Resolutionen des Europarats sind Empfehlung und nicht rechtsverbindlich

2.12.2021, 17:21 (CET)

Während in Deutschland über eine Corona-Impfpflicht diskutiert wird, wurde diese in Österreich im November bereits angekündigt. Das rief viele Kritiker auf den Plan. Bei Facebook (archiviert) kursiert in diesem Zusammenhang die Behauptung, der Europarat habe in seiner Resolution 2361/2021 beschlossen, dass «niemand gegen seinen Willen unter Druck» geimpft werden dürfe. An anderer Stelle heißt es, der «Europäische Gerichtshof» habe endgültig über das Verbot von «Zwangsimpfungen» entschieden. Die Mitgliedsstaaten müssten die «Standards» und «Verpflichtungen» anwenden. Ein Handeln gegen die Resolution sei «ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit».

Bewertung

Falsch. Die Parlamentarische Versammlung des Europarats hat in der Resolution 2361/2021 vom 27. Januar 2021 festgehalten, alle Bürger müssten darüber informiert sein, dass die Corona-Impfung nicht verpflichtend sei. Resolutionen der Parlamentarischen Versammlung sind für die Mitgliedsstaaten aber nicht rechtsverbindlich. Daher kann beispielsweise Österreich unabhängig davon eine Corona-Impfpflicht beschließen.

Fakten

Dieselben Behauptungen in ähnlichem Wortlaut kursierten bereits vor ein paar Monaten in Sozialen Medien. Die Beiträge bezogen sich ebenso auf die Resolution 2361/2021.

Zunächst ist der Europarat vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) zu unterscheiden. Der EGMR ist eine von mehreren Einrichtungen des Europarats. Der EGMR (hier, hier) urteilt über Beschwerden von Personen und Staaten, die sich auf «Verletzungen der in der Europäischen Menschenrechtskonvention anerkannten Rechte beziehen». Die von ihm gefällten Urteile sind für die betroffenen Staaten bindend. Am 27. Januar 2021 traf der EGMR aber keine Urteile oder Entscheidungen.

Der Europarat hat unter anderem das Ziel, Menschenrechte zu fördern und zu schützen. Neben dem EGMR ist die Parlamentarische Versammlung eine weitere Einrichtung des Europarats. Diese hat die Resolution 2361/2021 verfasst. Solche Resolutionen sind als Empfehlung an die Mitgliedsstaaten zu sehen. Sie sind nicht rechtsverbindlich, wie aus einer Kurzinformation des Deutschen Bundestags hervorgeht. Auch der Europarat selbst informiert darüber auf seiner Webseite.

«Empfehlungen enthalten an das Ministerkomitee gerichtete Vorschläge, deren Umsetzung in den Zuständigkeitsbereich der Regierungen fällt», heißt es auch in einer Publikationsreihe über die Normsetzung des Europarats. Politischen Einfluss kann eine Resolution demnach aber schon haben.

Die Resolution von 27. Januar 2021 behandelt ethische und praktische Erwägungen in Bezug auf die Covid-19-Impfung. Es geht etwa um Verteilungsfragen oder Fairness bei der Priorisierung. Unter Punkt 7.3. heißt es, alle Bürger müssten darüber informiert sein, dass die Impfung nicht verpflichtend sei. Niemand, der sich nicht impfen lassen wolle, dürfe unter Druck gesetzt oder diskriminiert werden.

Die spätere Resolution 2383 (2021) vom 22. Juni 2021 verweist auf die Resolution 2361. Sie betont aber auch, dass es eine Balance geben müsse zwischen den Interessen der Gesellschaft und den Rechten und der Freiheit des Einzelnen. Hätten Menschen ein signifikant geringeres Übertragungsrisiko von Sars-CoV-2 (Anm. beispielsweise durch eine Impfung), könnten Einschränkungen ihrer Rechte und Freiheiten unter Umständen nicht mehr gerechtfertigt sein - unabhängig von der Situation anderer.

Mitgliedsstaaten können unabhängig von diesen Resolutionen eine Impfpflicht beschließen. Österreich kündigte diese für Februar 2022 bereits an. Details sind noch wenige bekannt, auch das notwendige Gesetz muss noch ausgearbeitet werden. Ersten Informationen zufolge kann aber von einem «Impfzwang» oder von «Zwangsimpfungen» - wie es im Posting heißt - keine Rede sein. Es sind Geldstrafen nach dem Verwaltungsrecht geplant. Experten (hier, hier, hier) äußern in Bezug auf die Impfpflicht keine verfassungsrechtlichen Bedenken.

Michael Lysander Fremuth, Leiter des Ludwig Boltzmann Instituts für Grund- und Menschenrechte, sagte zudem der österreichischen Nachrichtenagentur APA, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) eine allgemeine Impfpflicht bereits 2012 grundsätzlich bejaht und im vergangenen April bestätigt habe. Auch Fremuth betonte, physischer Zwang sei in Österreich nicht zu erwarten.

(Stand 24.11.2021)

Links

Resolution 2361/2021 der Parlamentarischen Versammlung des Europarats (27.1.2021) (archiviert)

Unterscheidung zwischen Europarat und Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte usw. (archiviert)

Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten über Europarat (archiviert)

Europarat über den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (archiviert)

Außenministerium über den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (archiviert)

Kurzinformation des Deutschen Bundestags über Rechtscharakter von Resolutionen der Parlamentarischen Versammlung des Europarats (archiviert)

Europarat über Parlamentarische Versammlung (archiviert)

Publikationsreihe über die Normsetzung des Europarats (archiviert)

Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR): (archiviert)

Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR)(archiviert 25.5.2021)

Faktencheck von «correctiv» (archiviert)

Resolution 2383 (2021) der Parlamentarischen Versammlung des Europarats (archiviert)

APA-Artikel über Gesetzesentwurf der Corona-Impfpflicht (archiviert)

APA-Artikel über erste Details zur Corona-Impfpflicht (archiviert)

Artikel von «Der Standard» über Impfpflicht und Zwang (archiviert)

APA-Artikel zu Jurist über Impfpflicht (archiviert)

APA-Artikel über Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) zu Impfpflicht (archiviert)

ORF-Artikel über Experten zu Impfpflicht (archiviert)

Bestätigung der allgemeinen Impfpflicht vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) (archiviert)

APA-Interview mit Michael Lysander Fremuth (archiviert)

Facebook-Posting (archiviert)

Kontakt zum Faktencheck-Team der dpa: faktencheck@dpa.com