Ärztekammer: Individuelle Entscheidung über Auffrischungsimpfung notwendig

Anfang September 2021 wurde unter anderem in Pflegeheimen mit Auffrischungsimpfungen gegen Covid-19 begonnen. Nun wird auf Grundlage eines Schreibens der Ärztekammer Nordrhein in Facebook-Posts (etwa hier, hier und hier - archiviert: hier, hier und hier) behauptet, die Kammer warne allgemein vor einer solchen Boosterimpfung. In einem Pflegeheim sei eine Person nach einer solchen Impfung gestorben.

Bewertung

Wichtiger Kontext fehlt: Die Ärztekammer Nordrhein wies mit dem Schreiben darauf hin, dass Ärztinnen und Ärzte derzeit von Fall zu Fall über die Notwendigkeit einer Boosterimpfung entscheiden müssen. Sie wollte damit keine allgemeine Warnung aussprechen. Außerdem stellte die Kammer kurz nach der Veröffentlichung des Schreibens klar, dass es in dem Pflegeheim keinen Todesfall nach einer Auffrischungsimpfung gegeben habe.

Fakten

Das in den Facebook-Posts zitierte Schreiben ist vom 7. September 2021. Darin wird auf «schwere Komplikationen» nach Auffrischungsimpfungen in einem Pflegeheim im nordrhein-westfälischen Oberhausen hingewiesen.

Zwei Tage später präzisierte die Ärztekammer Nordrhein die Intention des Schreibens in einer Pressemitteilung: Der Brief sei «nicht als grundsätzliche Warnung vor einer Auffrischimpfung zu verstehen». Er solle impfberechtigte Ärztinnen und Ärzte daran erinnern, dass «Auffrischimpfungen zum jetzigen Zeitpunkt Einzelfallentscheidungen sind, die einer individuellen Begründung bedürfen».

Zudem wird in der Mitteilung klargestellt, dass es nach den Auffrischungsimpfungen in dem Oberhausener Pflegeheim keinen Todesfall gegeben habe. Die verstorbene Person sei bereits zuvor palliativ versorgt worden und «gehörte nicht zum Personenkreis der Geimpften». In der Mitteilung wird außerdem darauf hingewiesen, dass die zwei reanimierten Personen vorerkrankt waren.

Auch Behauptungen, dass die sogenannten Boosterimpfungen mit einem Impfstoff durchgeführt würden, der nicht zugelassen sei, sind in dieser Form nicht haltbar. «Die Auffrischungsimpfung erfolgt derzeit mit den verfügbaren mRNA-Impfstoffen. Dies ist im Rahmen der geltenden Zulassung dieser Impfstoffe möglich», erläutert das Bundesgesundheitsministerium auf der Informationsseite «Zusammen gegen Corona». Dies bestätigt auch das Paul-Ehrlich-Institut (PEI), das in Deutschland für Impfstoffe verantwortlich ist und deren Qualität, Wirksamkeit und Sicherheit überwacht.

Die Gesundheitsministerkonferenz (GMK) hatte am 6. September 2021 «aus präventiven Gesichtspunkten» für bestimmte Personen ein erweitertes Angebot für Auffrischungsimpfungen beschlossen - etwa für Menschen in Pflegeheimen oder solche mit geschwächtem Immunsystem, bei denen die letzte Impfung schon mindestens sechs Monate zurückliegt. Die Ständige Impfkommission hat sich bislang noch nicht zur Notwendigkeit von Auffrischungsimpfungen positioniert (Stand: 20. September 2021).

In einem generellen Statement schrieb die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) Anfang September, «dass zusätzliche Dosen für Menschen mit stark geschwächtem Immunsystem bereits im Rahmen der Erstimpfung in Betracht gezogen werden sollten». Eine Notwendigkeit für eine Boosterimpfung in der allgemeinen Bevölkerung sehe man derzeit nicht.

Biontech/Pfizer hat bei der EMA ihre Boosterimpfung im September zur Zulassung eingereicht. Auch Moderna hat diese beantragt; die Auffrischung soll bei dem Impfstoff des US-Unternehmens mit halbierter Dosis verabreicht werden, heißt es.

Ergebnisse einer Studie aus Israel geben Hinweise darauf, dass die Boosterwirkung einer dritten Impfung für ältere Personen beträchtlich sein kann. Im «New England Journal of Medicine» berichten Forschende, dass bei zweifach geimpften Personen zehn Mal mehr Infektionen nachgewiesen und etwa 20 Mal mehr schwere Erkrankungen im Vergleich zu Personen mit Auffrischungsimpfung verzeichnet wurden.

(Stand: 20.09.2021)