Corona-Demos in Sachsen - Polizei: 50 000 Teilnehmer, nicht 100 000
9.2.2022, 13:18 (CET)
Woche für Woche das gleiche Spiel: Tausende gehen in Sachsen gegen Impfpflicht und staatliche Pandemie-Maßnahmen auf die Straße - und die rechtsextreme Kleinstpartei Freie Sachsen verbreitet danach völlig übertriebene Teilnehmerzahlen. Die Gruppierung spricht erneut von mindestens 100 000 Menschen, die am 7. Februar 2022 angeblich im Freistaat demonstriert haben sollen (archiviert). Schon in den Vorwochen war diese Größenordnung völlig übertrieben.
Bewertung
Die Polizei geht erneut von nur rund 50 000 Menschen aus.
Fakten
Wie das Landespolizeipräsidium des Freistaats auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur (dpa) mitteilt, sind bei den 171 Ver- und Ansammlungen gegen die Corona-Maßnahmen in Sachsen am 7. Februar «soweit polizeilich bekannt» knapp 50 000 Menschen mitgelaufen. Daneben seien rund 700 zu Gegenprotesten zusammengekommen.
Derzeit stagniert die Zahl derjenigen, die gegen Maßnahmen und Impfungen auf die Straßen gehen: Während in der Vorwoche (31. Januar) nach Polizeiangaben etwas mehr als 50 000 Menschen protestierten, waren es am Montag zuvor (24. Januar) rund 52 900.
Auch für diese Proteste der vergangenen Wochen hatten die Freien Sachsen viel zu hohe Zahlen angegeben, wie dpa-Faktenchecks zeigen (hier und hier). Die Vereinigung versucht, Demonstrationen im Freistaat größer aussehen zu lassen, als sie tatsächlich sind.
Dabei werfen die Freien Sachsen Behörden und Medien auch vor, sie rechneten die Teilnehmerzahlen absichtlich klein. Doch während die Partei selbst keinerlei Angaben über ihre Zählweise und Messmethodik macht, heißt es vom sächsischen Landespolizeipräsidium in einer E-Mail an die dpa: Die Schätzungen der Polizei werden «lediglich unter polizeitaktischen Gesichtspunkten zur Lagebeurteilung» vorgenommen.
Demnach wird zunächst die Fläche geschätzt, auf der die Protestierenden am Anfang der Demonstration stehen. Danach werde die Zahl der Anwesenden überschlagen. Bei kleineren Veranstaltungen mit nur wenigen Teilnehmern werde konkret durchgezählt. Bei Aufzügen zählt die sächsische Polizei von einer Position am Streckenrand die Reihen und multipliziert diese mit der durchschnittlichen Anzahl von Menschen, die sich pro Reihe vorwärts bewegen.
Professor Volkmar Liebscher, Leiter des Lehrstuhls für Biomathematik und Statistik an der Universität Greifswald, bezeichnet die Block-Zählweise als die bestmögliche Methode bei Demonstrationen.
Die Freien Sachsen, die vom Bundesamt für Verfassungsschutz als Verdachtsfall eingestuft sind, zählen zu den Kräften, die immer wieder Gegner der Corona-Politik mobilisieren - etwa über das soziale Netzwerk Telegram. Die Aktivitäten der rechtsextremen Partei seien «objektiv geeignet, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder einzelne ihrer zentralen Wesenselemente zu beseitigen oder zu beeinträchtigen», heißt es vom sächsischen Verfassungsschutz.
(Stand: 9.2.2022)
Links
dpa-Faktencheck über Demo-Teilnehmer in Sachsen am 24.1.2022
dpa-Faktencheck über Demo-Teilnehmer in Sachsen am 31.1.2022
«Nordkurier»-Artikel über polizeiliche Zählmethodik (archiviert)
Presse-Artikel über Einstufung der Freien Sachsen als Verdachtsfall beim Bundesamt für Verfassungsschutz (archiviert)
Sächsischer Verfassungsschutz über Freie Sachsen (archiviert)
Facebook-Post der Freien Sachsen mit Falschbehauptung über Teilnehmerzahl am 7.2.2022 (archiviert)
Telegram-Post der Freien Sachsen mit Falschbehauptung über Teilnehmerzahl am 7.2.2022 (archiviert)
Telegram-Post der Freien Sachsen mit Unterstellung falscher Demo-Zahlen durch Polizei und Medien (archiviert)
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