Originalbeitrag missverstanden: Facebook-Userin hat nicht von Inszenierung ihres Todes gesprochen

27.4.2022, 17:32 (CEST)

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Viele Menschen weltweit sind schockiert über die Bilder getöteter Ukrainer in Butscha. Doch trotz vielfacher Belege dafür, dass Bewohner während der russischen Besetzung der Stadt getötet wurden, wird immer wieder behauptet, die Ermordungen seien von ukrainischer Seite inszeniert worden. Dieses Narrativ greift ein aktueller Facebook-Beitrag auf, in dem ein Screenshot eines anderen Social-Media-Beitrags mit zwei Fotos gezeigt wird (archiviert). Eines zeigt eine junge Frau, die sich mit ihrem Handy im Spiegel fotografiert. Das andere zeigt eine offenbar leblose Frau auf dem Boden liegend. «Das Mädchen auf dem Foto heißt Anastasia Savchishina und sie lebt und ist wohlauf. Sie organisierte dieses Fotoshooting mit sich selbst in der Hauptrolle», wird in dem Facebook-Beitrag behauptet. Hat eine Ukrainerin tatsächlich ihre eigene Tötung für ein Foto inszeniert?

Bewertung

Das Foto der Toten wurde nicht inszeniert. Sie ist auch auf Bildern und in Videos eines Fotojournalisten aus Irpin zu sehen. Die Ukrainerin auf dem Selfie hat sich in einem Facebook-Posting ausgemalt, dass ihr dasselbe hätte wiederfahren können. Ihre Formulierung dazu war missverständlich, von einem Fotoshooting war allerdings nie die Rede.

Fakten

Bei genauer Betrachtung des Screenshots mit den zwei Fotos der Frauen fällt auf, dass dort gar nicht behauptet wird, die getötete Frau und die Frau auf dem Spiegel-Selfie seien dieselbe. Im Text über den zwei Bildern heißt es: «Hallo Welt. Mein Name ist Nastia. Ich bin Ukrainerin, Mein Foto ist links. Das Foto rechts hätte ich sein können. Es hätte jede von uns sein können. Vergewaltigt und getötet von Russen, nur weil sie Ukrainerin war.»

Hier wird also deutlich: Die Frau von dem Selfie stellt sich vor, ihr hätte dasselbe passieren können. Über die tote Frau sagt sie nur, dass diese von Russen getötet worden sei und verortet das Bild in Butscha, ohne mehr Details zu nennen.

In ihrem Original-Beitrag auf Facebook zeigt sich, wie die falsche Sicht, dass beide Fotos dieselbe Person zeigen, zustande gekommen sein könnte: Die Nutzerin Nastia Savchyshyn veröffentlichte am 4. April den Beitrag mit den beiden Fotos. In dieser ersten Version heißt es im Posting noch: «Das ist mein Foto links. Aber das ist auch mein Foto rechts. Jede von uns könnte von Russen vergewaltigt und getötet worden sein. Nur weil wir Ukrainerinnen sind.»

Am 5. April ändert sie den Text: «Mein Foto ist links. Das Foto rechts hätte ich sein können. Es hätte jede von uns sein können.» Für ihre erste missverständliche Formulierung entschuldigte sie sich in einem weiteren Posting: «Einige Menschen verstanden und übersetzten meinen vorherigen Beitrag falsch!», schreibt Nastia Savchyshyn. Sie sei am Leben. «Der Beitrag wurde erstellt, damit Ausländer die Situation in der Ukraine verstehen und Einfluss nehmen für ein Ende des Krieges. Die Tatsache, dass sie meine Botschaft falsch verstanden und wahrnahmen, tut mir sehr leid!»

Von einem «Fotoshooting mit sich selbst in der Hauptrolle» ist an keiner Stelle die Rede.

Das gezeigte Bild der getöteten Frau, die auf dem Rücken liegt stammt auch nicht aus Butscha, sondern aus Irpin, ebenfalls nördlich von Kiew. Ein Fotograf im Auftrag des französischen öffentlich-rechtlichen Senders France 2 hat die Tote ebenfalls fotografiert und gefilmt. Die Bilder von ihr sind in einem Videobeitrag aus Irpin zu sehen (etwa ab Minute 2:20). Auch im Magazin «Politico» ist bei einem Foto ihrer Hand als Ortsangabe Irpin angegeben.

Der genaue Ort liegt in der Metschnikow-Straße (Mechnykova) – erkennbar ist das anhand der Überreste dieses Hauses und des leuchtend roten Zauns gegenüber. In dem Beitrag heißt es, sie sei mutmaßlich bei einem Bombenangriff gestorben. Von einer Vergewaltigung ist keine Rede.

Verbreitet wurde die Falschbehauptung über ein inszeniertes Fotoshooting der toten Frau auch von offiziellen Accounts der russischen Botschaft etwa in den Niederlanden.

(Stand: 26.4.2022)

Links

Original-Beitrag von Nastia Savchyshyn auf Facebook

Bearbeitungsverlauf des Facebook-Beitrags

Weiterer Beitrag mit Klarstellung von Nastia Savchyshyn auf Facebook(archiviert)

Bilder der Toten aus Irpin in Videobeitrag bei France 2h, ab Minute 2:20 (archiviert, Video archiviert)

Fundort der Frauenleiche in der Metschnikow-Straße (Mechnykova) in Irpin(archiviert)

Weitere Ansicht des Fundorts der Frauenleiche in der Metschnikow-Straße (Mechnykova) in Irpin (archiviert)

Foto der Hand der Toten aus Irpin im Magazin «Politico» (archiviert)

Verbreitung der Falschmeldung durch die russische Botschaft in den Niederlanden (archiviert)

Facebook-Beitrag mit der Behauptung (archiviert)

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