Neid-Debatte ohne Anlass

Renteneintrittsalter ist für alle gleich

30.05.2022, 14:21 (CEST)

Das Rentensystem in Deutschland ist kompliziert und wird oft als ungerecht empfunden. Für Menschen, die aus der Ukraine nach Deutschland geflüchtet sind, gelten jedoch keine Sonderregeln.

In den sozialen Netzwerken wird aktuell grundlos Neid auf Geflüchtete aus der Ukraine geschürt. Angeblich können sie bis zu zehn Jahre früher in den Ruhestand gehen als Deutsche - und eine deutsche Rente erhalten. Belegen soll das ein Screenshot eines Facebook-Kommentars von «MDR Investigativ» (archiviert).

Bewertung

Für eine deutsche Rente gilt für Menschen aus der Ukraine dasselbe Eintrittsalter wie für alle anderen. Der MDR ordnete den Kommentar als «Fehler» ein und korrigierte ihn. Der Screenshot der ursprünglichen Fassung wird jedoch noch immer weiterverbreitet.

Fakten

Der Facebook-Kanal «MDR Investigativ» des Mitteldeutschen Rundfunks (MDR) hatte am 11. Mai auf die Frage einer Nutzerin, ob Flüchtlinge aus der Ukraine bereits mit 57 Jahren in Deutschland in Rente gehen könnten, geantwortet. Dies hatte der Sender bestätigt, seine Antwort aber am 18. Mai korrigiert. Seitdem steht dort nur noch, dass Menschen aus der Ukraine hier ab dem 1. Juni «Sozialleistungen beantragen» dürfen.

Der Deutschen Presse-Agentur (dpa) teilte der MDR auf Anfrage mit, der Redaktion sei «ein Fehler unterlaufen», der «vielfach korrigiert» worden sei. Dies hatte der MDR auch auf Facebook in mehreren Kommentaren eingeräumt. Doch der Screenshot der ursprünglichen Fassung des Kommentars wurde auch Tage später weiterhin bei Facebook gepostet und geteilt - ohne auf die zwischenzeitliche Korrektur zu verweisen.

Grundsätzlich ist die Lage bei der Rente so: Jeder Mensch, der in Deutschland einer sozialversicherungspflichtigen Arbeit nachgeht, zahlt in die Rentenkasse ein. Damit erwerben auch Ausländer wie ukrainische Staatsbürger Rentenansprüche in Deutschland. Für Menschen aus der Ukraine gilt dabei aber die sogenannte «allgemeine Wartezeit von fünf Jahren». Das heißt, erst wenn sie fünf Jahre Beiträge bezahlt haben, können sie auch eine Rente beziehen.

Diese Wartezeit gilt für alle Ausländer, die nicht entweder aus EU-Staaten oder aus Ländern stammen, mit denen Deutschland ein spezielles Sozialversicherungsabkommen geschlossen hat. Mit der Ukraine wurde zwar ein entsprechendes Abkommen ausgehandelt. Es ist bislang jedoch nur vom Deutschen Bundestag, aber noch nicht vom Parlament in Kiew ratifiziert worden, wie die Deutsche Rentenversicherung der dpa mitteilte.

Doch auch nach der Ratifizierung wird für Ukrainer beim Bezug einer deutschen Rente dasselbe Renteneintrittsalter gelten wie für deutsche Staatsbürger. Das bestätigte der dpa auch die Rentenversicherung: «Das gesetzlich vorgeschriebene Renteneintrittsalter variiert - je nach Art der Altersrente - zwischen 63 und 67 Jahren.»

Bislang werden Hilfen für Flüchtlinge aus der Ukraine nach dem Asylbewerberleistungsgesetz gewährt. Das soll sich aber nach Informationen des Bundesarbeitsministeriums in den meisten Fällen ab dem 1. Juni 2022 ändern. Dann können Menschen aus der Ukraine im Rentenalter wie deutsche Rentner die sogenannte Grundsicherung im Alter beantragen, wenn sie nur ein geringes oder gar kein Einkommen haben.

(Stand: 30.5.2022)

Links

Post auf Facebook (archiviert)

Kommentar von MDR Investigativ

Post mit eingeräumtem Fehler des MDR (archiviert)

Deutsche Rentenversicherung zu Rentenansprüchen von Ausländern (archiviert)

Bestehende Sozialversicherungsabkommen bei der Deutschen Rentenversicherung (archiviert)

Deutsche Rentenversicherung zum Stand des Sozialversicherungsabkommens mit der Ukraine (archiviert)

Sozialversicherungsabkommen mit der Ukraine im Bundesgesetzblatt (archiviert)

Informationen zum Stand des Abkommens bei der Techniker Krankenkasse(archiviert)

Informationen des Bundesarbeitsministeriums zu Sozialleistungen für Menschen aus der Ukraine (archiviert)

Wissenschaftlicher Dienst des Bundestags über Sozialleistungen für Nicht-EU-Ausländer im Rentenalter (archiviert)

Informationen des Bundesarbeitsministeriums zu Grundsicherung im Alter (archiviert)

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