Spiegel TV suchte Statisten für nachgestellte Szene, nicht für echte Proteste

21.01.2022, 17:20 (CET)

Die Beschuldigung ist nicht neu: Menschen sollen angeblich dafür bezahlt werden, an Demonstrationen teilzunehmen. Aktuell werden in sozialen Netzwerken Screenshots einer Mail verbreitet, in der es um einen Dreh für eine ZDF-Produktion geht. Darin ist von einer Aufwandsentschädigung die Rede, laut Signatur stammt der Text von einer Spiegel-TV-Mitarbeiterin. Ein Kommentar zu den Screenshots (archiviert): «So läuft das mit den sogenannten "Gegendemos": Bezahlt von Ihren Fersehgebühren und Gates.» (Fehler im Original) Das klingt verwegen - doch an der Sache ist nichts dran.

Bewertung

Es stimmt zwar, dass Spiegel TV Statisten für eine ZDF-Sendung suchte. Doch sollten diese Menschen lediglich eine Szene mit Maßnahmengegnern aus dem Oktober 2020 nachstellen. Diese Statisten waren nie für echte Gegenproteste zu «Querdenker»-Veranstaltungen vorgesehen.

Fakten

Stein des Anstoßes ist eine im Netz verbreitete E-Mail von Spiegel TV, in der potenzielle Statisten für Dreharbeiten für das ZDF-Magazin «Terra Xpress» Informationen über ihren geplanten Einsatz am 18. Januar 2022 im bayerischen Neustadt an der Waldnaab erhalten.

In diesem Schreiben heißt es unter anderem: «Ihr seid eine Gruppe von protestierenden Menschen, die auf einen Aufruf des Bürgermeisters gegen die Teilnahme an Corona-Leugner-Demos reagiert und über 5 Wochen hinweg zu Montagsdemos vor dem Rathaus aufgelaufen sind.» Die Kleidung solle so gewählt werden, um sich für ein bis zwei Stunden im Freien aufhalten zu können.

Die Vorwürfe, hier gehe es um bezahlte Gegendemonstranten, sind jedoch unbegründet. Denn nach eigener Aussage produziert Spiegel TV für das ZDF eine Reportage zum Thema Zivilcourage. In einer öffentlichen Stellungnahme vom 16. Januar schreibt die Produktionsfirma: Es sollen «gelegentlich Szenen, die bestimmte Sachverhalte aus der Vergangenheit thematisieren, in einer kurzen Sequenz beispielhaft nachempfunden werden». Demnach sollten später in der Sendung diese Aufnahmen dann «deutlich als «nachgestellt» gekennzeichnet» werden. Wie branchenüblich erhielten Komparsen für ihre Teilnahme «eine geringe Aufwandsentschädigung», heißt es.

In der Stellungnahme erklärt Spiegel TV weiter: «Im konkreten Fall sollte in einer kurzen Sequenz dargestellt werden, wie Corona-Leugner vor dem Neustädter Rathaus aus Protest gegen die Haltung des Bürgermeisters demonstrieren.»

Im Herbst 2020 hatte Bürgermeister Sebastian Dippold (SPD) heftige Anfeindungen und Morddrohungen erhalten, nachdem er in einem Video heftig gegen die «Querdenker»-Szene ausgeteilt hatte, wie etwa der Regionalsender Oberpfalz TV, der Bayerische Rundfunk oder die Tageszeitung «taz» berichteten.

Die geplanten Dreharbeiten vor dem Neustädter Rathaus fanden am 18. Januar 2022 aber nicht statt. Spiegel TV bestätigte der Deutschen Presse-Agentur einen entsprechenden Bericht der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung».

(Stand: 20.1.2021)

Links

Spiegel-TV-Stellungnahme zur Statisten-Anwerbung auf Facebook (archiviert)

Spiegel-TV-Mail an Statisten (archiviert)

Oberpfalz TV über Bürgermeister Dippold (archiviert; archiviertes Video)

Bayerischer Rundfunk über Bürgermeister Dippold (archiviert)

«taz» über Bürgermeister Dippold (archiviert)

«FAZ» über Spiegel-TV-Statistensuche (archiviert)

Tweet mit Vorwurf der «bezahlten Gegendemonstranten» (archiviert)

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