Duldungspflicht: Die Bundeswehr kann ihre Soldaten zur Covid-Impfung verpflichten

15.12.2021, 14:45 (CET), letztes Update: 15.12.2021, 16:38 (CET)

Ende November 2021 hat das Verteidigungsministerium beschlossen, dass sich die Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr verpflichtend gegen Sars-CoV-2 impfen müssen. In einem Video aus dem Dezember 2021 nehmen Personen, die zum Teil von sich behaupten, sie seien Soldaten der Bundeswehr, dazu Stellung - und verbreiten mehrere Behauptungen: Die Covid-19-Impfung befinde sich «noch immer in der Testphase»; der «Befehl» verstoße gegen die Gesunderhaltungspflicht der Soldaten. Außerdem heißt es unter anderem, die Bundeswehr sei «die Streitkraft des Volkes und nicht der Politiker».(archiviert)

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Mit der Duldungspflicht kann die Bundeswehr ihre Soldaten verpflichten, sich einer Corona-Impfung zu unterziehen.

Fakten

Der Impfstoff ist nicht in der Testphase

Alle Corona-Impfstoffe in der EU wurden aufgrund der dringlichen Pandemie-Lage mittels bedingter Marktzulassung zugelassen. Die Zulassung sollte möglichst schnell erfolgen, trotzdem wurden alle von den Impfstoffentwicklern vorgelegten Nachweise einer «unabhängigen, gründlichen und soliden Prüfung» durch die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) unterzogen. Außerdem mussten die Hersteller nach einem Jahr die Zulassung neu beantragen. Die EMA hat die Zulassungen bereits verlängert.

Aktuellen Schätzungen zufolge haben 56 Prozent der Weltbevölkerung mindestens eine Covid-19-Impfung erhalten. Die Vakzine werden seit Ende Dezember 2020 verimpft, also seit knapp einem Jahr. Davor wurden sie bereits in klinischen Studien verwendet. Pauschale Behauptungen, die Impfstoffe würden im Winter 2021 noch getestet, sind falsch.

Zur Duldungspflicht der Impfung

Wieso ist bei der Bundeswehr eine Impfpflicht durchsetzbar? Und verträgt sich diese mit der «Gesunderhaltungspflicht»? «Der Soldat muss ärztliche Maßnahmen gegen seinen Willen nur dann dulden, wenn sie 1. der Verhütung oder Bekämpfung übertragbarer Krankheiten dienen oder 2. der Feststellung seiner Dienst- oder Verwendungsfähigkeit dienen», heißt es in Paragraf 17a (Absatz 2) Soldatengesetz. Das bedeutet: In diesen Fällen kann die Bundeswehr in das Recht auf körperliche Unversehrtheit eingreifen.

Diese sogenannte Duldungspflicht ist zuletzt im Dezember 2020 gerichtlich bestätigt worden. In diesem Urteil wird erwähnt, dass das Bundesverwaltungsgericht schon am 24. September 1969 das Mittel einer Duldungspflicht für Soldaten erlaubt hat. Gesetzlich verankert ist die Duldungspflicht seit März 1956 - seitdem das Soldatengesetz verabschiedet wurde.

Wie ein Sprecher des Verteidigungsministeriums auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur (dpa) mitteilte, sei die Duldungspflicht ein «Stützpfeiler für den Erhalt der Führungsfähigkeit und Einsatzbereitschaft der Bundeswehr». Mehrere Gremien hätten der Aufnahme der Corona-Impfung zugestimmt, auch Personalräte der Bundeswehr. Sars-CoV-2-Impfstoffe erfüllten «alle Voraussetzungen der Arzneimittelsicherheit und -wirksamkeit». Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sei aber natürlich auch hier zu beachten, insbesondere mit Blick auf mögliche Impfnebenwirkungen.

Die Impfung schützt

Der Hauptzweck der Impfung ist es, schwere Verläufe der Lungenkrankheit Covid-19 sowie Todesfälle zu verhindern. Diese Schutzwirkung erreicht sie mit bis zu 90-prozentiger Wirksamkeit.

Die Impfung schützt nicht zu 100 Prozent vor einer Ansteckung mit Sars-CoV-2. Nach Stand vom Herbst 2021 geht das Robert Koch-Institut davon aus, dass geimpfte Personen, die sich trotz Impfung infizieren, weniger infektiös sind als ungeimpfte infizierte Personen - in welchem Maß sei aber noch unklar. Die Infektionsschutzwirkung der Covid-Impfung lässt nach, je länger sie zurückliegt. Darum wird seit Herbst 2021 die Booster-Impfung empfohlen.

Zusammengefasst: Der Nutzen der Impfstoffe gegen das Coronavirus überwiegt mögliche Risiken weitaus. Häufig treten ungefährliche Impfreaktionen wie Schmerzen an der Einstichstelle oder Fieber auf. Schwere Nebenwirkungen wie starke allergische Reaktionen oder Sinusvenenthrombosen gibt es sehr selten.

Die Bundeswehr ist eine Parlamentsarmee

Im Grundgesetz steht, dass die Bundesministerin für Verteidigung die Befehls- und Kommandogewalt über die Streitkräfte hat. Außerdem ist die Bundeswehr eine Parlamentsarmee: Der Bundestag hat mehrere Möglichkeiten, die Bundeswehr zu kontrollieren. Das Verteidigungsministerium verweist auf Anfrage auf das Selbstverständnis der Bundeswehr, dort heißt es: «Wir.Dienen.Deutschland».

Handelt es sich im Video tatsächlich um Soldaten?

Das ist unklar. Das Verteidigungsministerium wollte dazu aus Datenschutzgründen keine Auskunft erteilen.

(Stand: 15.12.2021)

Links

Meldung Impfpflicht Bundeswehr (archiviert)

Faktencheck zur Zulassung der Impfstoffe

Zur weltweiten Impfquote (archiviert)

Zu Vorstudien (archiviert)

§17a Absatz 2 Soldatengesetz (archiviert)

Urteil vom Dezember 2020 zur Duldungspflicht (archiviert)

Bundeswehr zur Duldungspflicht (archiviert)

dpa-Bericht zum aktuellen Beschluss (archiviert)

Soldatengesetz in der Fassung von 1956

Faktencheck zur Wirksamkeit der Impfung (1)

RKI zur Infektiosität von Geimpften (archiviert)

Faktencheck zur Wirksamkeit der Impfung (2)

Faktencheck zur Wirksamkeit der Impfung (3)

Art.65 Grundgesetz (archiviert)

Zur Parlamentsarmee (archiviert)

Zum Selbstverständnis der Bundeswehr (archiviert)

Post (archiviert) (Video archiviert)

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