Vergleichsdaten der Militär-Datenbank waren fehlerhaft
18.2.2022, 13:53 (CET)
300 Prozent mehr Fehlgeburten, 200 Prozent mehr Krebsdiagnosen und eine Verzehnfachung von neurologischen Problemen im Jahr 2021: Zeigen medizinische Daten von Angehörigen des US-Militärs nun das tatsächliche Ausmaß der Nebenwirkungen von Corona-Impfungen? In den USA hat ein Anwalt mit einem Datensatz aus einer US-Militär-Datenbank für Aufsehen gesorgt. Aber was hat es mit den Zahlen auf sich?
Bewertung
Hier fehlt der Kontext. Die Schlussfolgerung, dass es einen signifikanten Anstieg von Krankheitsfällen unter Angehörigen des US-Militärs im vergangenen Jahr gegeben habe, ist aus fehlerhaften Daten entstanden. Die hohen Werte gehen auf eine Untererfassung in den Jahren 2016 bis 2020 zurück, wie ein Pentagon-Sprecher der Deutschen Presse-Agentur mitteilte.
Fakten
Experten und Expertinnen hätten nach dem Aufkommen der Bedenken über einen extremen Anstieg von Erkrankungen im Jahr 2021 eine «vollständige Überprüfung der in der Defense Medical Epidemiology Database (DMED) enthaltenen Daten durchgeführt und festgestellt, dass die Daten für die Jahre 2016-2020 nicht korrekt waren». Das teilte Charlie Dietz, Sprecher des US-Verteidigungsministeriums, auf eine schriftliche Anfrage des Faktencheck-Teams mit.
Die DMED stellt medizinische Daten übersichtlich und anonymisiert zur Verfügung, die in eine erste Datenbank (DMSS) eingespeist werden. Bei einem Abgleich der Datensätze fiel ein Fehler auf. Die Gesamtzahl der medizinischen Diagnosen in der DMED aus den Jahren 2016-2020 sei nur ein kleiner Teil der tatsächlichen medizinischen Diagnosen für diese Jahre gewesen, heißt es weiter. 2021 sei die Gesamtzahl der Diagnosen aber auf dem neuesten Stand gewesen.
«Der Vergleich von 2021 mit 2016-2020 ergab, dass die Zahl der medizinischen Diagnosen im Jahr 2021 aufgrund der zu wenig gemeldeten Daten für 2016-2020 deutlich höher war.» Daraufhin sei die Datenbank offline genommen worden, «um die Ursache für die Datenverfälschung zu ermitteln und zu beheben». Der Zugriff auf die DMED-Datenbank sei am 30. Januar 2022 wiederhergestellt worden, nachdem die Daten korrigiert worden waren.
Diese Daten sind für die Öffentlichkeit nicht frei zugänglich, sondern können etwa von Ärztinnen, Forschenden oder Militär-Angehörigen abgerufen werden. Der entsprechende Datensatz wurde einem Anwalt von drei Mitgliedern des US-Militärs zur Verfügung gestellt. In manchen Artikeln werden sie als «Whistleblower» bezeichnet. Normalerweise werden so Leute bezeichnet, die Hinweise auf bisher nicht bekannte Missstände etwa in Firmen geben.
Hier ist jedoch beachtenswert, in welchem Zusammenhang die Daten auftauchten und von wem sie präsentiert wurden. Die Daten hat Thomas Renz veröffentlicht, ein Mann der sich als Anwalt bezeichnet. Er stellte den Datensatz am 24. Januar 2022 auf einem Panel mit dem Namen «COVID-19: A Second Opinion» vor.
Organisiert wurde das von dem republikanischen US-Senator Ron Johnson aus Wisconsin. Sowohl Renz als auch Johnson hatten sich schon zuvor skeptisch zum Coronavirus und zur Pandemie geäußert. Johnson befürwortet das Entwurmungsmittel Ivermectin zur Behandlung einer Corona-Infektion. Dazu hat die dpa bereits einen Faktencheck geschrieben.
Mehrere Studien widerlegen die angeblich extremen Anstiege von Nebenwirkungen nach einer Corona-Impfung ebenfalls:
- Die Rate von Fehlgeburten vor und nach einer Corona-Impfung ist identisch. Corona-Impfstoffe sind für schwangere Frauen sicher, wie Studien gezeigt haben und die amerikanische Gesundheitsbehörde CDC und die Ständige Impfkommission (Stiko) in Deutschland bestätigen. Es wird sogar empfohlen, dass Schwangere sich impfen lassen, da für sie das Risiko eines schweren Verlaufes höher ist. Weitere dpa-Faktenchecks zu dem Thema gibt es hier, hier und hier.
- Auch die Zahl der Krebsfälle ist effektiv nicht gestiegen. Die Corona-Impfstoffe sind nicht krebserregend. Das National Comprehensive Cancer Network (NCCN), ein Zusammenschluss von Krebszentren in den USA, hat sogar eine deutliche Empfehlung dafür ausgesprochen, dass Menschen mit Krebserkrankung sich auch eine dritte Corona-Impfung holen sollten. «Hintergrund ist der Umstand, dass sich bei vielen Krebspatienten nach Erhalt der zweiten Impfdosis offenbar nur eine schwache Immunantwort ausbildet», heißt es auf der Internetseite der deutschen Krebsgesellschaft.
- Neurologische Probleme treten ebenfalls nicht vermehrt auf. Das Nationale Institut für neurologische Störungen und Schlaganfälle (NIH) in den USA empfiehlt die Corona-Impfstoffe explizit für Risikogruppen.
(Stand: 17.02.2022)
Links
Aufbau Datenbank vom US-Militär (archiviert)
Video zu Panel von Senator Johnson (archiviert)
Definition Whistleblower (archiviert)
Medienbericht über Thomas Renz (archiviert)
Medienbericht über Senator Johnson (archiviert)
CDC zu Corona-Impfungen während der Schwangerschaft (archiviert)
STIKO zu Corona-Impfungen während der Schwangerschaft (archiviert)
Kontakt zum dpa-Faktencheckteam: faktencheck@dpa.com