Stimmzettel auch mit abgeschnittener Ecke gültig - Markierung dient als Orientierung für Blinde

27.09.2021, 16:52 (CEST), letztes Update: 27.09.2021, 17:03 (CEST)

Immer wieder bezweifeln NutzerInnen im Internet die Legitimität der Bundestagswahl 2021. Vermeintlichen Wahlbetrug gebe es wegen Markierungen am Wahlzettel oder der Beschaffenheit der Wahlurne. In einem Facebook-Beitrag wird behauptet: «Es findet massiver Betrug statt und keiner merkt was. Die Wähler bekommen bereits entwertete Wahlzettel (rechte Ecke oben abgeschnitten). Die Wahlurnen werden nicht amtlich versiegelt.» (hier archiviert) Dazu wird ein Video gezeigt, bei dem ein Mann seinen Wahlgang filmt, was verboten ist. In dem Video klebt eine Wahlhelferin nach Aufforderung mehrere Siegel an die Urne. Stimmt es, dass Wahlzettel durch den Schnitt rechts oben entwertet sind und die Urne versiegelt sein muss?

BEWERTUNG:

Die fehlende Ecke ist eine Orientierungshilfe für blinde und sehbehinderte Menschen. Die Wahlurne muss nicht versiegelt sein. Die Behauptungen aus dem Facebook-Beitrag sind falsch.

FAKTEN:

In der Bundeswahlordnung (BWO) im Paragraf 45, Absatz 2 steht: «Zur Verwendung von Stimmzettelschablonen wird die rechte obere Ecke des Stimmzettels gelocht oder abgeschnitten.» Die fehlende Ecke ist also eine Orientierungshilfe für blinde und sehbehinderte Menschen. Manche Stimmzettel haben dort auch ein Loch. Auch mit dieser Markierung bleibt der Stimmzettel gültig. Gegenteilige Falschinformation kursieren jedoch immer wieder.

«Durch die Markierung kann der Stimmzettel richtig herum in eine Schablone gelegt werden, mit deren Hilfe Blinde eigenständig den Wahlzettel ausfüllen können», erklärt Torsten Resa vom Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverband auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur. Damit auch blinde und sehbehinderte Menschen geheim wählen können, ist jeder Briefwahlzettel gleich beschaffen. Das heißt, jede Wählerin und jeder Wähler, und nicht nur Menschen mit einer Sehbehinderung, erhalten abgeschnittene oder gelochte Exemplare.

In der Bundeswahlordnung im Paragraf 39 ist zudem klar geregelt, wann ein Stimmzettel ungültig und nicht mitgezählt wird. Das ist etwa der Fall, wenn der Stimmzettel nicht amtlich hergestellt ist, zu viele Kreuze enthält oder den Willen des Wählers nicht zweifelsfrei erkennen lässt. Bei der Briefwahl werden Stimmzettel unter anderem ungültig, wenn der Wahlbrief nicht rechtzeitig angekommen ist oder wenn die Unterschrift auf dem Wahlschein - nicht dem Stimmzettel - fehlt. Mit dieser bestätigt man, dass man die Wahl unbeeinflusst getroffen hat.

Wahlurnen müssen nicht mit einem Aufkleber oder ähnlichem versiegelt sein. Vorgeschrieben ist in der Bundeswahlordnung nur, dass die Wahlurne einen Deckel und bestimmte Maße haben muss. Außerdem muss sie verschließbar sein. Wahlurnen sind in Deutschland immer auf mehrere Arten gesichert.

In der Wahlkabine zu filmen oder zu fotografieren, ist verboten. Das steht ebenfalls in der Bundeswahlordnung. Auf das Verbot weist die Wahlhelferin im Video die filmende Person auch hin.

(Stand: 27.9.2021)

Links:

Beitrag mit Video (archiviert) (Video archiviert)

§45 der Bundeswahlordnung, u.a. zur Lochung von Stimmzetteln (archiviert)

dpa-Faktencheck «Gelochte Wahlzettel sind gültig - Orientierung für Blinde»

§39 der Bundeswahlordnung zu ungültigen Stimmen (archiviert)

dpa-Erklärstück zur Briefwahl (archiviert)

Bundeswahlordnung § 51 zu Wahlurnen (archiviert)

dpa-Faktencheck «Wahlurnen werden am Wahltag beaufsichtigt - Video beweist keine Manipulationsgefahr»

§56 der Bundeswahlordnung zur Stimmabgabe und dem Verbot zu filmen (archiviert)

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