Landeskriminalamt Niedersachsen. Neben der Bestrafung des Täters sei es daher wichtig, dass auch die finanziellen oder materiellen Vorteile aus einer der Tat abgeschöpft würden. Es geht also darum, illegal erworbene Vermögensvorteile den Tätern zu entziehen und die Schäden, die Opfer erlitten haben, auszugleichen. Das schreibt auch das Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz in einem entsprechenden Hinweis-Heft.

Was ist das Ziel der EU-Sanktionen?

Die EU-Sanktionen gegen russische Einzelpersonen zielen hingegen drauf ab, «dass das russische Regime nicht mehr mit ihrem Geld unterstützt werden kann und dass sie keinen sicheren Zufluchtsort in der EU finden». Das Einfrieren von Vermögenswerten bedeute, dass alle Konten der sanktionierten russischen Personen und Organisationen bei EU-Banken eingefroren würden. Zudem sei es verboten, «ihnen direkt oder indirekt Gelder oder Vermögenswerte zur Verfügung zu stellen», schreibt die EU in ihrem Überblick.

(Stand: 29.6.2022)

Links

Facebook-Posting 1 (archiviert)

Überblick über die EU-Sanktionen gegen Russland (archiviert)

Mitteilung Staatsanwaltschaft München I vom 20. Juni 2022 (archiviert)

NRW-Lagebild zur Clankriminalität 2021 (archiviert)

Mitteilung zum Berliner Lagebild zur Clankriminalität 2021 vom 6.5.2022 (archiviert)

Mitteilung zum Lagebericht in Niedersachen von 2020 (archiviert)

Link zum Download "Lagebild Organisierte Kriminalität" des BKA

Bundestag stimmt für Vermögensabschöpfung illegal erworbener Vermögen (archiviert)

Definition Vermögensabschöpfung vom LKA Niedersachsen (archiviert)

Justizministerium: "Vermögensabschöpfung im deutschen Recht - Hinweise für Praktiker" (archiviert)

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