Falsche Angabe zur Sterbewahrscheinlichkeit - Covid-Impfung ist wirksam und sinnvoll

22.09.2021, 20:21 (CEST), letztes Update: 28.09.2021, 15:50 (CEST)

Weltweit sind mehr als zweieinhalb Milliarden Menschen vollständig gegen Covid-19 geimpft und haben damit einen guten Schutz vor einem schweren oder tödlichen Krankheitsverlauf. Trotzdem wird der Nutzen der Impfung nach wie vor angezweifelt. Auf einem Bild, das aktuell auf Facebook kursiert, wird als Zitat verbreitet: «Bei einer Sterbewahrscheinlichkeit von 0,1 % ist es für einen Impfstoff nicht möglich, diese noch weiter zu verringern.» Zugeschrieben werden diese Worte «Prof. Dr. med. Sucharit Bhakdi», einem Arzt für Mikrobiologie im Ruhestand (archiviert). Wird er korrekt zitiert und trifft diese Aussage zu?

Bewertung

Das Zitat ist nicht korrekt wiedergegeben, und die Aussage ist falsch. Die Impfungen sollen nicht nur die Sterbewahrscheinlichkeit verringern, sondern auch vor einem schweren Krankheitsverlauf und einer weiteren Verbreitung des Coronavirus schützen. Im Original bezog sich Bhakdi zudem auf die Altersgruppe unter 70 Jahren - doch auch für dieses Alter liegt die Sterberate nach Einschätzung von Experten höher.

Fakten

Das Zitat ist zunächst einmal deutlich verkürzt. Der Mikrobiologe Sucharit Bhakdi, der in der Vergangenheit bereits mehrfach Corona-Falschinformationen verbreitet hat, äußerte sich zur angeblichen Sterbewahrscheinlichkeit im Gespräch mit einem Youtuber im November 2020. Das Video wurde später von Youtube entfernt, weil es laut der Plattform gegen deren Community-Richtlinien verstoßen habe.

Bhakdi sagte damals (ab Minute 10:12): «Wenn Sie unter 70 sind und Sie bekommen dieses Coronavirus, dann ist die Wahrscheinlichkeit, dass Sie an oder mit diesem Virus sterben, weniger als 0,1 Prozent. Es liegt sogar etwa bei 0,05 Prozent, das heißt 5 von 10 000 werden sterben. In dem Fall ist es nicht möglich für einen Impfstoff, die Sterbewahrscheinlichkeit noch zu verringern, weil sie schon so klein ist.» Im Zitat, das sich auf Facebook verbreitet, fehlt also die Einschränkung, dass sich Bhakdi auf Menschen bezieht, die jünger als 70 Jahre sind.

Die Angabe zur Sterberate ist jedoch ebenfalls nicht so allumfassend gültig, wie es Bhakdi nahelegt. Bei Infektionskrankheiten beschreibt die Infektionssterblichkeit (Infection Fatality Rate, IFR) den Anteil der Todesfälle an der Zahl der tatsächlich Infizierten - also nicht nur der gemeldeten Infektionsfälle. Sie muss aufwendig gemessen oder berechnet werden. Zudem beeinflussen viele Faktoren, ob jemand in einem bestimmten Land an Covid-19 stirbt - etwa wie gut das Gesundheitssystem und wie krank oder alt die Bevölkerung ist.

Bekannte Schätzungen bzw. Berechnungen liegen deutlich höher als die vermeintliche Sterberate von 0,1 Prozent. Für Deutschland schätzt eine im Oktober 2020 erstmals online erschienene wissenschaftliche Arbeit die Infektionssterblichkeit zwischen 0,5 und 1 Prozent. Weltweit, aber aufgeschlüsselt nach Altersgruppen schätzt eine im Dezember 2020 veröffentlichte wissenschaftliche Arbeit die Infektionssterblichkeit für 55-Jährige auf 0,4 Prozent, für 65-Jährige auf 1,4 Prozent, für 75-Jährige auf 4,6 Prozent und für 85-Jährige auf 15 Prozent.

Im Video-Interview erwähnt Bhakdi als Quelle für die Angabe, dass die Sterbewahrscheinlichkeit für unter 70-Jährige bei 0,1 Prozent liegen soll, eine bekannte Meta-Studie des Epidemiologen Giannis Ioannidis. Darin wurden mehrere nationale oder regionale Berechnungen zusammengeführt und so ein globaler Durchschnitt der Infektionssterblichkeit gebildet. An dieser Studie und ihrer Methode gab es viel Kritik. Auch der Autor selbst weist darauf hin, dass ein durchschnittlicher weltweiter Wert Schwächen bei der Aussagekraft hat. «Die IFR hängt von den betroffenen Umgebung und der betroffenen Bevölkerung ab.» Diese Informationen lässt Bhakdi weg.

Und selbst wenn man fälschlicherweise davon ausgehen würde, dass die Sterbewahrscheinlichkeit für unter 70-Jährige bei 0,1 Prozent läge, widerlegte das nicht die Sinnhaftigkeit der Impfung. Denn die Impfung schützt nicht nur davor, an Covid-19 zu sterben, sondern auch vor schweren Verläufen der Erkrankung, die selbst Genesene noch lange beeinträchtigen kann. «Außerdem wird die Weitergabe des Virus in der Bevölkerung reduziert. Je weniger Virus in Deutschland zirkuliert, desto weniger Infektionen und Erkrankungen», erklärt Christine Falk, Biologin und Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Immunologie der Deutschen Presse-Agentur per Mail.

(Stand: 22.09.2021)

Links

dpa-Faktencheck «Mediziner Bhakdi unterschätzt Gefährlichkeit des Coronavirus»

dpa-Faktencheck «Aussagen zu PCR-Tests, asymptomatischen Infizierten und Todesfällen durch Impfungen sind falsch und unbelegt»

dpa-Faktencheck «Bhakdi nennt falsche Zahlen zu Nebenwirkungen bei Corona-Impfung»

Verweis auf Löschung des Video-Gesprächs auf Youtube (archiviert)

Video mit den Aussagen von Bhakdi (ab Minute 10:12) (Video archiviert)

WHO-Informationen zur Berechnung von Sterblichkeit (archiviert)

Studie deutscher Forscher zur Epidemiologie und Infektionsterblichkeit von Covid-19 (archiviert)

Studie zur altersspezifischen Infektionssterblichkeit (archiviert)

Meta-Studie mit niedriger Infektionssterblichkeit (archiviert)

Artikel mit Kritik an Meta-Studie (archiviert)

dpa-Faktencheck «Impfung senkt die Gefahr einer schweren Covid-Erkrankung deutlich»

Informationen des Bundesgesundheitsministeriums über Corona-Landgezeitfolgen (archiviert)

Facebook-Beitrag mit der Behauptung (archiviert)

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