«Entgiftung» nach einer Corona-Impfung weder wirksam noch nötig

27.1.2022, 17:32 (CET)

Ein auf sozialen Netzwerken geteilter Artikel rät dazu, nach einer Impfung gegen Covid-19 verschiedene Nahrungsergänzungsmittel, Gewürze sowie Medikamente einzunehmen (archiviert). Damit könne man den Körper von Spike-Proteinen «entgiften». Denn Spike-Proteine – Bestandteile des Coronavirus – «zirkulierten» dem Artikel zufolge nach einer Impfung im Körper und könnten «Zellen, Gewebe und Organe» schädigen. Auch nach einer Infektion mit Covid-19 sei eine «Entgiftung» angezeigt.

Bewertung

Es gibt keine Belege dafür, dass nach einer Impfung gegen Sars-CoV-2 im Körper Spike-Proteine «zirkulieren» und eine «Entgiftung» nötig machen. Einige der genannten Mittel können sogar schädlich sein, besonders in hohen Dosen. Auch bei einer Infektion mit dem Coronavirus raten Verbraucherschutzzentralen vor Nahrungsergänzungsmitteln ab.

Fakten

Spike-Proteine sind die Stacheln, die das Coronavirus auf seiner Oberfläche trägt. Bei einer Infektion dringt das Virus mithilfe dieser Stacheln in Körperzellen ein und vermehrt sich. So kann es Schaden im Körper anrichten.

Bei einer mRNA-Impfung gegen Sars-CoV-2 wird jedoch nicht das ganze Virus injiziert, sondern lediglich Bauanleitungen für das Spike-Protein. Damit stellen Körperzellen Kopien des Spike-Proteins her, die ohne das restliche Virus nicht vermehrungsfähig sind.

Sie bleiben meist in der Oberfläche der Zelle stecken, die sie hergestellt hat – vor allem in Muskelzellen nahe der Einstichstelle sowie in nahegelegenen Lymphknoten (siehe diese Studie und diese Studie). Oder sie werden in den Zellzwischenraum ausgeschieden, wo das Immunsystem auf sie reagiert.

«Es ist kein lösliches Protein, es schwimmt also nicht in großen Mengen im Organismus herum», sagte der Dortmunder Immunologe Carsten Watzl der Deutschen Presse-Agentur. Zudem sei das Spike-Protein, das der Körper nach der Impfung herstellt, nicht identisch mit jenem am Virus. «Es ist nicht mehr so sehr in der Lage, an den Rezeptor der menschlichen Zellen zu binden, seine Form zu verändern und mögliche toxische Effekte auszulösen», so Watzl.

Laut der auf Infektionskrankheiten spezialisierten US-amerikanischen Organisation Infectious Diseases Society of America verbleibt das Spike-Protein zudem nur so lange im Körper wie andere Proteine, die der Körper selbst herstellt: schätzungsweise einige Wochen. Der Abbau geschehe durch die natürliche Zellerneuerung des Körpers sowie durch Prozesse des Immunsystems – ganz ohne Medikamente oder Nahrungsergänzungsmittel.

Auch bei einer Infektion mit dem Coronavirus könnten die im Artikel genannten Nahrungsergänzungsmittel wenig ausrichten. «Es gibt keine Nahrungsergänzungsmittel, die eine Erkrankung mit dem neuartigen Coronavirus (Sars-CoV-2) verhindern können», warnten die Verbraucherzentralen Anfang Januar, und: «Nahrungsergänzungsmittel dienen auch nicht der Behandlung von Erkrankungen». Bisher gebe es noch keine verlässliche Studie, die eine schützende Wirkung von bestimmten Pflanzen, Vitaminen oder Mineralstoffen gegen das Virus beweisen würde.

So findet sich auch keines der im Artikel genannten Mittel auf einer Liste der Substanzen mit nachgewiesenem Nutzen in der Behandlung von Covid-19, die die Fachgruppe Intensivmedizin, Infektiologie und Notfallmedizin zusammengestellt hat. Diese Fachgruppe unterstützt das Robert Koch-Institut bei Fachfragen im Management von Covid-19-Fällen.

Für Vitamin C gebe es keine Empfehlung, schreibt die Fachgruppe. Die Gabe von Vitamin D empfehle man nur bei einem Mangel. Hydroxychloroquin habe in der Behandlung von Covid-19 keinen Nutzen, jedoch Nebenwirkungen wie Herzrhythmusstörungen und Augenkrankheiten. Und in Bezug auf das Medikament Ivermectin, ein Mittel gegen bestimmte Fadenwürmer und Krätzemilben, heißt es: Die bisherigen Studien seien methodisch unzureichend. Ein Einsatz sei bei Covid-19 nur im Rahmen von kontrollierten klinischen Studien empfohlen. Es gebe ein «Risiko der schweren Toxizität bei unkontrollierter Anwendung».

Der Artikel über die angebliche «Entgiftung» verweist auf einen Zusammenschluss, der sich «World Council of Health» nennt - hier als «Weltgesundheitsrat» übersetzt. Es gibt ein gleichnamiges Entscheidungsgremium der Weltgesundheitsorganisation (WHO), einer Organisation der Vereinten Nationen. Doch mit der WHO hat das im Artikel zitierte «World Council of Health» nichts zu tun.

(Stand: 26.1.2022)

Links

Artikel über «Entgiftung» (archiviert)

RKI-Impfbuch (archiviert)

RKI-mRNA-Informationen (archiviert)

Studie zu Impfstoffen (archiviert)

Studie zu Impfstoffen (archiviert)

CDC-mRNA-Informationen (archiviert)

Informationen zu Nahrungsergänzungsmitteln (archiviert)

Medikamentöse Therapie bei Covid-19 (archiviert)

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