Angeblicher «Bild»-Artikel über ukrainische Flüchtlinge ist frei erfunden
20.5.2022, 15:43 (CEST), letztes Update: 20.5.2022, 16:25 (CEST)
Wegen des Krieges in der Ukraine sind viele Bürgerinnen und Bürger aus dem Land geflüchtet – auch nach Deutschland. Hier bieten hilfsbereite Menschen den Geflüchteten privat eine Unterkunft an. Im Netz wird diese Thematik nun aufgegriffen (archiviert) – manchmal auch mit dem Screenshot eines angeblichen «Bild»-Artikels (archiviert). Die Zeitung soll berichtet haben, wie ukrainische Flüchtlinge eine russische Flagge anzünden wollten und dabei die Unterkunft niederbrannten. Bei YouTube ist sogar ein Video dazu zu finden (archiviert). Aber ist das wirklich so passiert?
Bewertung
Nein. Sowohl der angebliche «Bild»-Artikel als auch das Video sind Fälschungen.
Fakten
Der angebliche «Bild»-Artikel lässt sich nicht finden. Gibt man den Titel bei Google ein, erscheint kein passender Treffer. Und auch über die Suche bei der Zeitung selbst lässt sich der Artikel nicht finden. Der stellvertretende Chefredakteur bei «Bild», Timo Lokoschat, lässt auf Twitter keine Zweifel daran, dass der Text frei erfunden ist: «Wie blöd muss man eigentlich sein, um solche Fakes zu glauben? (Abgesehen davon, dass wir keine Romane in Überschriften schreiben).»
Das dazugehörige Foto beim angeblichen «Bild»-Screenshot lässt sich mit der Rückwärtssuche einem Video aus dem Jahr 2013 zuordnen. Das Video vom 18. Juli 2013 zeigt einen Hausbrand in Walluf im Rheingau-Taunus-Kreis in Hessen. Der Kreisfeuerwehrverband Rheingau listet den Brand sogar auf seiner Website, die die Geschichte des Verbandes dokumentiert: «Am 18.07.2013, gegen 16:15/h ist bei einem Dachstuhlbrand in Oberwalluf ein erheblicher Sachschaden entstanden, der nach einer ersten Begutachtung auf etwa 300.000 Euro geschätzt wird. Verletzt wurde durch das Feuer glücklicherweise niemand.»
Darüber berichtete die «Bild» seinerzeit. Das Foto zum gefälschten Artikel ist somit fast neun Jahre alt und hat keine Verbindung zum Krieg in der Ukraine.
Der angebliche Screenshot zeigt die «Bild»-Meldung in der Smartphone-Ansicht. Öffnet man «Bild»-Artikel am Handy, so ist oben rechts keine vermeintliche Rubrik, wie «Ukraine-Krise», hinterlegt, sondern meist die «Mediathek» - ein weiterer Hinweis auf eine Fälschung.
Passend zum Artikel findet sich bei YouTube ein 30-sekündiges Video mit «Bild»-Logo. Dieses Video wurde absichtlich falsch zusammengeschnitten. Anfänglich sieht man, wie eine russische Flagge bei völliger Dunkelheit angezündet wird. Dann ein Schnitt: Die Sonne scheint und das Haus steht in Flammen. Dafür wurde die bereits beschriebene Sequenz aus dem Jahr 2013 genutzt. Zuletzt wird eine junge Frau präsentiert, die in Trauer zeigt, wo früher der Schlafplatz ihrer Mutter war. Oben links eingeblendet ist das Datum: 10. Mai 2022.
Dieser Clip stammt tatsächlich aus einer Live-Übertragung von «Bild» – allerdings vom Januar 2021 (zu sehen ab Minute 55:27). Die junge Frau durchlebte dabei nicht nur einen Hausbrand, sondern auch den Tod ihrer krebskranken Mutter kurz zuvor. Das traurige Schicksal erlebte sie in Osterholz-Scharmbeck (Niedersachsen) und nicht wie behauptet im sachsen-anhaltischen Wulfen.
(Stand: 20.5.2022)
Links
Facebook-Post mit Artikel (archiviert)
Facebook-Post ohne Artikel und nur mit Foto (archiviert)
Twitter-Post Timo Lokoschat (archiviert)
YouTube-Video zum Hausbrand 2013 (archiviert: hier und hier)
Website Feuerwehr (archiviert)
«Bild»-Meldung zum Brand 2013 (archiviert)
Gefälschtes Video (archiviert: hier und hier)
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