Maximal 0,15 Prozent Fluorid
Zahnpasta erst bei Verzehr mehrerer Tuben schädlich
30.5.2022, 17:00 (CEST)
Zähneputzen – wie wichtig das ist, lernen wir schon in jungen Jahren. Glaubt man Kritikern, so geht jedoch vom häufig beigemischten Fluorid eine gesundheitliche Gefahr aus. Es greife unter anderem die Schilddrüse an oder verringere den IQ, heißt es in einem Artikel, der aktuell auf Facebook geteilt wird (archiviert). Sollten wir also besser auf Zahnpasta mit eben diesem Stoff verzichten?
Bewertung
Von Zahnpasta geht keine Gefahr aus, wenn man sie nicht tubenweise schluckt. Denn nur in großen Mengen kann Fluorid zu Problemen führen.
Fakten
Fluorid ist gut für die Zähne. Trotzdem bleibt bei einigen Menschen die Sorge vor anderen Nebenwirkungen. Doch es gibt Entwarnung: Lediglich eine akut hohe Menge an Fluorid könnte laut Bundesinstitut für Risikobewertung «Übelkeit, Erbrechen, Bauchschmerzen, Durchfall, Benommenheit, Kopfschmerzen, (…) und sogar Tod hervorrufen».
Echte Vergiftungen mit Fluorid sind nahezu ausgeschlossen. «Die "Giftigkeit" der Fluoride ist nach wissenschaftlichen Untersuchungen fast 10-mal geringer als die von Kochsalz», beruhigt Christoph Benz von der Bundeszahnärztekammer. Und Fachzahnarzt Stefan Zimmer schildert die Situation gegenüber der Deutschen Presse-Agentur (dpa) so: «Die Daten der Giftnotrufzentrale Nord zeigen in einem Zeitraum von 20 Jahren nur einen Fall mit mehrfachem Erbrechen infolge Verschluckens von Fluoridzahnpasten bei Kindern. Bei Erwachsenen ist das Risiko noch geringer.»
Wie viel Fluorid ist gefährlich?
Ausgangspunkt ist die Tageszufuhr. Stiftung Warentest rechnet mit einer täglichen Aufnahme von 0,4 bis 1,5 Milligramm Fluorid – deutlich weniger als grundsätzlich in Ordnung wäre. Denn der Einschätzung der Deutschen Gesellschaft für Ernährung lässt sich entnehmen: Der Richtwert für Erwachsene liegt (je nach Alter und Geschlecht) bei 2,9 bis 3,8 Milligramm Fluorid pro Tag. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit schlägt eine angemessene Zufuhr vor, die sich mit dem Wert der Deutschen Gesellschaft für Ernährung deckt.
Die gefährliche Menge Fluorid, die die oben genannten Symptome hervorrufen würde, ist dem Atlas der Pharmakologie und Toxikologie für Zahnmediziner zu entnehmen. Sie liegt bei 5 Milligramm Fluorid pro Kilogramm Körpergewicht. Bei einem Erwachsenen entspricht das etwa 300 bis 500 Milligramm Fluorid an einem Tag.
Und wie viel Fluorid steckt nun in der Zahnpasta? Dazu gibt es Vorgaben von der Europäischen Union: Zahnpasten für Erwachsene enthalten maximal 0,15 Prozent Fluorid. Christoph Benz von der Bundeszahnärztekammer rechnet vor, ab welcher Menge der Verzehr bedenklich würde: «Ein Erwachsener mit 70 kg Gewicht müsste mehr als 3,5 Tuben Erwachsenenzahnpaste (1500 ppm Fluorid, 75 ml) essen, ein 3-jähriges Kind mit 15 kg zwei Tuben Kinderzahnpaste (1000 ppm Fluorid, 50 ml).»
Was ist Fluorid überhaupt?
Fluorid wird häufig mit hochgiftigem Fluor verwechselt, was die Angst vor dem Stoff erklären könnte. Doch Fluorid ist etwas anderes. Die dpa veröffentlichte dazu bereits einen Faktencheck. Fluoride sind Fluor-Verbindungen. Das blasse, gelbliche und hochreaktive Gas Fluor, das in seiner elementaren Form sehr giftig und stark ätzend ist, verliert gebunden mit einem Partner-Stoff (etwa mit Natrium als Natriumfluorid) viel von seiner toxischen Wirkung. Gebunden wird es dann als Fluorid bezeichnet.
«In der Zahnmedizin spielen vor allem drei Fluoride eine Rolle: Natriummonofluorphosphat, Aminfluorid und Zinnfluorid», fasst Christoph Benz zusammen. Fluorid stärkt unsere Zähne. Das hat mehrere Gründe, die unter anderem auf der Website der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung aufgelistet werden. Die Wirkung beschreibt Fachzahnarzt Stefan Zimmer so: «Fluorid ist ein für den Menschen essenzielles Spurenelement, das Auflösungserscheinungen an der Zahnoberfläche, die durch Säureeinwirkung verursacht werden, bremst oder sogar stoppt.» Kurz gesagt: Fluoride bilden eine Art Schutzmantel für die Zähne, so dass Säure und Bakterien nicht so leicht an den Zahnschmelz gelangen.
In der Fünften Deutschen Mundgesundheitsstudie wurde ein erheblicher Rückgang der Karieserkrankungen verzeichnet. Diese Entwicklung führen die Forschenden unter anderem auf Fluorid zurück: «Die Gründe sind Veränderungen des Lebensstils, die der Gesundheit förderlich sind. Dazu zählen zum Beispiel Veränderungen in der Ernährungsweise, bei der Fluoridzufuhr oder dem Tabakkonsum.»
Was passiert, wenn man zu viel Fluorid einnimmt?
In den sozialen Netzwerken wird Fluorid als Auslöser für Schäden an der Schilddrüse angeführt. In einem Interview mit dem «MDR» erklärt Endokrinologin Dany Wieländer, dass die Dosis in den handelsüblichen Zahnpasten unbedenklich sei. Die Deutsche Apotheker Zeitung und die Deutsche Gesellschaft für Zahnerhaltung entkräfteten mexikanische Studien, die zeigen sollen, dass Fluoride die Intelligenz beeinflussen können.
Eine Gefahr besteht jedoch durch Zahn- oder Dentalfluorose. Dazu kann es kommen, wenn Fluoride während der Zahnentwicklung in zu hoher Dosis aufgenommen werden. Sie komme jedoch in Deutschland nur sehr selten vor, entwarnt Christoph Benz und führt aus: «Sie zeigt sich an kosmetisch störenden weißlichen – später bräunlichen – Flecken auf der Zahnaußenseite bis hin zu Defekten der Schmelzoberfläche bei größerer Überdosierung.» Ab dem sechsten Geburtstag gebe es dann kein Fluorose-Risiko mehr, so Stefan Zimmer.
(Stand: 30.5.2022)
Links
Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung: Gründe für Zahnschutz durch Fluoride (archiviert)
Fünfte Deutschen Mundgesundheitsstudie (archiviert)
Einschätzung Bundesinstitut für Risikobewertung (archiviert)
Atlas der Pharmakologie und Toxikologie für Zahnmediziner(archiviert)
Stiftung Warentest zu Fluorid (archiviert)
Richtwerte Fluorid Deutsche Gesellschaft für Ernährung (archiviert)
Richtwerte Fluorid Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit(archiviert)
Artikel Deutsche Apotheker Zeitung (archiviert)
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