Polizei und Unternehmen dementieren: zerstörte Busse kein russlandfeindlicher Angriff

09.03.2022, 14:26 (CET)

Im niedersächsischen Landkreis Harburg sind Ende Februar 2022 mehr als zwei Dutzend Linienbusse beschädigt worden. Zusammen mit einem Handyvideo, das den Vandalismus auf dem Firmengelände zeigt, wird in sozialen Medien behauptet, der Chef des Bundesunternehmens sei ein Russlanddeutscher (archiviert). Vor dem Hintergrund des Einmarsches Russlands in die Ukraine erweckt diese Behauptung den Anschein, eine ethnische Herkunft sei das Motiv des Angriffs auf das Unternehmen.

Bewertung

Dafür gibt es keine Belege. Nach Unternehmensangaben hat die Geschäftsführung keinen russlanddeutschen Hintergrund. Auch die Polizei hat keinerlei Erkenntnisse, dass die Sachbeschädigung politisch motiviert gewesen sein könnte.

Fakten

Nach dem Einmarsch Russlands in die Ukraine am 24. Februar wird auch in Deutschland von Anfeindungen gegen Menschen mit russischer Herkunft berichtet. Die Attacke auf die Busse in Seevetal gehört allerdings nicht dazu.

Unbekannte haben nach Polizeiangaben am frühen Morgen des 28. Februars in Seevetaler Ortsteil Hittfeld (etwa 25 Kilometer südlich von Hamburg) scheinbar wahllos zahlreiche Scheiben an 29 Bussen und einem weiteren Fahrzeug eingeschlagen.

Wie die zuständige Polizeiinspektion Harburg der Deutschen Presse-Agentur (dpa) am 8. März mitteilte, ist das Motiv der Tat weiterhin unklar: «Einen konkreten Tatverdacht gibt es derzeit noch nicht.» Die Behörde schloss allerdings «eine politische Motivation im Zusammenhang mit der behaupteten Ethnie der Geschäftsführung» aus. Solche Behauptungen seien «falsch», so ein Polizeisprecher. Es werde auch nicht in solch eine Richtung ermittelt.

Auch das betroffene Busunternehmen KVG Stade verneinte eine russischstämmige Herkunft der Chefetage. Die Firma befindet sich eigenen Angaben zufolge im Besitz von zwei anderen Unternehmen: dem Verkehrsbetrieb Osthannover (VOG) und den Eisenbahnen und Verkehrsbetriebe Elbe-Weser (EVB). «In unserer Geschäftsführung hat niemand einen auch nur mittelbar russischstämmigen Hintergrund beziehungsweise eine entsprechende Herkunft», teilte ein KVG-Pressesprecher der dpa am 8. März mit.

Das in sozialen Medien verbreitete Video zeigt dem Busunternehmen zufolge tatsächlich dessen beschädigte Fahrzeuge. Wie der Clip, der nach Polizeiangaben von einer KVG-Mitarbeiterin erstellt wurde, den Weg ins Internet gefunden hat, ist noch Gegenstand der laufenden Ermittlungen. «Aus dem Video selbst ergeben sich nach unserer Kenntnis keine Hinweise auf die Hintergründe der Tat», so die Polizei.

Der Sachschaden der Attacke wurde von KVG Stade auf rund 250 000 Euro geschätzt. Die Firma setzte eine Belohnung von bis zu 10 000 Euro für Hinweise aus, die zu einer Ermittlung und Verurteilung der Verantwortlichen führen.

In den Linienbussen von KVG Stade dürfen Menschen aus der Ukraine, die aufgrund der russischen Angriffe ihr Heimatland verlassen haben, kostenlos mitfahren. «Damit schließen wir uns der bundesweiten Solidarisierungsbewegung an», heißt es auf der Homepage des Unternehmens.

(Stand: 8.3.2022)

Links

Polizeimeldung über Fall in Seevetal vom 28.2.2022 (archiviert)

KVG Stade über eigene Unternehmensstruktur (archiviert)

KVG Stade über Fall in Seevetal (archiviert)

KVG Stade über kostenlose Nutzung (archiviert)

dpa-Artikel über Anfeindungen gegen Menschen russischer Herkunft (archiviert)

Facebook-Post über Fall in Seevetal vom 3.3.2022 (archiviert, archiviertes Video)

Telegram-Post über Fall in Seevetal vom 3.3.2022 (archiviert)

Kontakt zum dpa-Faktencheckteam: faktencheck@dpa.com