Hohe Spritpreise

Aktuell weniger Steuern und Abgaben auf Super als 2008

21.6.2022, 12:32 (CEST), letztes Update: 29.6.2022, 12:53 (CEST)

Die Preise an der Zapfsäule steigen. Gern wird dabei mit dem Finger auf die Last durch Steuern und Abgaben gezeigt. Doch so einfach ist es nicht - gerade wegen des milliardenteuren Tankrabatts.

Autofahrer in Deutschland ächzen unter den Preisen an den Tankstellen. Nicht selten wird dabei trotz Tankrabatts der Bundesregierung dem Staat die Schuld gegeben. «Der Spritpreis wurde durch Steuern und Steuern auf Steuern in die Höhe getrieben», behauptet (archiviert) am 7. Juni 2022 etwa der Berliner AfD-Politiker Ronald Gläser. Andere Nutzer übernehmen seine unbelegte These (archiviert).

Bewertung

Falsch. Gerade durch den Tankrabatt sind die Abgaben an den Staat im Juni 2022 geringer als 2008.

Fakten

AfD-Mann Gläser vergleicht im Abstand von knapp 14 Jahren die Kosten für ein Barrel Rohöl (159 Liter) mit denen eines Liters Superbenzin an der Zapfsäule. Er behauptet: Während im Juli 2008 für Rohöl 140 US-Dollar bezahlt worden sein müssen, seien es im Juni 2022 nur 117 Dollar gewesen. Im Gegensatz dazu sei der Liter-Preis für Super von 1,58 Euro auf 1,95 Euro gestiegen.

Stimmen die genannten Werte?

Ja, in etwa. Genaue Quellen für seine Angaben führt Gläser nicht an. Nach Angaben des ADAC lag im Juli 2008 der Liter Super im Schnitt bei 1,52 Euro. Am 7. Juni 2022, als Gläser seinen Post absetzte, kostete E10 im bundesweiten Durchschnitt 1,95 Euro pro Liter.

Der US-Energie-Informationsbehörde EIA zufolge kostete ein Barrel der Nordseesorte Brent im Juli 2008 rund 133 US-Dollar. Am 7. Juni 2022 waren es morgens an der Börse in Singapur gut 120 Dollar pro Barrel.

Woraus setzt sich der Spritpreis zusammen - damals und heute?

  • Energiesteuer: Dieser Festbetrag fällt immer in gleicher Höhe an, egal wie hoch der jeweilige Spritpreis tagesaktuell ist. Bei Super E10 etwa sind das unverändert seit 2003 pro Liter 65,45 Cent - also auch im Jahr 2008. Aktuell setzt hier allerdings der sogenannte Tankrabatt der Bundesregierung an: Vom 1. Juni bis 31. August 2022 beträgt die Energiesteuer sogar nur noch 35,9 Cent pro Liter Super.
  • CO2-Abgabe: Dieser konstante Wert schlägt je nach Biospritanteil und Kraftstofftyp dem Bundesfinanzministerium zufolge mit etwa 7 bis 8 Cent pro Liter zu Buche. Die CO2-Bepreisung wurde von der schwarz-roten Vorgängerregierung zum 1. Januar 2021 eingeführt - galt also tatsächlich noch nicht im Jahr 2008.
  • Erdölbevorratungsbeitrag: Damit werden in Deutschland gelagerte Rohölreserven für Krisenzeiten finanziert. Die Beitragssätze betragen einheitlich 3,56 Euro je Tonne, umgerechnet 0,27 Cent pro Liter Super.
  • Mehrwertsteuer: Für Kraftstoffe liegt der Satz aktuell wie auch im Jahr 2008 bei 19 Prozent des Produktpreises an der Tankstelle (also auch auf Steuer und Abgaben). Das heißt: Je höher der Spritpreis ist, umso mehr Euro fließen in die Staatskasse. Bei einem Literpreis von 1,52 Euro (Juli 2008) an der Zapfsäule sind das etwa 24 Cent, bei 1,95 Euro (Juni 2022) rund 31 Cent.
  • Der Rest des Kraftstoffpreises entfällt etwa auf Kosten für Rohstoffe (also den Barrel-Preis), Raffinerie, Transport und Vertrieb sowie Gewinne der beteiligten Unternehmen und Tankstellen. Beim Barrelpreis ist besonders der Wechselkurs zwischen Dollar und Euro zu betrachten. Denn auch wenn der Barrelpreis in Dollar 2022 im Vergleich zu 2008 sinkt, wird in Deutschland mit Euro bezahlt. Im Juli 2008 war ein Dollar beispielsweise etwa 0,63 Euro wert, im Juni 2022 kostete ein Dollar hingegen 0,94 Euro. Dies macht einen spürbaren Teil der Steigerung beim Spritpreis aus.

Liegt der hohe Spritpreis also an Steuern und Abgaben?

Nein. Die gestiegenen Tankkosten sind nicht so zu erklären, wie es AfD-Politiker Gläser tut. Der Grund ist gerade der im Juni 2022 gültige Tankrabatt. Mit ihm ist die Energiesteuer im Vergleich zu 2008 um 29,55 Cent geringer (inklusive Mehrwertsteuer sogar um 35,2 Cent). Diese Ersparnis wird auch nicht aufgehoben durch die mittlerweile anfallende CO2-Abgabe von bis zu 8 Cent plus die erhöhten Mehrwertsteuereinnahmen wegen des höheren Produktpreises von etwa 7 Cent.

Warum steigen die Preise dann weiter?

Zur Frage, warum die Anfang Juni 2022 Preise nicht in gleichem Maß wie die Steuer gesunken sind, sagte Tomaso Duso, Wettbewerbsexperte am Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW): «Der Grund dafür ist, dass die Raffinerien Marktmacht haben. Das ist nicht unbedingt ein böswilliges Verhalten, sondern das Ergebnis hoher Marktkonzentration bei Raffinerien und Mineralölkonzernen.»

ADAC-Kraftstoffmarkt-Experte Jürgen Albrecht blickte am 20. Juni sorgenvoll in die Zukunft: «Es besteht die Gefahr, dass die hohen Preise mit deutlich höheren Margen auf dem Weg vom Rohöl über die Raffinerie bis zur Tankstelle sich verfestigen, weil die Menschen sich an die hohen Preise gewöhnen», sagte er. Die Preise seien angesichts der Entwicklung des Ölpreises, der zuletzt ja sogar wieder ein Stück nachgegeben habe, viel zu hoch.

Nach Beginn des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine waren die Spritpreise in Deutschland in bisher nie gekannte Höhen gestiegen. Super E10 erreichte sein bisheriges bundesweites Maximum nach ADAC-Daten mit 2,203 Euro am 14. März 2022 - seinerzeit noch ohne Tankrabatt.

Hinweis zur Aktualisierung:

Im 10. Absatz wurde der Vollständigkeit halber der Aspekt der Wechselkurse ergänzt.

(Stand: 21.6.2021 ergänzt 29.6.2022)

Links

ADAC über Spritpreise der vergangenen Jahre (archiviert)

ADAC über Spritpreise am 7.6.2022 (archiviert)

ADAC über Spritpreise im März 2022 (archiviert)

US-Behörde EIA über Brent-Preise pro Barrel (archiviert)

dpa-AFX-Meldung zu Brent-Preis am 7.6.2022 (archiviert)

Bundesfinanzministerium über Tankrabatt (archiviert)

Bundesfinanzministerium über Benzinpreiszusammensetzung im Mai 2022 (archiviert)

Automobilclub von Deutschland über Zusammensetzung des Spritpreises (archiviert)

Esso über Benzinpreis-Zusammensetzung im Jahr 2007/2008 (archiviert)

dpa-Artikel über Spritpreise mit Aussage Tomaso Dusos (archiviert)

dpa-Artikel über Spritpreise mit Aussage Jürgen Albrechts (archiviert)

Facebook-Post von AfD-Politiker Gläser über Spritpreise (archiviert)

Facebook-Post über Spritpreise (archiviert)

Wechselkurs (archiviert)

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