CO2-Bilanzen

Dieter-Nuhr-Zitat über Diesel und E-Autos ist veraltet - Studienautoren korrigierten Zahlen später

13.6.2022, 16:24 (CEST)

Beim Klimaschutz setzen viele Menschen auf E-Autos, andere warnen aber vor den CO2-Emissionen bei der Batterieproduktion. Doch manche der dabei verwendeten Zahlen entsprechen nicht mehr dem Stand der Wissenschaft.

Politik und Autokonzerne setzen beim Umstieg auf klimafreundlichere Mobilität vor allem auf elektrisch angetriebene Autos. Wer die E-Autos dagegen ablehnt, zieht gerne vermeintlich simple Vergleiche mit Verbrennungsmotoren, um seine Haltung zu begründen. In einer vielfach geteilten Text-Bild-Kachel auf Facebook (archiviert) wird etwa der Kabarettist Dieter Nuhr zitiert: «Wir wickeln gerade die Dieseltechnik ab, die nachweislich erheblich weniger CO2 erzeugt, weil wir Elektroautos kaufen sollen, die man nirgendwo laden kann. Bei dem die Batterien schon bei der Produktion so viel CO2 erzeugen, dass man mit dem Diesel 8 Jahre lang hätte fahren können. Aber die Batterien sind vegan und glutenfrei. Großartig!» Stimmt Nuhrs Rechnung auch?

Bewertung

Das Zitat ist mehrere Jahre alt und der Vergleich nicht mehr aktuell. Eine Studie, auf der die Angabe von acht Jahren möglicherweise beruht, wurde zwischenzeitlich korrigiert. Weiteren wissenschaftlichen Berechnungen zufolge erzeugen Autos mit Verbrennungsmotor über ihren gesamten Herstellungs- und Nutzungszeitraum deutlich mehr Emissionen als Elektroautos.

Fakten

Die Sätze des Kabarettisten Dieter Nuhr stammen Medienberichten zufolge aus dem Jahr 2018. Er zog den Vergleich von Diesel- und Elektroautos in einem Jahresrückblick für die ARD, der online inzwischen nicht mehr abrufbar ist. Nuhr griff unter anderem die Diesel-Fahrverbote auf, die wegen zu hoher Schadstoffbelastungen in jenem Jahr erstmals an verschiedenen Orten in Deutschland verhängt wurden. Um den CO2-Ausstoß von Fahrzeugen ging es bei diesen Verboten jedoch nicht, sondern um das gesundheitsschädliche Stickoxid.

Unklar ist, worauf sich der erste Vergleich im Nuhr-Zitat bezieht («die Dieseltechnik, die nachweislich erheblich weniger CO2 erzeugt»). Möglicherweise geht es um den Vergleich des CO2-Ausstoßes von Diesel- und Benzinmotoren. Eine weit verbreitete Annahme lautet, dass beim Verbrennen von Diesel weniger CO2 als bei Benzin entsteht. Das ist grundsätzlich richtig: Laut Umweltbundesamt fällt der Ausstoß um bis zu 15 Prozent niedriger aus. Die Behörde kritisiert allerdings, dass diese Ersparnis schnell verloren gehen kann, denn Dieselmotoren werden oft in besonders großen und spritschluckenden Fahrzeugen wie SUVs verbaut.

Das Zitat von Dieter Nuhr wird auch im Frühjahr 2022 in den sozialen Netzwerken verbreitet. Der wichtige Hinweis, dass es bereits vom Ende des Jahres 2018 stammt, fehlt jedoch zumeist. Worauf er sich damals bei seiner Aussage stützte, die Produktion einer Batterie erzeuge so viel CO2 wie acht Jahre Betrieb eines Dieselfahrzeugs, ist nicht ganz klar. Möglicherweise bezieht er sich auf eine Angabe, die im Zusammenhang mit einer schwedischen Studie seit dem Sommer 2017 kursiert: Deren Autoren hatten berechnet, dass das bei der Produktion einer Tesla-Batterie ausgestoßene CO2 den Emissionen eines Autos mit Verbrennungsmotor über einen Zeitraum von acht Jahren entspreche.

Doch nach viel Kritik rechneten die schwedischen Wissenschaftler im Jahr 2019 noch einmal nach und kamen zu dem Ergebnis, dass Elektroautos deutlich umweltfreundlicher seien, als sie zunächst geschrieben hatten. In den neueren Berechnungen wurde demnach etwa berücksichtigt, dass mehr und mehr Batterien hergestellt werden und die Produktion so effizienter wird. Zudem spielt eine Rolle, dass der Anteil der erneuerbaren Energien an der Produktion steigt.

Auch Nuhrs Kritik am Mangel von Ladesäulen für E-Autos ist nicht mehr aktuell, denn das Netz ist inzwischen gewachsen: Jüngsten Angaben der Bundesnetzagentur zufolge hat sich die Zahl öffentlicher Ladestationen in Deutschland seit dem Jahresbeginn 2019 mehr als verdreifacht. Sie lag demnach im April 2022 bei fast 60 000.

Neuere Untersuchungen zeigen, dass Elektroautos inzwischen deutlich weniger Emissionen verursachen als Autos mit herkömmlichen, fossilen Antrieben. Berücksichtigt werden müssen dabei immer auch die Emissionen bei der Produktion - auch bei Verbrennern. Der Thinktank International Council on Clean Transportation (ICCT) hat im Jahr 2021 Vergleichszahlen für verschiedene Antriebsarten ermittelt und dabei die unterschiedlichen Bereiche berücksichtigt, in denen Emissionen entstehen. Diese sogenannte Lebenszyklusanalyse ergab, dass Verbrenner insgesamt deutlich mehr Emissionen verursachen als Autos mit Elektrobatterien - beim derzeitigen Strommix. Verantwortlich ist dem ICCT zufolge vor allem der Kraftstoffverbrauch der Fahrzeuge. Laut den ICCT-Zahlen bewegen sich die Emissionen bei der Produktion von E-Autos und Verbrennern inzwischen fast auf demselben Niveau - trotz der für E-Autos nötigen Batterie.

(Stand: 13.6.2022)

Links

Nuhr-Wortlaut in «Cicero»-Artikel (29.12.2018) (archiviert)

ntv-Artikel über erste Dieselfahrverbote in Hamburg (23.5.2018) (archiviert)

Umweltbundesamt über CO2-Ausstoß bei Diesel und Benzin (10.2.2020) (archiviert)

Zahlen der Bundesnetzagentur zu E-Ladesäulen (archiviert; archivierte Tabelle)

Dänischer Medienbericht über Berechnungen aus Schweden (12.7.2017) (archiviert)

Neuere Studie aus Schweden (11/2019) (archiviert)

dpa-Bericht über Update der schwedischen Studie (4.12.2019) (archiviert)

Lebenszyklusanalyse des ICCT (7/2021) (archiviert)

Beitrag auf Facebook (archiviert)

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