Geimpfte Corona-Tote und angebliche Spätfolgen: Blogbeitrag mit vielen Falschbehauptungen zur Impfung

06.12.2021, 14:37 (CET)

Menschen mit Corona-Impfung sind besser vor schweren Verläufen und Krankenhausaufenthalten geschützt als solche ohne Impfung. Je mehr Menschen geimpft sind, desto mehr Geimpfte infizieren sich aber trotzdem mit der Krankheit. Ein Blogbeitrag (archiviert) sieht darin Belege dafür, dass die Impfung kaum Schutzwirkung habe, nicht sicher seien und Spätfolgen vermeintlich nicht abzusehen. Außerdem gebe es angeblich eine deutlich bessere Alternative zur Behandlung von Covid-19: Ivermectin. Was ist dran an solchen Behauptungen?

Bewertung

Behauptungen in dem Beitrag sind falsch oder ihnen fehlt wichtiger Kontext. Impfungen gegen Corona sind nachweislich sicher und wirksam. Ivermectin ist in Deutschland nicht zur Behandlung von Corona zugelassen - wegen der fehlenden Wirksamkeit. Ein Großteil der Corona-Toten in Großbritannien war 70 Jahre und älter.

Fakten

Fakt 1: Die meisten Corona-Toten in Großbritannien waren 70 Jahre und älter

Der Blogbeitrag bezieht sich auf Daten aus dem offiziellen Vaccine Surveillance Report (Impfstoff-Überwachungsbericht) aus Großbritannien. Tatsächlich starben demnach im Jahr 2021 zwischen den Kalenderwochen 42 und 45 (18. Oktober bis 14. November) 3676 Menschen innerhalb von vier Wochen nach einem positiven Corona-Befund. Davon waren 2875 zweifach geimpft (78 Prozent), 675 hatten keinen Impfschutz. Es stimmt also, das rund 80 Prozent der in dem Zeitraum in Großbritannien gestorbenen Corona-Patienten doppelt geimpft waren.

Drei Viertel der Todesfälle traten jedoch in der Gruppe der Menschen ab 70 Jahren auf: Insgesamt starben hier 2742 Menschen, 2334 davon zweifach geimpft - 85 Prozent. Bei den Menschen zwischen 60 und 69 waren 68 Prozent der Gestorbenen zweifach geimpft, bei der Gruppe zwischen 50 und 59 Jahren 50 Prozent, bei der Gruppe unter 50 nur noch 34 Prozent.

Also starben vor allem ältere Menschen, die schon allein aufgrund ihres Alters zur Corona-Risikogruppe gehören, trotz doppelter Corona-Impfung kurz nach einer Infektion. In dem Report selbst heißt es dazu: «Bei einer sehr hohen Durchimpfungsrate in der Bevölkerung ist selbst bei einem hochwirksamen Impfstoff damit zu rechnen, dass ein großer Teil der Fälle, Krankenhausaufenthalte und Todesfälle bei geimpften Personen auftritt.» Kein Impfstoff sei zu 100 Prozent wirksam. Insbesondere Risikopatienten, die zu Beginn der Impfkampagne geimpft wurden, könnten häufiger mit als tatsächlich an Covid-19 sterben.

Weiterhin nimmt der Impfschutz nach einer gewissen Zeit ab, vor allem bei älteren Menschen. Deshalb empfiehlt die Ständige Impfkommission (Stiko) in Deutschland insbesondere Menschen ab 70 Jahren eine Auffrischimpfung. Das ist allerdings kein Beleg dafür, dass die Impfung nicht wirksam ist, wie die Deutsche Presse-Agentur (dpa) bereits in einem Faktencheck dargelegt hat.

Fakt 2: mRNA-Impfung ist kein «Genexperiment»

Eine Impfung mit der mRNA-Technologie, auf der die Corona-Mittel von Moderna und Biontech/Pfizer beruhen, können das menschliche Erbgut nicht verändern. Das hat dpa bereits in mehreren Faktenchecks (hier und hier) erklärt. Die Informationen der RNA werden nicht in die menschliche DNA eingebaut. Es handelt sich bei der Impfung also nicht um «Genversuche» an Menschen.

Fakt 3: Schnelle Zulassung durch bessere Zusammenarbeit

Warum wurden die Impfstoffe nun aber so schnell zugelassen - viel schneller als bei anderen Krankheiten? Das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) betont, dass die zugelassenen Corona-Impfstoffe alle Phasen der Arzneimittelentwicklung erfolgreich durchlaufen haben - «ohne Abstriche bei der Sorgfalt». Aufgrund der weltweiten Pandemie wurde die Zusammenarbeit in der Impfstoffentwicklung demnach besser organisiert. Teilweise liefen klinische Prüfungsphasen, die sonst nacheinander stattfinden, gleichzeitig.

Fakt 4: Alle Nebenwirkungen treten kurz nach der Impfung auf

Auch beim Thema der vermeintlichen Spätfolgen durch Impfstoffe gibt es Missverständnisse. Es handelt sich dabei um «Nebenwirkungen, die zwar innerhalb von wenigen Wochen nach der Impfung auftreten, die aber so selten sind, dass es manchmal Jahre braucht, bis man sie mit der Impfung in Zusammenhang gebracht hat», erklärt Carsten Watzl, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Immunologie, der dpa.

Dass «ich heute geimpft werde und nächstes Jahr eine Nebenwirkung auftritt, das gibt es nicht, hat es noch nie gegeben und wird auch bei der Covid-19-Impfung nicht auftreten», so Watzl. Vielmehr hält er Covid-19-Impfstoffe aufgrund der großen Anzahl der bereits verimpften Dosen «in Bezug auf Langzeitfolgen also bereits besser erforscht als andere Impfungen».

Fakt 5: Angebliche «Impftote» sind lediglich Verdachtsfälle

Die Angaben zu angeblichen Impftoten in dem Blogbeitrag sind falsch. Bei den genannten 1802 Todesfällen im zeitlichen Zusammenhang mit der Impfung handelt es sich um Verdachtsfälle, nicht um bestätigte Todesfälle durch die Impfung.

Im PEI-Sicherheitsbericht aus dem Oktober heißt es, eine Analyse der Daten ergebe «keine wesentliche Änderung» zu vorhergehenden Sicherheitsberichten. Genaue Angaben zu einem möglichen oder wahrscheinlichen «ursächlichen Zusammenhang» finden sich zuletzt im Sicherheitsbericht aus dem August. Dort listet das PEI 48 Fälle, bei denen es einen «ursächlichen Zusammenhang» zwischen den Todesfällen und der jeweiligen Impfung für «möglich oder wahrscheinlich» hält.

Auch bei den Meldungen von schwerwiegenden Nebenwirkungen handelt es sich lediglich um Verdachtsfälle, wie die dpa bereits in einem Faktencheck erklärt hat.

Bekannte, aber sehr seltene Nebenwirkungen der Corona-Impfung sind Herzmuskel- oder -beutelentzündungen, von denen insbesondere junge Männer betroffen sind, schreibt das PEI. Die meisten der Fälle verlaufen demnach milde. Aufgrund der Erkenntnisse passte die Stiko ihre Impf-Empfehlung an: Menschen unter 30 sollen nur noch mit dem Impfstoff von Biontech/Pfizer geimpft werden, weil da das Risiko einer solchen seltenen Nebenwirkung geringer ist.

Fakt 6: Fehlgeburtenrate bleibt gleich

Die Berechnung im Blogbeitrag von Fehlgeburten durch Corona-Impfungen beruhen ebenfalls auf falschen Zahlen, wie die dpa bereits gezeigt hat. Es gibt keine Belege dafür, dass Corona-Impfungen in der Schwangerschaft das Risiko für Fehlgeburten steigern.

Fakt 7: Ivermectin nicht gegen Corona zugelassen

Das angepriesene angebliche Corona-Heilmittel wie das Entwurmungsmittel Ivermectin eignet sich nach derzeitiger Studienlage außerhalb klinischer Studien nicht zur Behandlung von Covid-19-Patienten zugelassen. Auch das hat die dpa bereits dargelegt.

(Stand: 6.12.2021)

Links

Blogbeitrag (archiviert)

Vaccine Surveillance Report aus Großbritannien (archiviert)

Stiko zur Auffrischimpfung (archiviert)

dpa-Faktencheck zur Wirksamkeit der Impfstoffe

dpa-Faktencheck zu mRNA-Impfstoffen 1

dpa-Faktencheck zu mRNA-Impfstoffen 2

PEI zur Impfstoff-Entwicklung (archiviert)

Virologe Watzl zu Langzeitfolgen (archiviert)

PEI-Sicherheitsbericht vom 26.10.2021 (archiviert)

PEI-Sicherheitsbericht vom 19.08.2021 (archiviert)

dpa-Faktencheck zu Nebenwirkungen

Stiko-Impfempfehlung für Menschen unter 30 (archiviert)

RKI über Corona-Impfung in der Schwangerschaft (archiviert)

dpa-Faktencheck zu Fehlgeburten

dpa-Faktencheck zu Ivermectin

Kontakt zum dpa-Faktencheckteam: faktencheck@dpa.com