Wissenschaftlich belegt: Impfungen verhindern schwere Covid-Verläufe

23.2.2022, 17:09 (CET)

In der aktuellen Diskussion über eine mögliche Impfpflicht werden längst richtiggestellte Falschbehauptungen und aus dem Kontext gerissene Thesen über die Corona-Impfung wieder aus der Mottenkiste geholt. Es gebe angeblich keine Belege dafür, dass eine Impfung schwere Covid-Verläufe verhindere, heißt es etwa (archiviert). Oder: Die Impfung sei eine «experimentelle Gen-Therapie». Außerdem soll die Bundesregierung angeblich knapp sieben Impfdosen für jeden Deutschen geordert haben.

Bewertung

Corona-Impfungen sind ausdrücklich keine Gentherapien. Wie in Studien dargelegt, schützen sie vor schweren Covid-Erkrankungen - auch bei verschiedenen Erreger-Varianten. Dass sie die Übertragung des Virus oder gar eine Infektion nicht 100-prozentig unterbinden, ist kein Beweis dafür, dass die Impfungen nicht wirken.

Fakten

Ein Facebook-Post stellt verschiedene Thesen zur Corona-Impfung auf - manche eindeutig falsch, manche ohne den zugehörigen Kontext, der aber wichtig zur Einordnung ist. Die Deutsche Presse-Agentur (dpa) hat sich einige der Behauptungen genauer angeschaut:

Behauptung: Die Impfungen sind experimentelle Gentherapien.

Falsch. Die Unterstellung, von der Corona-Impfung gehe eine besondere Gefahr für den Menschen oder gar eine Veränderung des Erbguts aus, ist nicht richtig. Impfgegner bezeichnen die mRNA-Impfungen von Biontech/Pfizer und Moderna sowie die Vektormittel von Astrazeneca und Johnson & Johnson fälschlicherweise immer wieder als «Gentherapie».

Genbasierte Impfstoffe verfolgen das Konzept, den Körper die Antigene gegen das Coronavirus selbst herstellen zu lassen. Doch wird durch die Impfung etwa mit einem mRNA-Impfstoff - anders als etwa bei einer Gentherapie - die DNA in den Körperzellen nicht verändert.

«Es besteht kein erkennbares Risiko der Integration der mRNA ins menschliche Genom», heißt es vom Paul-Ehrlich-Institut, das in Deutschland für die Zulassung von Impfstoffen zuständig ist. «Das aus DNA bestehende Genom befindet sich im Zellkern, wohin die mRNA normalerweise nicht gelangt», so die Behörde

In der entsprechenden EU-Richtlinie von 2009 steht denn auch: «Impfstoffe gegen Infektionskrankheiten sind keine Gentherapeutika.»

Behauptung: Es fehlen wissenschaftliche Belege, dass eine Corona-Impfung schwere Verläufe verhindert.

Falsch. Nach Angaben des Robert Koch-Instituts (RKI) ist die Wahrscheinlichkeit, schwer an Covid-19 zu erkranken, bei vollständig geimpften Menschen um etwa 90 Prozent geringer als bei Ungeimpften. Das RKI ist eine der ältesten Forschungseinrichtungen der Welt im Bereich der Biomedizin.

Demnach wirken sowohl die mRNA-Mittel von Biontech/Pfizer und Moderna sowie der Vektorimpfstoff von Astrazeneca gegen eine schwere Erkrankung bei der Alpha- und Delta-Variante des Coronavirus «sehr gut». Mit Blick auf Delta werden dem RKI zufolge durch das Impfen 75 Prozent der symptomatischen Sars-CoV-2-Infektionen verhindert.

Hinsichtlich der derzeit in Deutschland vorherrschenden Omikron-Variante geht das RKI von einem weniger guten Schutz vor Erkrankung aus. «Die Wirksamkeit der Covid-19-Impfung gegenüber Hospitalisierung scheint bei Infektion mit der Omikron-Variante reduziert, aber immer noch gut zu sein», heißt es.

Durch die Beobachtung und Auswertung der Corona-Fälle zwischen Mitte Januar und Mitte Februar 2022 in Deutschland berechnet das RKI in seinem Wochenbericht vom 17. Februar 2022 (ab S. 26) für die Omikron-Variante: Zweifach-Impfungen schützen zu 64 Prozent (bei 12- bis 17-Jährigen), 67 Prozent (18- bis 59-Jährige) oder 78 Prozent (60 Jahre und älter) vor eine Einweisung ins Krankenhaus. Nach einer Auffrischungsimpfung liegen diese Werte in allen drei Altersgruppen sogar bei jeweils rund 90 Prozent.

Eine (noch nicht von Fachkollegen untersuchte) Studie der Universität im schottischen Glasgow von Anfang Januar 2022 wkommt zu dem Ergebnis, dass insbesondere eine dritte mRNA-Impfdosis den Impfschutz gegen Omikron wiederherstelle. Dieser sei effektiver als eine natürlich erlittene Infektion oder eine Grundimmunisierung mittels zweier Impfdosen. Eine vollständige Immunität könne aber auch mit der Booster-Impfung nicht garantiert werden.

Behauptung: Wissenschaftlich nicht belegbar ist, dass eine Impfung vor neuen Virusvarianten schützt.

Falsch. Genau das Gegenteil ist der Fall. Die Corona-Impfstoffe wurden gegen den sogenannten Wildtyp des Erregers entwickelt, der Ende 2019 zuerst in China entdeckt worden war. Doch zeigten die seit dem Jahreswechsel 2020/2021 eingesetzten Mittel auch gegen später virulente Coronavirus-Varianten Alpha, Beta, Gamma und Delta ihre Wirkung - wenn auch teils in geringerem Maße, wie es vom Verband Forschender Arzneimittelhersteller (vfa) heißt.

Vor einer Infektion mit der Delta-Variante zum Beispiel schützen die Impfstoffe nach RKI-Angaben um 10 bis 20 Prozentpunkte weniger als gegen eine Ansteckung mit Alpha. Die Schutzwirkung gegen eine schwere Covid-Erkrankung sei aber «weiterhin hoch».

Durch die Impfstoffe bildet der Körper einen mehrfachen Schutz gegen das Coronavirus: über neutralisierende Antikörper sowie die Bildung sogenannter T-Zellen. «Hierdurch haben einzelne Mutationen in der Regel keinen sehr großen Einfluss auf die Wirksamkeit der Impfstoffe, wenn diese nach dem empfohlenen Impfschema verabreicht werden», heißt es vom RKI.

Behauptung: Eine Impfung schützt weder vor einer Übertragung des Virus noch vor einer Covid-Erkrankung.

Beide Punkte sind zwar richtig, aber für die Corona-Mittel nicht die wichtigsten Kriterien. Schon in der gemeinsamen Stellungnahme (S. 3) von Ständiger Impfkommission (Stiko), Deutschem Ethikrat und der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina vom November 2020 - also noch vor Einführung der Impfungen in der EU - heißt es über die angestrebten Zwecke: Impfziel Nummer eins ist es, schwere Covid-19-Verläufe, die einen Krankenhausaufenthalt notwendig machen, und Todesfälle zu verhindern.

Weitere Ziele waren unter anderem der Schutz von Menschen in bestimmten Berufen, die dem erhöhten Risiko einer möglichen Covid-Infektion ausgesetzt sind, und von besonders vulnerablen Gruppen wie etwa Bewohnerinnen und Bewohnern in Altenheimen. Zudem wird die «Verhinderung von Transmission» genannt, also ein Schutz vor Übertragung des Virus.

«Ein Impfstoff, der die Transmission komplett verhindert, kann alle Impfziele erreichen. Ein Impfstoff, der nur schwere Verläufe verhindert, erfüllt besonders die Ansprüche des Impfziels 1», heißt es in der Stellungnahme von Stiko, Ethikrat und Leopoldina. «Die demnächst verfügbaren Impfstoffe werden in dieser Hinsicht sehr wahrscheinlich zwischen diesen Extremen liegen.»

Es war also von vornherein nie die hauptsächliche Absicht, durch einen Piks die Weitergabe des Erregers grundsätzlich zu verhindern. Schon damals gingen Experten davon aus, dass es weiterhin leichte Symptome im Falle einer Covid-Erkrankung geben könne, aber seltener schwere Verläufe.

Die Wahrscheinlichkeit, corona-positiv zu werden, ist bei vollständig Geimpften signifikant vermindert im Vergleich zu Ungeimpften. Das haben unter anderem Mitte 2021 - also vor dem Auftauchen der Omikron-Variante - Forschende aus Singapur herausgefunden.

Behauptung: Die Bundesregierung hat 554 Millionen Impfdosen geordert - also knapp sieben für jeden deutschen Bürger.

Richtig ist, dass Deutschland 554 Millionen Impfdosen zwischen Dezember 2020 und Dezember 2021 bestellt hat, wie es von der Bundesregierung (S. 2) heißt. Teilweise sind diese noch nicht ausgeliefert, sondern für einen Lieferzeitraum im Jahr 2022 oder 2023 vorgesehen.

Doch wurden oder werden damit nicht alle Einwohner Deutschlands geimpft. Es sind auch Impfdosen enthalten, die die Bundesrepublik an andere Länder spendet. Deshalb ist es eine falsche Annahme, die Gesamtzahl der bestellten Impfungen könne durch die Einwohnerzahl Deutschlands geteilt werden - um auf sechs bis sieben Injektionen pro Bürger zu kommen, wie ein ausführlicher dpa-Faktencheck zeigt.

In Deutschland wurden bis zum 21. Februar 2022 etwa 169 Millionen Impfdosen verabreicht.

(Stand: 22.02.2022)

Links

Paul-Ehrlich-Institut über genbasierte Impfstoffe (archiviert)

Paul-Ehrlich-Institut über eigene Aufgaben (archiviert)

EU-Richtlinie mit Begriffsklärung Impfungen/Gentherapeutika (archiviert)

RKI über eigenes Leitbild und Aufgaben (archiviert)

RKI über Impfstoff-Wirksamkeit (archiviert)

RKI über Impfstoff-Wirksamkeit bei Coronavirus-Varianten (archiviert)

RKI über Impfstoff-Wirksamkeit bei Omikron (archiviert)

RKI-Wochenbericht vom 17.2.2022 (archiviert)

Studie der Uni Glasgow über Wirksamkeit der Impfstoffe gegen Omikron (archiviert)

vfa über Corona-Impfstoffe (archiviert)

Gemeinsame Impf-Stellungnahme von Stiko, Ethikrat und Leopoldina vom 9.11.2020 (archiviert)

Studie aus Singapur über Impfdurchbrüche (archiviert)

Bundesregierung über Impfstofflieferungen (archiviert)

Zahl der verabreichten Impfdosen (archiviert Stand 21.2.2022)

dpa-Faktencheck über Gesamt-Impfdosen für Deutschland

Facebook-Post mit Falschbehauptungen über Impfungen (archiviert)

Kontakt zum dpa-Faktencheckteam: faktencheck@dpa.com