Wahlbenachrichtigungen werden unaufgefordert versendet, Briefwahlunterlagen nicht

21.09.2021, 10:59 (CEST)

Auf der Zielgeraden zur Bundestagswahl 2021 wird deren Legitimität im Netz vermehrt in Zweifel gezogen. Vor allem die Briefwahl nehmen diejenigen ins Visier, die über vermeintlichen Betrug oder angebliche Unstimmigkeiten raunen. «Mittlerweile werden flächendeckend oder sehr verbreitet Briefwahlunterlagen an die Wähler verschickt, ohne dass da eine Anforderung zu gestellt worden ist», heißt es etwa Anfang September in einer Sprachnachricht auf dem Messengerdienst Telegram (archiviert). Das sei eine Straftat. Und weiter: «Wer an der Wahl teilnimmt, unterstützt diese Straftat und wird selbst zu einem Straftäter.»

Bewertung

Das ist falsch. Erstens werden nicht Briefwahlunterlagen unaufgefordert versendet, sondern Wahlbenachrichtigungen. Zweitens wird niemand zum Straftäter, weil er an einer freien Wahl teilnimmt.

Fakten

Unter anderem «in halb Hamburg» seien Briefwahlunterlagen verschickt worden, die nie angefordert gewesen seien, wird in dem Telegram-Post vom 4. September 2021 behauptet. «Das ist in vielen Teilen Deutschlands ebenfalls passiert», heißt es in der Audio-Nachricht.

Stimmt nicht, so der Hamburger Landeswahlleiter Oliver Rudolf auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur (dpa) am 10. September. Es liege «keine Kenntnis darüber vor, dass nicht beantragte Briefwahlunterlagen versandt werden». Es gebe auch keine entsprechenden Mitteilungen.

Und auch deutschlandweit sind Bundeswahlleiter Georg Thiel diesbezüglich «keine Fälle bekannt», wie sein Büro der dpa mitteilt. Beide Behörden wachen über den ordnungsgemäßen Wahlablauf. Schon mehrfach hat das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe die Briefwahl als verfassungskonform angesehen.

Was tatsächlich unaufgefordert an jeden Wahlberechtigten in Deutschland geht, ist die Wahlbenachrichtigung. Etwa vier bis sechs Wochen vor der Wahl werden sie von den Gemeindebehörden versendet, spätestens am 21. Tag vor der Wahl. Das regelt die Bundeswahlordnung. Mit der Wahlbenachrichtigung kann man entweder ins Wahllokal gehen oder Briefwahlunterlagen beantragen.

Auch die hanebüchene Äußerung aus dem Telegram-Post, mit der Teilnahme an der Wahl mache man sich zum Straftäter, ist Humbug. Denn selbst wenn irgendwo in Deutschland vereinzelt etwa eine (versuchte) Fälschung bei der Wahl nachgewiesen würde (die immerhin bis zu fünf Jahre Haft nach sich ziehen könnte), macht das noch lange nicht die ganze Abstimmung illegal - geschweige denn all jene zu Straftätern, die ihre Stimme regulär abgeben.

Ja, in der Vergangenheit gab es Einzelfälle, bei denen es zu Wahlbetrug kam. Bei der Europawahl 2014 etwa wurden Fälschungen im sachsen-anhaltinischen Stendal nachgewiesen und die Verantwortlichen später verurteilt. Auswirkungen auf andere Wähler und Wählerinnen oder die Legitimität der Abstimmung insgesamt hatte dies damals allerdings keine.

(Stand: 21.9.2021)

Links

Bundeswahlleiter über Wahlbenachrichtigung (archiviert)

§19 der Bundeswahlordnung über Wahlbenachrichtigungen (archiviert)

StGB Paragraf 107f. über Straftaten im Zusammenhang mit Wahlen (archiviert)

Wissenschaftliche Dienste des Bundestages über Briefwahl (archiviert)

MDR-Artikel zum Wahlbetrug in Stendal (archiviert)

Telegram-Post mit Falschbehauptung (archiviert - via Chrome, Safari und Edge zugänglich)

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