Versicherungen in Frankreich zahlen auch nach Impfung
2.2.2022, 16:09 (CET), letztes Update: 2.2.2022, 16:17 (CET)
Angeblich weigern sich Versicherungen in Frankreich, nach dem Tod eines gegen Covid-19 geimpften Versicherungsnehmers den entsprechenden Versicherungsbetrag auszuzahlen. Denn die Impfung werde als eine Art Selbstmord betrachtet. Das jedenfalls behaupten Impfgegner in Deutschland.
Bewertung
Die Auszahlung von Lebensversicherungen hängt nicht davon ab, ob der Verstorbene geimpft war oder nicht.
Fakten
Konkreter Fall in Frankreich?
Eine deutsche Webseite erklärt zwischen anderen Beiträgen gegen die Covid-Schutzimpfung, Unfallversicherungen in Deutschland zahlten nicht bei Impfschäden aufgrund angeordneter Massenimpfungen. Zudem wird behauptet, in Frankreich habe ein Gericht entschieden, dass eine Lebensversicherung nach dem Tod eines reichen Unternehmers aus Versailles bei Paris nicht zahlen müsse, weil der Verstorbene gegen Covid geimpft gewesen sei.
Er habe «auf eigenes Risiko bei der Coronaimpfung gehandelt». Die «Einnahme von experimentellen Medikamenten» sei von der Versicherungspolice ausdrücklich ausgeschlossen. Das Gericht habe entschieden, die Impfung sei «im wesentlichen Selbstmord». Und bei Selbstmord müsse eine Versicherung nicht bezahlen.
Als Quelle für diese Behauptung wird ein Artikel einer Kinderärztin auf der rechtsextremen Webseite Riposte Laïquegenannt, der dort aber nicht mehr zu finden ist. Wann immer in Frankreich über den Fall des reichen Mannes mit der nicht ausgezahlten Lebensversicherung berichtet wird: Es gibt nirgendwo eine Angabe darüber, wann welches Gericht an welchem Ort die angebliche Entscheidung getroffen haben soll. In einem archivierten Artikel der Autorin, der sich allgemein mit Versicherungsfragen bei Covid-Schutzimpfungen befasst, fehlt der geschilderte angebliche Fall.
Laut der deutschen Webseite hat der französische Anwalt Carlo Alberto Brusa den Fall als Vertreter der Familie publik gemacht. Brusa ist mehrfach gegen Corona-Maßnahmen in Frankreich eingetreten. Seine Kanzlei erklärte der dpa allerdings auf Nachfrage, dass Brusa «nichts mit dieser Angelegenheit zu tun» und man nicht wisse, ob sie überhaupt real sein.
Auch ein Sprecher des Verbandes France Assureurs, der die großen Versicherungsunternehmen des Landes vertritt, sagte der Nachrichtenagentur dpa, er wisse nichts von einem solchen Urteil. Der rechtliche Rahmen erlaube es einer Versicherungsgesellschaft nicht, die Auszahlung einer Lebensversicherung im Fall eines Ablebens nach einer Impfung abzulehnen. Zwar zahlten die Versicherungen nicht, wenn sich ein Versicherungsnehmer innerhalb eines Jahres nach Abschluss der Versicherung das Leben nehme. Die Versicherungen betrachteten eine Impfung gegen Covid-19 aber keinesfalls als Selbstmord.
Das gleiche gilt übrigens für die Lebensversicherungen in Belgien, sagte eine Sprecherin des dortigen Verbandes Assuralia. Zudem werde der Impfstoff gegen Covid-19 nicht als «experimentell» betrachtet.
Covid-Schutzimpfung ist nicht «experimentell»
Die Behauptung, die Impfstoffe seien «experimentell», wird immer wieder erhoben - ungeachtet der Wirklichkeit. Richtig ist, dass die Impfstoffe wegen der dringlichen Pandemie-Lage zunächst eine auf ein Jahr befristete «bedingte Marktzulassung» erhielten. Dies setzt allerdings voraus, dass die Impfstoffe zuvor umfassend getestet wurden. Die «bedingte Marktzulassung» ist zu unterscheiden von einer «Notfallzulassung», bei der es sich um die vorübergehende Anwendung eines nicht zugelassenen Impfstoffs handelt. Einzelheiten der Zulassungen und der damit verbundenen Haftungsfragen werden in diesem Papier der EU-Kommission erklärt.
Versicherungen in Deutschland
Das offenkundig frei erfundene Gerichtsurteil aus Frankreich gehört zu einer Reihe von zum Teil falschen oder zumindest irreführenden Behauptungen über die Covid-19-Impfstoffe. So wird auf der deutschen Webseite auch behauptet, die Unfallversicherung des Allgemeinen Deutschen Automobil-Clubs (ADAC) zahle nicht bei Impfschäden aufgrund angeordneter Massenimpfungen. Zudem wird auf andere Versicherungen in Deutschland verwiesen, die mitteilten, dass sie nicht für Gesundheitsschäden infolge einer Corona-Schutzimpfung zahlten.
Diese Angaben sind zwar grundsätzlich nicht falsch, doch hat das Verhalten der Versicherungen nichts mit der Corona-Pandemie zu tun. So verweist der ADAC darauf, dass bereits seit 2007 «Impfschäden aufgrund angeordneter Massenimpfungen» ausdrücklich von der Unfallversicherung ausgenommen seien.
Unfallversicherungen würden Impfschäden nicht standardmässig mitversichern, informierte der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft im Mai 2021. Je nach Versicherungsvertrag böten gewisse Versicherungen Schutz bei Schädigungen nach bestimmten Impfungen. So bezieht sich das abgebildete Schreiben der Haftpflichtkasse auf einen alten Versicherungsvertrag, den die Versicherung gar nicht mehr anbietet.
Staat haftet für gesundheitliche Schäden
Bei langfristigen gesundheitlichen Beeinträchtigungen aufgrund der Corona-Impfung haftet in Deutschland der Staat. «Für alle gesundheitlichen Schäden, die im Zusammenhang mit Schutzimpfungen eingetreten sind, die auf Grundlage der Coronavirus-Impfverordnung seit 27. Dezember 2020 vorgenommen wurden, [besteht] bundeseinheitlich ein Anspruch auf Entschädigung.» Dies regelt das deutsche Infektionsschutzgesetz.
(Stand: 02.02.2022)
Links
Über Carlo Alberto Brusa (archiviert)
Kanzlei von Brusa (archiviert)
dpa-Faktencheck zur Notfallzulassung
ADAC auf Twitter 1 (archiviert)
ADAC auf Twitter 2 (archiviert)
GDV: Versicherung bei Impfschäden, 14.05.2021 (archiviert)
dpa-Faktencheck zur Haftpflichtkasse
Bundesgesundheitsministerium: Haftung bei Impfschäden (archiviert)
Kontakt zum dpa-Faktencheckteam: faktencheck@dpa.com