Staat haftet für mögliche Impfschäden bei allen Fünf- bis Elfjährigen

5.1.2022, 11:44 (CET)

Fünf- bis elfjährige Kinder können seit Mitte Dezember bundesweit gegen Covid-19 geimpft werden. Dass Ärztinnen und Ärzte dabei angeblich ein Haftungsrisiko eingehen, wird derzeit in sozialen Medien verbreitet: Die Bundesrepublik hafte angeblich nicht für Impfschäden bei gesunden Kindern zwischen 5 und 11 Jahren, heißt es etwa (archiviert). Verwiesen wird dabei etwa auf ein Schreiben von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD). Doch stimmt das?

Bewertung

Falsch. Der Staat haftet für etwaige gesundheitliche Schäden nach einer Corona-Impfung, solange diese gemäß der Zulassung erfolgte. Das gilt unabhängig von einer Empfehlung der Ständigen Impfkommission (Stiko).

Fakten

Im Dezember 2021 hat die Stiko Corona-Impfungen für Kinder von fünf bis elf Jahren mit Vorerkrankungen und Kontakt zu Risikopatienten empfohlen. Gesunde Kinder sollen aber auf Wunsch und nach ärztlicher Aufklärung auch geimpft werden können. Bundesweit liefen die Kinder-Impfungen ab der Woche vom 13. Dezember an.

Gesundheitliche Schäden nach Impfungen sind grundsätzlich selten. Treten sie dennoch auf, gilt für die Covid-Impfung nach dem Infektionsschutzgesetz, «dass für alle gesundheitlichen Schäden, die im Zusammenhang mit Schutzimpfungen eingetreten sind, die auf Grundlage der Coronavirus-Impfverordnung seit 27. Dezember 2020 vorgenommen wurden, bundeseinheitlich ein Anspruch auf Entschädigung besteht». Das gelte auch für Kinder-Impfungen, schreibt das Bundesgesundheitsministerium auf seiner Webseite.

Auch die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV), die niedergelassene Ärzte vertritt, schreibt nach der Stiko-Empfehlung für Kinder: «Der Arzt trägt kein Haftungsrisiko für Impfschäden, wenn er die Impfung ordnungsgemäß durchführt.» Dies gelte unabhängig vom Vorliegen einer Stiko-Empfehlung.

Wegen eines Briefes von Bundesgesundheitsminister Lauterbach an die Gesundheitsministerien in den Bundesländern und KBV-Chef Andreas Gassen war die Falschbehauptung aufgekommen, Mediziner und Medizinerinnen hafteten selbst für Impfschäden. Der Vorwurf: Der SPD-Politiker habe in dem Schreiben vom 27. Dezember 2021 mit Verweis auf die Stiko-Empfehlung angeblich mitgeteilt, dass sogenannte «Versorgungsansprüche» bei Impfschäden nur bei vorerkrankten Kindern von fünf bis elf Jahren greife - nicht bei gesunden.

Auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur (dpa) bestätigte das Bundesgesundheitsministerium zwar die Echtheit des Schreibens. An den geltenden Regeln zur Haftung habe sich jedoch nichts geändert. Die Haftung bei Schäden nach Impfungen im Rahmen der Zulassung, wie Covid- Impfungen von Kindern mit dafür zugelassenem Impfstoff, bleibe davon unberührt, teilte ein Sprecher des Ministeriums mit. Der Inhalt des Briefes war in sozialen Medien also offenbar falsch interpretiert worden.

Nur bei sogenannten «off-label-Kinder-Impfungen» gilt die Staats-Haftung laut Bundesgesundheitsministerium nicht. Das betreffe Booster-Impfungen von Kindern und Jugendlichen ohne Immunschwäche sowie Impfungen von Kindern unter fünf Jahren. Diese werden aktuell weder von Stiko noch vom für Impfstoffe zuständigen Paul-Ehrlich-Institut (PEI) empfohlen, wie der Sprecher mitteilte. «Hier übernimmt der Arzt die volle Verantwortung.»

In dem Schreiben bestätigt Lauterbach seinen Ressort-Kolleginnen und -Kollegen in den Ländern und der KBV: Der Bund haftet auch für etwaige Schäden nach Covid-Impfungen, die über die Zulassung der Europäischen Arzneimittelbehörde (EMA) hinausgehen, aber von der Stiko oder PEI empfohlen werden. «Das betrifft aktuell die Verkürzung der Booster-Impfung auf mindestens 3 Monate sowie heterologe (Cross) Booster mit mRNA», teilte ein Sprecher des Gesundheitsministeriums auf dpa-Anfrage mit. Eine heterologe mRNA-Booster-Impfung bedeutet, dass bei Folgeimpfungen (häufig die dritte) der Impfstoff eines anderen Herstellers verwendet wird - also Biontech statt Moderna oder umgekehrt.

(Stand: 3.1.2022)

Links

Stiko-Empfehlung zur Impfung von Kindern zwischen fünf und elf Jahren (archiviert)

dpa-Bericht zum Start der Corona-Impfungen für Fünf- bis Elfjährige, veröffentlicht von «Business Insider» (archiviert)

Bundesgesundheitsministerium zur Haftung für etwaige gesundheitliche Schäden nach Kinder-Impfung gegen Covid-19 (archiviert)

Kassenärztliche Bundesvereinigung zur Impfempfehlung für Fünf- bis Elfjährige und zur Haftung (archiviert)

Facebook-Beitrag mit Falschbehauptung (archiviert)

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