Keine Belege dafür, dass Satz von Sophie Scholl stammt

In den sozialen Medien verwenden User gerne Zitate renommierter Personen, um die eigene Position deutlich zu machen. Bei Kritikern der aktuellen Regierungspolitik sind dabei Aussagen von Menschen aus dem Widerstand gegen die Nazi-Herrschaft beliebt. In einem Sharepic auf Facebook (hier archiviert) wird Sophie Scholl ein Zitat zugeschrieben. Aber hat die Begründerin der Widerstandsgruppe «Weiße Rose» wirklich gesagt, der größte Schaden entstehe «durch die schweigende Mehrheit, die nur überleben will, sich fügt und alles mitmacht»?

Bewertung

Es lassen sich keine Belege dafür finden, dass dieser Satz von Sophie Scholl stammt. Der «Weiße Rose Stiftung» liegen keine Hinweise vor, dass Scholl ihn gesagt oder geschrieben haben könnte.

Fakten

Bei einer Google-Suche lässt sich der Satz nicht als Zitat mit Quellenangaben finden. Unter den Ergebnissen sind aber diverse Recherchen, die zu dem Ergebnis kommen, dass er nicht von Sophie Scholl stammt. Auch eine Suche in der Pressedatenbank «Genios» führt - abgesehen von Leserbriefen - nur zu Artikeln, die den fälschlichen Gebrauch des Satzes thematisieren.

In einem Artikel der Nachrichtenagentur AFP werden verschiedene Experten wiedergegeben. Alle gehen davon aus, dass der Satz kein Zitat ist. So weist die Biografin Maren Gottschalk darauf hin, dass Scholl in ihren Texten nicht von der «Mehrheit» geschrieben, sondern den Begriff der «Masse» verwendet habe.

Der auf die Verifikation von Zitaten spezialisierte Blogger Gerald Krieghofer erklärt, dass der Begriff «schweigende Mehrheit» erst als Zitat von Richard Nixon lange nach dem Zweiten Weltkrieg in Deutschland Verbreitung fand. Die falsche Zuschreibung könnte laut Krieghofer auf einen Artikel der «Weiße Rose Stiftung» über die Flugblätter der Widerstandsgruppe zurückgehen. Darin wird die Formulierung «schweigende Mehrheit» verwendet - aber nicht als Zitat Scholls. Im Flugblatt ist die Formulierung nicht zu finden.

Die Stiftung teilte der Deutschen Presse-Agentur auf Nachfrage mit, sie habe bereits vor ungefähr einem Jahr zu dem Satz recherchiert. Ihr lägen «keinerlei Hinweise darauf vor, dass dieser Satz tatsächlich von Sophie Scholl stammt».

(Stand: 14.9.2021)