Goldkäufe der russischen Notenbank sind keine Einführung des «Goldstandards»

6.4.2022, 11:20 (CEST)

Gaszahlungen an Russland nur noch in Rubel und über russische Konten - die Meldungen zu den Wirtschaftssanktionen gegen Russland und die Reaktionen darauf überschlagen sich derzeit. Auf Facebook (archiviert) und Telegram (archiviert) kursiert zusätzlich die Behauptung, die russische Zentralbank habe den Rubel nun an Gold gebunden, wodurch die Währungen US-Dollar und Euro angeblich deutlich an Wert verlieren würden. Quelle ist ein Blog-Artikel (archiviert).

Bewertung

Falsch. Zwar kauft die Notenbank Russlands derzeit Gold zu einem Festpreis ein, die Einführung eines «Goldstandards» ist damit jedoch nicht gegeben.

Fakten

Mitte März hatte die russische Zentralbank Goldkäufe von Geschäftsbanken ausgesetzt, da die Nachfrage nach dem Edelmetall von Privatpersonen sehr hoch war. Ohne diesen Stopp hätten die Geschäftsbanken möglicherweise nicht genug Gold für die Bürgerinnen und Bürger zur Verfügung gehabt, wie unter anderem ntv berichtet. Doch die Situation hat sich inzwischen geändert.

Die russische Zentralbank wird bis Ende Juni Gold zu einem Festpreis von ihren Banken kaufen, nämlich 1 Gramm Gold für 5000 Rubel. Am 28. März veröffentlichte ein Blog einen Artikel, in dem es heißt, dass die Währung Rubel vorerst an Gold gebunden sei. Grundlage dieser Annahme sind wohl Meldungen wie jene der Nachrichtenagentur Reuters, die über den Festpreis informierten.

Keine Bindung des Rubels an Gold

Der Festpreis lag deutlich unter dem Goldpreis außerhalb Russlands. Betrachtet man mit Hilfe des Finanzportals «boerse.de» den Goldpreis in US-Dollar, erkennt man: Am 28. März musste für 1 Gramm Gold etwa 68 US-Dollar gezahlt werden. Das entsprach umgerechnet circa 6.655 Rubel. Für die russischen Geschäftsbanken kann der günstigere Festpreis dennoch attraktiv sein, da der Handel mit russischem Gold im Ausland derzeit sanktioniert wird.

Der Ankauf alleine bedeutet jedoch nicht, dass die Währung an Gold gebunden wird und somit ein «Goldstandard» bestünde. Damit dies zutrifft, müsste die russische Zentralbank das Gold nicht nur zu einem Festpreis einkaufen, sondern auch verkaufen. Experten zufolge besteht mit der Einführung eines Goldstandards zudem «eine Goldankaufs- und Geldeinlösepflicht der Zentralbank» (Quelle: Gabler Banklexikon). Aktuell kauft Russland jedoch das Gold aus freien Stücken, was mehrere Gründe hat.

Laut der russischen Zentralbank selbst dient die Wiederaufnahme des Goldankaufs dem Ausgleich von «Angebot und Nachfrage auf dem inländischen Edelmetallmarkt». Es soll also die Versorgung und die Produktion von einheimischem Gold sichergestellt werden. Ein Gold-Vergleichsportal vermutet dahinter außerdem die Liquiditätssicherung der Geschäftsbanken in Zeiten der Sanktionen.

Was ist der «Goldstandard» eigentlich?

Die wohl bekannteste Geschichte des «Goldstandards» beginnt nach dem Zweiten Weltkrieg. Während einer Konferenz, so berichtet es die «Süddeutsche Zeitung», wurde beschlossen, die USA sollten den Dollar jederzeit zu einem Festpreis gegen Gold eintauschen können. Gleichzeitig wurden alle anderen wichtigen Währungen zu einem festen Kurs an den US-Dollar (und damit indirekt an Gold) gebunden.

Für eine bestimmte Summe D-Mark bekamen die deutschen Banken also eine festgelegte Menge an US-Dollar - egal ob heute oder in einer Woche. Diese US-Dollar entsprachen einer bestimmten Menge Gold, die die USA vorrätig haben müssen. Das Geld konnte so zu einem Festpreis gegen Gold getauscht werden.

Zunächst ein gutes System: Gehalten von einem wirtschaftlichen Sicherheitsnetz wurde immer mehr gehandelt. Doch genau aus dieser Entwicklung resultierend, war vermeintlich mehr Geld im Umlauf, als die USA je in Gold hätten umtauschen können. Die übrigen Länder vertrauten der amerikanischen Währung immer weniger, so dass 1971 der damalige Präsident Nixon die Bindung des Dollars an Gold aufhob. Die Wechselkurse wurden ab 1973 nicht mehr durch die Politik festgelegt, sondern flexibel auf den Devisenmärkten.

Zurück zum Blog-Artikel - dort wird weiter behauptet: «Russland hat soeben weltweit etwa dreißig Prozent des Wertes des US-Dollars in Bezug auf Goldbarren ausgelöscht. Die Menschen auf der ganzen Welt werden ihr Geld buchstäblich auf den Rubel werfen und dafür Dollars und Euros wegwerfen.» Eine solche Entwicklung lässt sich auf den internationalen Finanzmärkten wenige Tage nach der Einführung des Festpreises nicht feststellen.

(Stand: 5.4.2022)

Links

Reuters-Meldung (archiviert)

ntv-Meldung (archiviert)

Definition Goldstandard (archiviert)

Gold-Preis (archiviert)

Artikel zu Gold-Sanktionen (archiviert)

Pressemitteilung Bank of Russia (archiviert)

Erklärung Gold-Vergleichsportal (archiviert)

Geschichte des Goldstandards (archiviert)

Telegram-Post (archiviert)

Facebook-Post (archiviert)

Blog-Artikel (archiviert)

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