Satz von Claus Kleber stammt aus dem Jahr 2014 und wurde sinnentstellend verkürzt
6.4.2022, 14:40 (CEST)
Ein Zusammenschnitt von Videos aus deutschen Medien macht vor dem Hintergrund des russischen Angriffs auf die Ukraine in den sozialen Netzwerken die Runde (archiviert). Immer wieder wird darin eine Aussage des ehemaligen ZDF-Moderators Claus Kleber gezeigt, in der er russische Vorwürfe thematisiert, in der Ukraine würden «Faschisten» regieren. Weiter heißt es, Kleber habe «neulich» gesagt: «Wir und viele Medien sind Hinweisen nachgegangen, ob das stimmt und haben festgestellt: Es gibt diese Faschisten nicht». Dem werden Aufnahmen gegenübergestellt, die ukrainische Rechtsextreme zeigen.
Bewertung
Das Zitat von Claus Kleber bricht ab und wird sinnentstellend verkürzt. Die Aufnahme stammt zudem aus dem Jahr 2014, als die Ukraine noch eine völlig andere Regierung hatte als momentan. Auch die weiteren Aufnahmen sind mindestens fünf Jahre alt. An der derzeitigen Regierung in Kiew ist keine rechtsextreme Partei beteiligt.
Fakten
Die Aussage von Claus Kleber im «heute journal» des ZDF taucht mehrfach in dem Zusammenschnitt auf. Dadurch wird es Passagen über ukrainische Rechtsextreme gegenübergestellt, offenbar mit dem Ziel, dem Moderator eine Falschbehauptung zu unterstellen.
Allerdings ist das Zitat von Kleber sinnentstellend geschnitten worden. In einer längeren Version wird klar, dass er sagt: «Es gibt diese Faschisten nicht, jedenfalls nicht an verantwortlicher Stelle in Kiew.» Klebers Moderation stammt bereits aus dem Jahr 2014. Das belegen Blog-Beiträge, die sich seinerzeit mit den Aussagen beschäftigten. Aus den Artikeln geht hervor, dass es sich um die Sendung vom 21. Juli 2014 handelt.
Kleber widmete sich in der ZDF-Sendung aber auch den schon damals von Russland erhobenen Vorwürfen, in der Ukraine würden «Faschisten» regieren. Diese Behauptung nutzt Russlands Präsident Wladimir Putin auch im Jahr 2022 noch - ohne Belege, aber als Begründung für den Krieg in der Ukraine. Einige Social-Media-Nutzer halten das verkürzte Kleber-Zitat aber offenbar für aktuell, wie der Wortlaut ihrer Beiträge zeigt. Allerdings offenbart schon der erste Blick, dass es sich nicht um eine aktuelle ZDF-Sendung handeln kann: Kleber hat vor rund vier Monaten als Moderator des «heute journal» aufgehört. Zudem hat die Sendung seit fast neun Monaten ein neues Studio mit anderen Kulissen.
Im Jahr 2014 war an der ukrainischen Regierung nach dem Sturz des pro-russischen Präsidenten Wiktor Janukowitsch tatsächlich für einige Monate die rechtsextreme Sowoboda-Partei beteiligt. Zur derzeitigen Regierung unter Präsident Wolodymyr Selenskyj und Ministerpräsident Denys Schmyhal gehört jedoch keine derartige Partei. Swoboda verfügt nur noch über einen Abgeordneten im Parlament in Kiew.
Der Konflikt zwischen Russland und der Ukraine war zu diesem Zeitpunkt vor allem deshalb Thema, weil am 17. Juli 2014 über den seit wenigen Monaten von pro-russischen Separatisten kontrollierten Gebieten in der Ostukraine ein malaysisches Passagierflugzeug abgeschossen worden war. Dabei waren alle 298 Insassen ums Leben gekommen. Untersuchungen ergaben später, dass das Flugzeug von einer Flugabwehrrakete russischer Bauart getroffen worden war. Ermittler halten Russland für verantwortlich. Ein Prozess in den Niederlanden läuft derzeit noch.
Die weiteren Videos in dem Zusammenschnitt auf Facebook sind ebenfalls nicht aktuell. Zu sehen sind:
- ein Beitrag aus der ARD-Talkshow «Anne Will» vom 12. März 2014, in dem es um rechtsextreme Tendenzen nach der Maidan-Revolution in der Ukraine geht,
- eine Rede von Gregor Gysi (Linke) im Deutschen Bundestag ebenfalls vom 13. März 2014, in dem er die Einbindung von Rechtsextremen in eine neue ukrainische Regierung beklagte,
- ein Ausschnitt aus der ARD-Talkshow «Günther Jauch» vom 15. Februar 2015, in der der ukrainische Botschafter in Deutschland, Andrij Melnyk, mit Fotos von rechtsextremen ukrainischen Kämpfern konfrontiert wird,
- Fotos des damaligen deutschen Außenministers Frank-Walter Steinmeier (SPD) sowie der Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mit ukrainischen Politikern aus dem Jahr 2014,
- ein Foto des Kiewer Bürgermeisters Vitali Klitschko, das mindestens aus dem Jahr 2015 stammt und ihn mit mutmaßlichen ukrainischen Nationalisten zeigt,
- weitere Bilder mutmaßlicher ukrainischer Rechtsextremer und
- ein Ausschnitt aus einem Kommentar aus dem Jahr 2017 von Kai Gniffke, damals Chefredakteur unter anderem der ARD-«Tagesthemen», der über Manipulationsvorwürfe und das journalistische Selbstverständnis seiner Redaktion sprach.
Keines der Bilder oder Videos hat einen zeitlichen Bezug zur Eskalation des Ukraine-Konflikts im Jahr 2022 oder zur derzeitigen Regierung des Landes.
(Stand: 5.4.2022)
Links
Längerer Ausschnitt von Klebers Moderation im «heute journal» (archiviert)
Blog-Artikel über die Sendung (22.7.2014) (archiviert)
Weiterer Blog-Artikel (23.7.2014) (archiviert)
Übersicht der ukrainischen Übergangsregierung im Jahr 2014 (archiviert)
Informationen zum Abschuss von Flug MH17 (5.3.2020) (archiviert)
dpa-Meldung zum MH17-Prozess in den Niederlanden (30.3.2022) (archiviert)
ZDF-Mitteilung zu Klebers Ausscheiden beim «heute journal» (27.12.2021) (archiviert)
Mitteilung zu neuem Studio (16.7.2021) (archiviert)
Übersicht der derzeitigen ukrainischen Regierung (archiviert)
«Der Standard» über Rechtsextremismus in der Ukraine und Swoboda (29.3.2022) (archiviert)
dpa-Faktencheck mit Hinweis auf «Anne Will» vom 12.3.2014
Rede von Gregor Gysi im Bundestag (13.3.2014) (archiviert)
Foto von Andrij Melnyk bei «Günther Jauch» (15.2.2015) (archiviert)
Foto von Steinmeier (22.3.2014) (archiviert)
Foto von Merkel (17.2.2014) (archiviert)
Russischsprachiger Bericht mit Foto von Klitschko (19.3.2015) (archiviert)
«Tagesthemen»-Kommentar von Kai Gniffke (24.5.2017) (archiviert)
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