Schwedische Studie zu Covid-Impfungen belegt keine Schwächung des Immunsystems

11.11.2021, 17:22 (CET)

Bei einer Impfung werden ihre tatsächlichen oder befürchteten Risiken regelmäßig damit verglichen, wie gut ihre schützende Wirkung ist. In Bezug auf eine noch nicht abschließend geprüfte («preprint») Studie aus Schweden wird auf Facebook behauptet, dass die Covid-Impfungen nach sieben Monaten «völlig nutzlos» seien (archiviert). Das Immunsystem sei anschließend sogar «schlechter». Werden die Studienergebnisse hier richtig interpretiert?

Bewertung

Ergebnisse der Studie werden im Post ohne Kontext verbreitet. Der Studie zufolge lässt der Schutz der Impfungen gegen eine symptomatische Infektion mit Sars-CoV-2 im Laufe von sechs Monaten nach und ist spätestens nach sieben Monaten nicht mehr effizient. Der Schutz gegen einen schweren Verlauf bleibt demnach aber bis zu etwa neun Monate lang erhalten - je nach Geschlecht und Alter. Bisherige Studien gehen von einem ähnlichen Schutz-Niveau aus. Falsch sind die pauschalen Behauptungen, dass die Impfungen nach sieben Monaten «völlig nutzlos» seien und das Immunsystem des Empfängers dann «schlechter» sei als vor der Injektion.

Fakten

Die Autorinnen und Autoren der Studie haben drei der verfügbaren Impfstoffe (Biontech/Pfizer, Moderna und Astrazeneca) anhand der Daten einer großen, der schwedischen Bevölkerung entsprechenden Gruppe («Kohorte») überprüft. Dabei haben sie festgestellt, dass verschiedene Faktoren eine wesentliche Rolle bei der Entwicklung der Schutzwirkung nach der Impfung spielen, etwa der verwendete Impfstoff, das Alter und das Geschlecht. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben zwei Formen des Schutzes untersucht: den vor der symptomatischen Infektion an sich und den vor einer Infektion mit schwerem Krankheitsverlauf.

Betrachtet man die Ergebnisse in Bezug auf den Schutz vor der symptomatischen Infektion, so kommt die Studie tatsächlich zu dem Schluss, dass der Schutz vor Infektionen bei den Covid-19-Impfstoffen von Biontech/Pfizer (BNT162b2) und Astrazeneca (ChAdOx1 nCoV-19) nach sieben Monaten statistisch nicht mehr vorhanden ist. Bei dem von Moderna (mRNA-1273) hat der Schutz stark abgenommen. Unterschiede gibt es aber bei den Altersgruppen: Bei jüngeren Menschen etwa stellt die Studie einen längeren Schutz fest.

Die angegebenen Werte, die zu dieser Bewertung führen, sind unterschiedlich: Die Effektivität des Moderna-Wirkstoffs gegen symptomatische Infektionen sinkt nach 180 Tagen demnach auf 59 Prozent und bleibt dann auf diese Stufe. Bei dem von Biontech wird nach sieben Monaten noch eine Effektivität von 23 Prozent erkannt, bei dem von Astrazeneca eine von -19 Prozent.

Der Negativ-Wert hat vermutlich zu der Schlussfolgerung geführt, dass eine Impfung mit Astrazeneca das Krankheitsrisiko angeblich erhöhe. Diese Werte haben aber eine statistische Unschärfe. Das ist etwa daran zu erkennen, dass sowohl Biontech als auch Astrazeneca mit «keine Effektivität» bewertet werden, obwohl es zwischen ihren Ergebnissen eine Spanne von 42 Prozentpunkten gibt.

Der Immunologe Carsten Watzl von der Universität Dortmund schreibt auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur, nach Ablauf der Schutzwirkung einer Impfung vor der reinen Infektion sei das Immunsystem nicht schwächer. Man dürfe diese Zahl nicht überinterpretieren. «Die Daten bei den späteren Zeitpunkten sind recht wackelig, da auch in Schweden die meisten Impfungen noch keine 6 Monate her sind. Daher sind gerade die Werte für >;;;;;;;;;;;;;;;180 Tage mit Vorsicht zu genießen, da die Gruppenzahlen da recht klein werden.»

Der Schutz gegen symptomatische Ansteckungen lasse nach spätestens sieben Monaten nach - der Schutz gegen schwere Covid-19-Verläufe hält der Studie zufolge länger. Insgesamt liegt die Effektivität der drei untersuchten Impfstoffe gegen schwere Verläufe nach sieben Monaten bei 42 Prozent - und sogar bei 80 Prozent, wenn man die Gruppe der Über-80-Jährigen herausrechnet.

Es ist also falsch, pauschal zu behaupten, bei der Biontech-Impfung sei nach sieben Monaten kein Schutz mehr messbar. Die Studie aus Schweden reihe «sich ja in andere Studien ein, die ähnliche Ergebnisse gezeigt haben», ordnet Watzl ein; zu finden etwa hier und hier. Diese Daten hätten eben dazu geführt, dass gerade bei Älteren eine Booster-Impfung empfohlen werde. Auffrischungsimpfungen sind in Deutschland sechs Monate nach der vollständigen Impfung möglich.

Immunologe Watzl weist außerdem auf methodische Einschränkungen der Studie hin. Die Wirksamkeit der Impfstoffe berechnet sich aus dem Vergleich geimpfter und nicht immunisierter Menschen. Ein Problem entsteht, wenn Genesene mit überstandenen Sars-CoV-2-Infektionen zur Vergleichsgruppe gehören, aber nicht als solche identifiziert und eben als nicht immunisiert gewertet werden. Sie verzerren so das Ergebnis des Vergleichs. Laut Watzl können nicht entdeckte Genesene nicht aus der Studie herausgerechnet werden - auch wenn die Wissenschaftler das versucht hätten.

(Stand: 10.11.2021)

Links

Post auf Facebook (archiviert)

Übersichtsseite der schwedischen Studie bei «Lancet» (archiviert)

Informationen zu Professor Carsten Watzl bei der Universität Dortmund (archiviert)

Amerikanische Studie zur Entwicklung der Covid-Impfstoff-Wirksmakeit bei «Lancet» (archiviert)

Studie aus Qatar zur Entwicklung der Wirksmakeit von Covid-Impfstoffen bei «Nature Medicine» (archiviert)

Zur Auffrischungsimpfung (archiviert)

Artikel über Studie (archiviert)

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