Alle Bundestagswahlen in Deutschland waren gültig

24.09.2021, 11:44 (CEST)

Das Bundesverfassungsgericht hat 2012 das damals reformierte Bundeswahlgesetz für verfassungswidrig erklärt. Im Internet wird nun behauptet, alle Wahlen seit 1956 seien ungültig und Bundestag und Bundesrat seien «ohne Legitimation für eine Gesetzgebung». (archiviert)

Bewertung

Das Urteil des Verfassungsgerichts aus dem Jahr 2012 bezieht sich ausschließlich auf die damals noch nicht angewandte Fassung des Bundeswahlgesetzes – es erklärt nicht alle vorangehenden Wahlen für nichtig.

Fakten

Über die Ungültigkeit der Wahl wird ausschließlich in einem Wahlprüfungsverfahren entschieden. Das Bundesverfassungsgericht hat bislang noch keine einzige Wahl für ungültig erklärt.

Bei der im Facebook-Post erwähnten Klage im Jahr 2012 ging es um Überhangmandate. Sie entstehen dann, wenn eine Partei mehr Direktmandate über die Erststimmen erhält als ihr durch die Zweitstimmen Sitze im Bundestag zustehen.

2011 versuchte die damalige Bundesregierung aus CDU, CSU und FDP, die Überhangmandate in den Bundesländern, in denen sie anfallen, zu neutralisieren - durch eine sehr komplizierte Lösung. Gegen diese Wahlrechtsreform klagte ein Zusammenschluss aus SPD, Grünen und mehr als 3000 Bürgern. Die Verfassungsrichter gaben am 25. Juli 2012 der Klage statt: Diese Novellierung des Wahlgesetzes kollidiere mit dem Grundgesetz.

Anders als in dem Sharepic behauptet, erklärten die Karlsruher Richter damit allerdings nicht auch das alte Bundeswahlgesetz für verfassungswidrig. «Verfahrensgegenstand waren allein die Regelungen in der Fassung von 2011», erläuterte der Pressesprecher des Bundesverfassungsgerichts im Oktober 2020 der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Die Aussagen, dass es seit 1956 kein gültiges Wahlgesetz gebe und somit auch alle Bundestagsmitglieder keine Legitimation hätten, sind falsch.

Das Urteil hat auch keine Auswirkung auf die Gesetze und Verordnungen in der Bundesrepublik Deutschland. Dass eine einzige Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts eine Vielzahl längst getroffener Regelungen ungültig machen könnte, ist ohnehin kaum möglich. Erklärt es ein Gesetz für nichtig, wirkt dies zwar tatsächlich auch in die Vergangenheit – und bewirkt rechtlich einen Zustand, als hätte es diese Rechtsnorm nie gegeben. Die Nichtigkeit eines Gesetzes führt aber nicht dazu, dass alle anderen auf seiner Grundlage erlassenen Entscheidungen ungültig würden. Sie bleiben wirksam, so ist es im Bundesverfassungsgerichtsgesetz geregelt.

Immer wieder werden Falschbehauptungen zu Wahlen in den sozialen Medien geteilt. In Faktenchecks hat die dpa bereits dargelegt, dass Wahlen auch bei geringer Beteiligung gültig sind und doppeltes Wählen in Deutschland trotz der Briefwahl ausgeschlossen ist.

(Stand: 23.9.2021)

Links

Beitrag auf Facebook (archiviert)

Wahlprüfungsverfahren (archiviert)

BVerfG-Urteil vom 25.7.2012 (archiviert)

Überhangmandate (archiviert)

bpb zur Wahlrechtsreform (archiviert)

dpa-Faktencheck zur Urteil

Entscheidungen des BVerfG (archiviert)

Bundesverfassungsgerichtsgesetz (archiviert)

dpa-Faktencheck zur Wahlbeteiligung

dpa-Faktencheck zum doppelten Wählen

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