Vorwürfe unbegründet

Ukraine verbietet Propagandaliteratur und Import russischer Bücher

21.06.2022, 23:53 (CEST)

Ein Gerücht im Netz besagt, dass in der Ukraine russischsprachige Bücher verbrannt werden sollen. Das passt zwar zur Moskauer Erzählung, die Ukraine werde von Nazis regiert - doch es stimmt nicht.

Hört man in Deutschland von Bücherverbrennungen, verbindet man das in der Regel mit den Nazis. Die hatten 1933 in einer öffentlichkeitswirksamen Aktion ihnen nicht genehme Werke verbrannt, etwa von jüdischen oder pazifistischen Autorinnen und Autoren. Nun kursiert das Gerücht, der ukrainische Präsident Selenskyj wolle alle «russischsprachigen Bücher» verbrennen lassen (archiviert).

Bewertung

Die ukrainische Regierung hat ein Importverbot für Schriftwerke aus Russland und Belarus erlassen. Außerdem will sie «russische Propaganda-Literatur» aus den Bibliotheken des Landes entfernen lassen. Für Pläne der Regierung zur Verbrennung aller russischsprachigen Bücher gibt es keinerlei Hinweise.

Fakten

Die ukrainische Regierung hat in jüngerer Zeit zwei Vorhaben zum Umgang mit bestimmten Druckwerken erlassen. Am 19. Juni 2022 hatte das ukrainische Parlament beschlossen, dass keine Druckwerke aus Russland und Belarus mehr in die Ukraine importiert werden dürfen. Berichtet hatte darüber etwa der ukrainische Abgeordnete Jaroslaw Schelesnjak auf Telegram.

Am 5. Mai 2022 gab die stellvertretende Kulturministerin der Ukraine bekannt, dass russisch-sprachige «Propaganda-Literatur» aus den Bibliotheken entfernt werden soll. Darunter fallen dem Artikel auf der Seite des Ministeriums zufolge etwa Texte, die den russischen Krieg gegen die Ukraine leugnen oder die territoriale Integrität des Landes in Frage stellen.

Es geht aber nicht um die gesamte russischsprachige Literatur. Was mit den entfernten Texten passieren soll, ist unklar, eine Verbrennung wird nirgends erwähnt. Für eine offizielle Anweisung zur Verbrennung aller russischsprachiger Bücher in der Ukraine gibt es keinerlei Hinweise.

Der Text im Screenshot im Facebook-Post stammt aus einem spanisch-sprachigen Artikel des Blogs voltaire.net, das von dem französischen Aktivisten Thierry Meyssan betrieben wird. Darin ist von der «Vernichtung» der Bücher die Rede. Meyssan vertritt in zahlreichen Artikeln eine dezidiert prorussische Perspektive auf den Krieg.

Das Foto der brennenden Bücher wurde bereits 2014 auf dem Filehosting-Dienst IMGUR auf einer Seite mit dem Titel «Russian Nazis in Crimea» veröffentlicht. Es zeigt also sicher keine Bücherverbrennung im Jahr 2022. Auf einem der abgebildeten Bücher steht in kyrillischen Buchstaben «Geschichte der Ukraine». Das deutet darauf hin, dass die Verbrennung tatsächlich eher von pro-russischen Personen durchgeführt wurde, die der Ukraine die Staatlichkeit absprechen.

Am 21. Mai 2022 hatte auch die britische Botschafterin in der Ukraine, Melinda Simmons, das Foto auf Twitter verbreitet. Sie hatte dazu geschrieben, ukrainische Geschichtsbücher zu verbrennen, sei «keine Denazifizierung, sondern das Gegenteil». Allerdings hatte auch sie nicht darauf hingewiesen, dass das Bild nicht aktuell, sondern schon deutlich älter ist.

(Stand: 21.6.2022)

Links

Facebook-Post (archiviert)

dpa-Meldung zu Importverbot im «Handelsblatt» (archiviert)

Post von Jaroslaw Schelesnjak auf Telegram (archiviert)

Mitteilung auf der Seite des ukrainischen Kulturministeriums (archiviert)

Spanisch-sprachiger Artikel auf voltaire.net (archiviert)

Artikel von Thierry Meyssan auf voltaire.net (archiviert)

Seite auf IMGUR von 2014 mit Foto (archiviert)

Tweet von Melinda Simmons (archiviert)

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