Ukraine-Krieg und Rohöl
Für hohe Benzinpreise gibt es mehrere Ursachen
17.6.2022, 12:45 (CEST)
Für Autofahrer und Logistikfirmen sind die hohen Spritpreise ein großes Ärgernis. Das merkt man an zahlreichen Beiträgen in den sozialen Medien. Darunter ist auch ein Sharepic, dass sich derzeit wie ein Lauffeuer in mehreren Ländern über Facebook, Twitter und Whatsapp verbreitet.
Auf dem Bild steht die Aufschrift «Aktuelle Benzinpreise». Dazu sind angebliche Preise für verschiedene Länder in Euro angegeben. So koste Benzin in Russland momentan 0,36 Euro, in der Ukraine 1,08 Euro, in Ungarn 1,27 Euro und in Polen 1,43 Euro. Zudem steht «Dummland» auf dem Bild, für das ein Spritpreis von 2,11 Euro angegeben ist. «Grün wirkt!» heißt es dazu in weißer Schrift auf grünem Hintergrund.
Das Bild wird überwiegend in Deutschland geteilt, viele Nutzer beziehen das «Dummland» deshalb auf Deutschland und das «Grün wirkt!» auf Bündnis 90/Die Grünen. Die zentrale Behauptung ist klar: Die Grünen sollen schuld daran sein, dass der Benzinpreis in Deutschland momentan so hoch ist. Doch stimmt das?
Bewertung
Falsch. Für die hohen Kraftstoffpreise gibt es viele Faktoren. Unter anderem haben der starke Dollar und die Lage auf dem Rohölmarkt Einfluss auf das Preisniveau - insbesondere vor dem Hintergrund des russischen Krieges gegen die Ukraine. Zudem ist die Aufschrift «Aktuelle Benzinpreise» auf dem Bild irreführend, der zeitliche Bezug unklar. Die Preise schwanken von Tag zu Tag und unterscheiden sich von Tankstelle zu Tankstelle.
Fakten
Um zu verstehen, wieso die Benzinpreise in Deutschland steigen oder fallen, muss man sich zunächst die Zusammensetzung genauer anschauen. Einen Teil machen die staatlichen Abgaben aus:
CO2-Abgabe: Die vorherige Bundesregierung hat als Anreiz für mehr Klimaschutz zum 1. Januar 2021 eine CO2-Bepreisung eingeführt. Neben den damaligen Regierungsparteien CDU/CSU und SPD stimmten auch Bündnis 90/Die Grünen für den Entwurf der Regierung zur Änderung des Brennstoffemissionshandelsgesetzes (BEHG). Die CO2-Bepreisung gilt für Unternehmen, die mit Heizöl, Erdgas, Benzin und Diesel handeln. Diese geben die Mehrkosten an die Verbraucherinnen und Verbraucher weiter, in diesem Fall die Autofahrenden. Seit dem 1. Januar 2022 liegt der CO2-Preis bei 30 Euro pro Tonne. Je nach Kraftstofftyp und Biospritanteil entfallen vom Spritpreis derzeit laut dem Finanzministerium circa 7 bis etwa mehr als 8 Cent pro Liter auf die CO2-Bepreisung.
Energiesteuer: Bei dieser Verbrauchssteuer handelt es sich ebenfalls um einen festen Betrag, der pro Liter berechnet wird. Normalerweise beträgt die Energiesteuer in Deutschland für Benzin/Super 65,45 Cent bzw. für Diesel 47,04 Cent. Diese Steuer macht den Großteil der staatlichen Einnahmen am Spritpreis aus. Aber Achtung, hier setzt der sogenannte Tankrabatt der aktuellen Bundesregierung an: Die Ampel-Regierung, zu der neben SPD und FDP die Grünen gehören, hat am 19. Mai 2022 im Bundestag eine zeitlich begrenzte Absenkung der Energiesteuer verabschiedet. Der Anteil der Energiesteuer beträgt damit vom 1. Juni 2022 bis 31. August 2022 nur noch 35,9 Cent pro Liter Benzin/Super und 33,0 bei Diesel.
Erdölbevorratungsbeitrag: Mit der Abgabe für die Erdölbevorratung in der strategischen Ölreserve werden in Deutschland gelagerte Rohölreserven für Krisenzeiten finanziert. Die Beitragssätze betragen einheitlich 3,56 Euro je Tonne, das sind umgerechnet 0,27 Cent pro Liter Benzin/Super bzw. 0,3 Cent pro Liter Diesel.
Mehrwertsteuer: Hinzu kommt letztlich noch die Mehrwertsteuer, die für Kraftstoffe bei 19 Prozent liegt. Je höher der Spritpreis ist, umso mehr Geld fließt also am Ende in die Staatskasse.
Neben den staatlichen Faktoren entfällt der restliche Teil des Benzinpreises auf die Gewinne der beteiligten Unternehmen und Mineralölfirmen sowie die Kostendeckung - etwa für Rohstoffe, Raffinerie, Transport und Vertrieb. Hier spielen die Entwicklungen auf den Märkten - etwa beim Rohölpreis -, die Wirtschaftserwartungen sowie der Wechselkurs von Dollar und Euro eine große Rolle.
Wieso sind die Spritpreise in Deutschland so hoch?
Der russische Krieg gegen die Ukraine hat die Spritpreise in Deutschland zuletzt stark steigen lassen. Vor allem die Ölpreise, die im Zuge des Krieges und der Sanktionen gegen Russland stark gestiegen sind, haben dazu beigetragen. Hinzu kommt ein nach wie vor starker Dollar, der diesen Effekt verstärkt. Denn Öl wird in Dollar gehandelt und deutsche Käufer müssen in Euro bezahlen.
Die Bundesregierung hat mit der Absenkung der Energiesteuer nun zum 1. Juni versucht, die Benzinpreise zu senken und so die Verbraucher direkt zu entlasten. Anders als behauptet haben die Grünen also als Teil der Regierung Maßnahmen zur Senkung des Benzinpreises unterstützt. Wie eine Grafik des ADAC veranschaulicht, hatte der Tankrabatt im Vergleich vom 31. Mai bis 2. Juni auch den Effekt, dass die Spritpreise tatsächlich etwas gesunken sind.
Laut ADAC blieb der Rückgang bei den Spritpreisen jedoch hinter den Möglichkeiten des Tankrabatts zurück. Wie man der Grafik ebenfalls entnehmen kann, sind in der Folge die Spritpreise sogar wieder gestiegen. Zwar war auch der Ölpreis der Sorte Brent vom 1. bis 8. Juni kontinuierlich gestiegen und befindet sich weiter auf einem sehr hohen Niveau. Nach Angaben des ADAC erklärt das aber nur bedingt den Anstieg der Spritpreise nach der Einführung des Tankrabatts.
Der Automobilclub sieht den Hauptgrund für diese Entwicklung bei der Mineralölindustrie. Statt die Steuersenkung vollständig an die Verbraucher weiterzugeben, nutzten die Unternehmen die Chance, ihre Gewinne zu steigern. Im Gegensatz dazu kommt eine Berechnung des Ifo-Institutes zu dem Ergebnis, dass die Ölfirmen den Tankrabatt zum Großteil an die Kunden weitergegeben haben. Grundlage ist ein Vergleich mit der Preisentwicklung in Frankreich.
Stimmen die Benzinpreise für die Länder auf dem Sharepic?
Das lässt sich nicht genau sagen, da der zeitliche Bezug mit der Angabe «Aktuelle Benzinpreise» sehr vage formuliert ist. Grundsätzlich weist der ADAC darauf hin, dass Benzinpreise stündlich und von Tankstelle zu Tankstelle variieren. Auch im Ausland gibt es zum Teil große regionale Unterschiede.
Das Sharepic kursiert auf Facebook mindestens seit dem 11. Mai 2022. Nach internationalen Preismeldungen auf dem Portal benzinpreis.de könnten die angegebenen Preise im Zeitraum vor und um den 11. Mai für Polen und Ungarn und die Ukraine realistisch sein. In Ungarn gibt es ebenfalls einen Tankrabatt, der momentan nur für Autos mit ungarischem Kennzeichen gilt.
Wenn man «Dummland» auf Deutschland bezieht, bewegt sich der Tagesdurchschnittpreis vom 11. Mai mit 2,09 Euro laut dem Statistischen Bundesamt ebenfalls in der Nähe des angegebenen Preises von 2,11 Euro und ist somit realistisch. Für Russland ist der Wert von 0,36 Euro pro Liter Benzin zumindest nach den Meldungen von benzinpreis.de eher unrealistisch.
Wer sich über die durchschnittlichen Benzinpreise im EU-Ausland informieren möchte, findet wöchentliche Angaben unter anderem auf der Website des ADAC oder beim Statistischen Bundesamt.
(Stand: 17.6.2022)
Links
Bundesregierung zu CO2-Preis (archiviert)
Änderung des BEHG (archiviert)
Finanzministerium zur Zusammensetzung des Benzinpreises (archiviert)
Automobilclub von Deutschland über Zusammensetzung des Spritpreises (archiviert)
Temporäre Absenkung der Energiesteuer (archiviert)
ADAC über die Entstehung der Spritpreise (archiviert)
tagesschau-Bericht über Anstieg der Ölpreise (archiviert)
ADAC-Bericht mit Grafik zum Tankrabatt vom 15. Juni 2022 (archiviert)
ZDF-Bericht über ifo-Berechnung zum Tankrabatt (archiviert)
Wechselkurs EURO/US-Dollar auf tagesschau (archiviert)
Öl-Kurs der Sorte Brent auf tagesschau (archiviert)
Pressemitteilung ADAC zum Tankrabatt (archiviert)
ADAC zu Benzinpreisen im EU-Ausland (archiviert)
benzinpreis.de Preismeldungen Russland (archiviert)
benzinpreis.de Preismeldungen Ukraine (archiviert)
benzinpreis.de Preismeldungen Ungarn (archiviert)
benzinpreis.de Preismeldungen Polen (archiviert)
Tagesdurchschnittspreise Kraftstoffe in Deutschland Statistisches Bundesamt (archiviert)
Über dpa-Faktenchecks
Dieser Faktencheck wurde im Rahmen des Facebook/Meta-Programms für unabhängige Faktenprüfung erstellt. Ausführliche Informationen zu diesem Programm finden Sie hier.
Erläuterungen von Facebook/Meta zum Umgang mit Konten, die Falschinformationen verbreiten, finden Sie hier.
Wenn Sie inhaltliche Einwände oder Anmerkungen haben, schicken Sie diese bitte mit einem Link zu dem betroffenen Facebook-Post an faktencheck@dpa.com. Nutzen Sie hierfür bitte die entsprechenden Vorlagen. Hinweise zu Einsprüchen finden Sie hier.
Schon gewusst?
Wenn Sie Zweifel an einer Nachricht, einer Behauptung, einem Bild oder einem Video haben, können Sie den dpa-Faktencheck auch per WhatsApp kontaktieren. Weitere Informationen dazu finden Sie hier.