Foto aus Butscha
Umgeworfene Autos dienten Berichten zufolge als Barriere
23.5.2022, 14:04 (CEST), letztes Update: 23.5.2022, 14:11 (CEST)
Fast unmittelbar nach den Berichten über das Massaker von Butscha tauchten Vorwürfe auf, die Gräueltaten seien inszeniert worden. Die angeblichen Belege entpuppten sich als haltlos. Nun wird ein Foto verbreitet, das umgeworfene Autos zeigt. Der Text dazu: «Mysteriöse Bomben in der Ukraine: Autos werden auf den Kopf gestellt - Gebäude und Fenster bleiben heil» (archiviert). Ist die Szene wirklich so mysteriös wie behauptet?
Bewertung
Das Foto stammt aus Butscha. Anwohner berichten davon, dass russische Soldaten die Autos umwarfen, um dahinter ihre Ausrüstung zu verstecken. Es lassen sich keine Medienberichte finden, in denen das Bild mit Bombenangriffen in Verbindung gebracht wird.
Fakten
Das Bild hat der Fotograf Rodrigo Abd am 4. April 2022 für die Nachrichtenagentur AP gemacht. Laut Bildbeschreibung zeigt es einen ukrainischen Soldaten, der mit Kindern in der Kleinstadt Butscha an zerstörten Autos vorbeiläuft. Bomben werden nicht erwähnt. Ein Vergleich mit Aufnahmen von Google Maps und Google Street View zeigt, dass das Bild wie von AP angegeben in der Stadt Butscha aufgenommen wurde.
Viele Medien auf der ganzen Welt haben das Foto veröffentlicht. Aber anders als in dem Facebook-Sharepic nahegelegt lassen sich bei einer Bilder-Rückwärtssuche keine Veröffentlichungen mit einem Bezug zu Bomben-Angriffen finden. Die «mysteriösen Bomben» werden nur in dem Sharepic erwähnt.
Regelmäßig wird im Internet behauptet, Bilder würden mit einer bestimmten Botschaft verbreitet. Dies soll belegen, dass Regierungen und Medien die Öffentlichkeit manipulieren. Doch bei näherem Hinsehen zeigt sich oft, dass die Aufnahmen mit diesem Kontext gar nicht veröffentlicht wurden.
Wie wurden die Autos umgeworfen?
Nach Einschätzung von Michael Karl, Militärexperte und wissenschaftlicher Mitarbeiter am German Institute for Defence and Strategic Studies (GIDS), ist es theoretisch durchaus möglich, dass eine Bomben-Explosion die Autos umgeworfen hat. Die Druckwelle sei «irgendwann an einem Punkt, an dem sie nicht mehr zerstörerisch ist, aber durchaus noch Kraft genug hat, etwas umzuwerfen».
In einem Bericht von Human Rights Watch (HRW) aus Bucha werden aber nur Artillerieangriffe und Beschuss durch Panzer erwähnt. Stärkere Explosionen, etwa durch Bomben, erwähnen die Menschen nicht, mit denen HRW gesprochen hat. Eine plausible Erklärung lieferte ein Anwohner des gezeigten Straßenzuges den Faktencheckern der griechischen Seite Ellinikahoaxes. In einem Bericht der Nachrichtenagentur Reuters hatten sie seinen Namen gelesen und Kontakt mit ihm aufgenommen.
Der Mann berichtete demzufolge, russische Soldaten hätten die Fahrzeuge umgeworfen, um dahinter ihre Ausrüstung zu verstecken. Einige Details in den Fotos zu dem Reuters-Artikel stützen seine Aussage. Im ersten Bild der Bilderstrecke sind gepanzerte Fahrzeuge zu sehen, mit denen es theoretisch möglich wäre, die viel leichteren PKW umzuwerfen.
Auf dem fünften Bild ist auch eines der Autos, zu sehen, die später umgeworfen wurden, ein Mercedes-SUV. Da auf dem offenbar heimlich aufgenommenen Bild auch russische Soldaten zu sehen sind, muss es nach dem Beschuss und der Einnahme der Stadt aufgenommen worden sein.
Ellinikahoaxes veröffentlichte auch einen Chat, den der Mann am 20. März mit seiner Schwester geführt haben soll. Demnach schreibt er darin, die Russen seien den ganzen Tag damit beschäftigt gewesen, «eine Barriere zu errichten, um ihre Ausrüstung mit Personenkraftwagen zu verstecken». Das würde erklären, warum die Autos nur leichte Beschädigungen und weder Autos noch Gebäude Spuren von Explosionen aufweisen.
(Stand: 20.5.2022)
Links
Sharepic auf Facebook (archiviert)
Foto mit Quellenangabe bei AP (archiviert)
Bilder-Rückwärtssuche mit Foto aus Butscha (archiviert)
Bericht von Human Rights Watch zu Vorgängen in Butscha (archiviert)
Recherche von Ellinikahoaxes zu dem Foto (archiviert)
Reuters-Bericht aus Butscha (archiviert, archiviertes Bild 1, archiviertes Bild 5)
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