«Great Barrington Declaration» sprach sich im Jahr 2020 gegen Corona-Maßnahmen wie Lockdowns aus - Foto ist manipuliert

9.2.2022, 15:34 (CET)

Eine überraschende Schlagzeile kursiert zusammen mit einem Foto von Menschen in weißen Kitteln als Sharepic auf Facebook (archiviert): «60 000 Wissenschaftler fordern ein Ende der Massenimpfung». Darunter steht ein Hinweis auf die «Great Barrington Declaration» - Epidemiologen und weitere Wissenschaftler würden große Bedenken «hinsichtlich der schädlichen Auswirkungen der vorherrschenden Covid-19-Politik» haben. Auch in Blog-Beiträgen (archiviert) wird behauptet, die Unterzeichner dieser Erklärung seien für «einen alternativen Ansatz zur Bekämpfung von Covid-19, vor allem aufgrund der überaus berechtigten Sorge um die Nebenwirkungen der Massenimpfung». Stimmt das?

Bewertung

Falsch. Die «Great Barrington Declaration» und ihre Unterzeichner sprachen sich im Jahr 2020 gegen staatliche Corona-Maßnahmen wie Lockdowns, nicht aber gegen Impfungen aus. Das auf Facebook kursierende Foto zeigt nicht die Unterzeichner und ist zudem manipuliert worden.

Fakten

Die «Great Barrington Declaration» stammt aus einem gleichnamigen Ort im US-Bundesstaat Massachusetts und von einem dort ansässigen Think Tank. Sie richtete sich im Oktober 2020 gegen die zuvor in der ersten Corona-Welle von vielen Staaten verhängten Maßnahmen zur Eindämmung des Virus: zum Beispiel Kontaktbeschränkungen, Schulschließungen und das generelle Herunterfahren des öffentlichen Lebens, was seither oft als «Lockdown» bezeichnet wird.

Die Initiatoren und Unterzeichner der Erklärung setzten vielmehr darauf, allen, die nicht Risikogruppen angehören, ein normales Leben zu ermöglichen und so durch viele Infektionen eine «Herdenimmunität» zu erreichen. Nach Angaben der Initiatoren haben Hunderttausende Menschen diese Erklärung unterzeichnet. Darunter sollen auch Zehntausende Wissenschaftler und im Gesundheitswesen tätige Menschen sein (Stand: 8.2.2022).

An den Vorschlägen der «Great Barrington Declaration» gab es jedoch rasch viel Kritik aus der Wissenschaft. Die «Gesellschaft für Virologie» warnte: «Eine unkontrollierte Durchseuchung würde zu einer eskalierenden Zunahme an Todesopfern führen, da selbst bei strenger Isolierung der Ruheständler es noch weitere Risikogruppen gibt, die viel zu zahlreich, zu heterogen und zum Teil auch unerkannt sind, um aktiv abgeschirmt werden zu können.» Andere kritisierten die eindeutige politische Ausrichtung des Think Tanks hinter der Erklärung.

Gegen Impfungen richtete und richtet sich die «Great Barrington Declaration» jedoch nicht. Vielmehr heißt es im Text sogar, das Erreichen einer Herdenimmunität könne «durch einen Impfstoff unterstützt werden». Die Ablehnung von Lockdowns wird auch damit begründet, dass eine negative Folge davon zum Beispiel generell «niedrigere Impfraten bei Kindern» seien. Als die «Declaration» veröffentlicht wurde, waren weltweit erst zwei Corona-Impfstoffe im Einsatz: Der russische Impfstoff war seit August 2020 zugelassen, in China fanden damals bereits Massenimpfungen im Zuge einer Notverordnung statt.

Aus welchen Gründen nun Blogbeiträge und Facebook-Postings die «Great Barrington Declaration» in einem Zusammenhang mit der Ablehnung der Corona-Impfungen rücken, ist unklar. Der Text der Erklärung gibt eine solche Position nicht her. Gegenüber der Nachrichtenagentur AFP teilten die Initiatoren mit, dass sie die Corona-Impfungen befürworten würden. Auch auf Twitter finden sich solche Äußerungen von ihnen.

Das Foto, das mit der falschen Überschrift «60 000 Wissenschaftler fordern ein Ende der Massenimpfung» auf Facebook verbreitet wird, hat rein gar nichts mit der «Great Barrington Declaration» zu tun. Es stammt von der Website eines Krankenhauses im US-Bundesstaat Colorado und zeigt Ärzte, die im Jahr 2018 für ihre Arbeit ausgezeichnet wurden.

Die Aufnahme wurde zudem manipuliert: Teile des Originalfotos wurden offenbar kopiert und an anderer Stelle in den Hintergrund eingefügt, um die Gruppe der Ärzte größer erscheinen zu lassen. Dadurch tauchen viele der Personen jedoch mehrfach im Bild auf. Besonders auffällig sind zum Beispiel die zwei Frauen ganz links in den ersten beiden Reihen, die auch rechts im Bild wieder im Vordergrund auftauchen. Andere Personen in den hinteren Reihen sind bei der Bearbeitung abgeschnitten worden oder nur verwischt zu sehen.

(Stand: 8.2.2022)

Links

«Great Barrington Declaration» vom 4.10.2020 (deutsche Fassung) (archiviert)

Seite mit Angaben über Unterzeichner (archiviert)

dpa-Bericht über Kritik an der Erklärung (19.10.2020) (archiviert)

Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Virologie (19.10.2020) (archiviert)

«Süddeutsche Zeitung» über Hintergründe der Erklärung (14.10.2020) (archiviert)

AFP-Faktencheck mit Zitaten der Initiatoren zu Impfungen (2.2.2022) (archiviert)

Tweet eines der Initiatoren über Impfungen (14.9.2021) (archiviert)

Quelle des Fotos auf einer Krankenhaus-Website (20.9.2018) (archiviert)

«Volksverpetzer»-Bericht über Foto und Schlagzeile (6.2.2022) (archiviert)

Beitrag auf Facebook (archiviert)

Beitrag auf «Unser Mitteleuropa» (archiviert)

Zum chinesischen Impfstoff (archiviert)

Zu Einsatz von Impfstoffen in 2020 (archiviert)

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