Dokument zu Impfstoff fehlinterpretiert: Verdachtsfälle sind keine gesicherten Nebenwirkungen

18.03.2022, 18:02 (CET)

Immer wieder kommt es zu Falschbehauptungen zu den Risiken der Covid-19-Impfstoffe. In den sozialen Medien wird behauptet, neue Dokumente würden «Mega-Nebenwirkungen» des Coronavirus-Impfstoffes von Biontech/Pfizer enthüllen, die der Konzern habe «geheim halten» wollen (archiviert).

Bewertung

In dem Dokument, auf das sich die Posts beziehen, geht es lediglich um Verdachtsmeldungen, nicht um nachgewiesene Nebenwirkungen des Impfstoffes. Impfungen gegen Corona sind nachweislich sicher und wirksam.

Fakten

In einigen Posts ist ein Artikel verlinkt, in dem ursprünglich ebenfalls von «Mega-Nebenwirkungen bei Biontech/Pfizer» die Rede war. Am 17. März 2022 wurde er mit dem Hinweis aktualisiert, dass «Nebenwirkungen» in «unerwünschte Ereignisse» geändert worden sei.

Der Artikel bezieht sich auf eine «Kumulierte Analyse von Berichten über unerwünschte Ereignisse nach der Zulassung». Sie stammt aus Dokumenten, die Pfizer auch nach der Zulassung seines Impfstoffs der US-Zulassungsbehörde FDA übermitteln muss, damit die Sicherheit der Impfung weiter überwacht werden kann. Basierend auf demselben Dokument wurde schon fälschlicherweise behauptet, die Covid-19-Impfung sei gefährlich für Ungeborene.

In dem Bericht analysiert Pfizer Verdachtsfälle von Nebenwirkungen, die nach der Impfung auftraten. Diese Verdachtsfälle wurden über verschiedene Wege direkt an Pfizer gemeldet - etwa über Daten von Gesundheitsbehörden, aus wissenschaftlicher Literatur oder über eigene Meldeprogramme. Die Meldungen stammen aus der Zeit zwischen der Zulassung des Impfstoffs im Dezember 2020 und dem 28. Februar 2021.

Aus den Verdachtsmeldungen lässt sich nicht schließen, dass die Impfung für den unerwünschten medizinischen Effekt verantwortlich war. Die Meldungen geben einen Ausschnitt wieder - die Größe der Dunkelziffer ist unbekannt. Außerdem sind in den Meldungen nicht immer alle medizinisch relevanten Informationen zu einem Fall enthalten. Auf all diese Einschränkungen wird zu Beginn der Analyse hingewiesen.

Der Artikel enthält auch eine Liste, die angeblich «"unerwünschte Ereignisse" im Zusammenhang mit dem Pfizer-Impfstoff» beinhaltet. Im Originaldokument findet sich eine Liste mit «unerwünschten Ereignissen von besonderem Interesse». Diese Liste enthält mögliche Nebenwirkungen, nach denen Pfizer gezielt gesucht hat.

Solche Listen werden normalerweise im Voraus erstellt und haben keine Aussagekraft über die tatsächlichen Nebenwirkungen. Die Liste wurde auch nicht spezifisch für den Pfizer-Impfstoff erstellt, vielmehr handelt es sich um Ereignisse «die aufgrund ihres Zusammenhangs mit schwerer Covid-19-Erkrankung von Interesse sind, sowie Ereignisse, die für Impfstoffe im Allgemeinen von Interesse sind», wie es auch im Dokument selbst erklärt wird.

Zusammenfassend steht in dem Analyse, dass die Daten «keine neuen Sicherheitsbedenken oder Risiken» erkennen lassen, die eine Änderung der Kennzeichnung erforderlich machen würden. Im Gegenteil: Laut Dokument würden die Daten «für ein günstiges Nutzen-Risiko-Profil» des Impfstoffs sprechen.

Die Analyse wurde Ende 2021 durch eine Informationsfreiheitsklage in den USA veröffentlicht. Es handelt sich dabei nicht um die klinische Teststudie, die Pfizer/Biontech vor der Zulassung des Covid-19-Impfstoffs durchgeführt hat.

(Stand: 17.3.2022)

Links

Pfizer-Analyse aus Informationsfreiheitsanfrage (archiviert)

Daten der klinischen Zulassungsstudie des Covid-19-Impfstoffes von Biontech/Pfizer (archiviert)

dpa-Faktencheck «Unsinnige Rechnung ergibt angebliche Todesrate»

Snopes-Faktencheck «Does FDA Want Until 2076 To Release Vaccine Data?» (archiviert)

WHO Handbuch mit Eintrag zu «Unerwünschten Ereignissen von besonderem Interesse» (archiviert)

Artikel mit der Behauptung (archiviert)

Facebook-Beitrag (archiviert)

Kontakt zum dpa-Faktencheckteam: faktencheck@dpa.com