Impfung bleibt der beste Schutz gegen Coronavirus - RKI-Zahlen bestätigen keine Wirkungslosigkeit

15.12.2021, 17:11 (CET)

Wenn eine Corona-Impfung schon länger zurückliegt oder neue Varianten den Immunschutz umgehen, können auch mehr vollständig Geimpfte an Covid-19 erkranken. Diese Tatsache wird in sozialen Medien zum Anlass für Spekulationen genommen. «Die Impfung wirkt nicht, liebe Impf-Fanatiker. Das RKI bestätigt das sogar», heißt es in einem Facebook-Beitrag (hier archiviert). Dazu wird ein Foto einer Tabelle gezeigt, die eine Auflistung des Robert Koch-Instituts (RKI) zu Impfdurchbrüchen zeigen soll. Beweisen diese Zahlen wirklich eine Wirkungslosigkeit der Corona-Impfung?

Bewertung

Die Interpretation der RKI-Zahlen ist falsch. Impfungen bleiben der beste Schutz vor einem schweren Corona-Verlauf. Das sieht auch das RKI so. Denn obwohl es deutlich weniger Ungeimpfte als Geimpfte in der Bevölkerung gibt, sind sie bei den schweren Krankheitsverläufen oder Todesfällen überrepräsentiert.

Fakten

Die gezeigte Tabelle mit den Zahlen zu Impfdurchbrüchen stammt aus dem RKI-Wochenbericht vom 25. November 2021. Daraus geht unter anderem hervor, dass in der Altersgruppe der über 60-Jährigen der Anteil der geimpften Corona-Intensivpatienten bei 46,4 Prozent lag. Der Anteil der verstorbenen Menschen mit einem Corona-Impfdurchbruch lag in dieser Altersgruppe bei 52,5 Prozent. Die Zahlen beziehen sich auf die Kalenderwochen 43 bis 46 und beschreiben nur Fälle, in denen dem RKI der Impfstatus der Patienten bekannt war.

Das RKI bestätigt mit diesen Zahlen jedoch nicht die Wirkungslosigkeit der Impfung. Stattdessen betont das RKI immer wieder das Gegenteil: «Eine Impfung ist der beste Schutz vor schweren Erkrankungen. Je mehr Personen geimpft sind, desto weniger Patientinnen und Patienten müssen insgesamt mit einer COVID-19- Infektion im Krankenhaus behandelt werden», schreibt das RKI auf einem Infoblatt, das über den hohen Anteil geimpfter Covid-Patienten aufklärt.

Die Wahrscheinlichkeit, schwer an Covid-19 zu erkranken, sei nach derzeitigem Wissensstand bezogen auf die Delta-Variante bei vollständig Geimpften um etwa 90 Prozent geringer als bei den Ungeimpften. Die Impfung schützt also sehr gut, aber nicht 100-prozentig vor einer Erkrankung. Je mehr Personen geimpft sind und je mehr Personen sich insgesamt mit Corona infizieren, umso mehr Impfdurchbrüche sind zu beobachten. Klarer wird die Wirksamkeit des Impfschutzes, wenn man das Verhältnis zwischen Geimpften und Ungeimpften in der Bevölkerung mit ihrem Anteil an schweren Erkrankungen vergleicht.

Nur etwa 13 bis 14 Prozent der Über-60-Jährigen sind in Deutschland derzeit laut RKI nicht geimpft. Trotzdem stellten sie in der Auflistung aus dem RKI-Wochenbericht vom 25. November 2021 die Mehrheit der Covid-Intensivpatienten und fast die Hälfte der Todesfälle.

Hinzu kommt, dass der Immunschutz nachlässt und zwar besonders bei älteren Menschen wie den über 60-Jährigen. Ihre Impfung liegt oft am längsten zurück und ihr Immunsystem kann durch Vorerkrankungen und Alter ohnehin schwächer sein. So werden schwere Krankheitsverläufe in dieser Gruppe wieder wahrscheinlicher. Die Ständige Impfkommission (Stiko) empfiehlt deshalb derzeit die Auffrischung der Impfung besonders für Menschen ab 70 Jahren, Pflegepersonal und Menschen mit Störungen in der Funktion des Immunsystems.

Es ist auch möglich, dass die Datengrundlage des RKI für eine Verzerrung sorgt. «Der RKI-Wochenbericht rechnet leider die Patientinnen und Patienten mit unbekanntem Impfstatus komplett heraus», schreibt die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) auf ihrer Facebook-Seite. Ein unbekannter Impfstatus stelle sich jedoch im Laufe des Krankenhausaufenthalts häufig als ungeimpft heraus. «Insofern ist davon auszugehen, dass der Anteil der Ungeimpften deutlich höher ist, als im RKI-Bericht ausgewiesen», so die DKG.

Erst kürzlich kursierten falsche Behauptungen über geimpfte Corona-Patienten auf den Intensivstationen auch mit Verweis auf das Statistische Bundesamt als angebliche Quelle. Die AfD-Fraktionsvorsitzende Alice Weidel hatte in einem TV-Interview behauptet, Daten der Behörde hätten gezeigt, dass in den Krankenhäusern nicht überwiegend Ungeimpfte, sondern Geimpfte auf den Intensivstationen lägen. Das Statistische Bundesamt (Destatis) wies die Behauptung zurück: «Bei uns gibt es keine Daten zum Impfstatus von Intensivpatientinnen und -patienten», schrieb die Behörde auf Twitter.

(Stand: 15. Dezember 2021)

Links

Facebook-Beitrag mit der Behauptung (archiviert)

RKI-Wochenbericht mit der gezeigten Tabelle zu Impfdurchbrüchen (archiviert)

RKI-Informationsblatt «Warum steigende Zahlen von Impfdurchbrüchen kein Zeichen für fehlenden Impfschutz sind» (archiviert)

RKI zur Wirksamkeit der Corona-Impfstoffe (archiviert)

Impfquote gegen das Coronavirus in Deutschland nach Altersgruppen (archiviert)

Stellungnahme der Ständigen Impfkommission zur Priorisierung bei der Auffrischimpfung (archiviert)

Stellungnahme der Deutschen Krankenhausgesellschaft (archiviert)

dpa-Faktencheck zu Alice Weidels Aussagen, veröffentlicht von «Tagesspiegel.de» (archiviert)

Kontakt zum dpa-Faktencheckteam: faktencheck@dpa.com