Die Delta-Variante ist Wissenschaftlern zufolge ansteckender als die Alpha-Variante

16.11.2021, 19:08 (CET), letztes Update: 19.11.2021, 17:50 (CET)

Ein entscheidender Faktor für die Entwicklung der Corona-Pandemie ist, wie ansteckend die verschiedenen Varianten des Virus sind. Unter Bezugnahme auf eine Tabelle der englischen Gesundheitsbehörde Public Health England (PHE) wird in einem Facebook-Post (archiviert) behauptet, die derzeit vorherrschende Delta-Variante sei den Angaben zufolge auch nicht ansteckender als die vorher dominante Alpha-Variante. Lässt sich das aus diesen Zahlen ableiten?  

Bewertung

Nein. Public Health England erklärt in der Einleitung zu der Tabelle, warum die Daten nicht für einen Vergleich zwischen verschiedenen Varianten geeignet sind. Forschern zufolge ist die Delta-Variante des Coronavirus Sars-CoV-2 deutlich ansteckender als die Alpha-Variante. 

Fakten

Die Tabelle mit den markierten Zahlen aus dem Facebook-Post stammt aus dem 23. Virusvariantenbericht der englischen Gesundheitsbehörde PHE. Die angestrichenen Zahlen betreffen die «secondary attack rate», auf Deutsch die sekundäre Befallsrate. Damit wird gemessen, wie viele ihrer Kontaktpersonen eine infizierte Person ansteckt.

Die Tabelle enthält dazu einige Durchschnittswerte aus Daten, die vom 5. Januar bis zum 24. August erhoben wurden. Sie ist korrekt wiedergegeben und findet sich hier. In den einleitenden Bemerkungen steht allerdings, dass die enthaltenen Daten keinen Vergleich zwischen den verschiedenen Virusvarianten ermöglichen.

Grund sei, dass sich die Impfquote und die einschränkenden Maßnahmen in England in diesem Zeitraum verändert hätten («Direct comparisons between variants are not valid as vaccination levels and social restrictions in England have varied over this period.»).

Das heißt, dass die hier ermittelte sekundäre Befallsrate für die Alpha-Variante des Virus zu einem guten Teil mit Zahlen berechnet wurden, die aus einer Zeit stammen, in der mehr als die Hälfte der englischen Bevölkerung noch keine Antikörper aus einer Impfung oder einer überstandenen Infektion besaß. Das lässt sich auf dieser Seite in der ersten Tabelle ablesen. Die Delta-Variante traf nach ihrem vermehrten Auftreten ab Mitte Mai auf sehr viele Menschen, die bereits Antikörper besaßen. Die weitere Ermittlung der sekundären Befallsrate für die Alpha-Variante hingegen wurde eingestellt, weil es schlicht nicht mehr genug Daten dafür gab.

Für einen Vergleich zwischen verschiedenen Varianten eignet sich am besten die Basisreproduktionzahl, vom Robert Koch-Institut (RKI) definiert als: «Die mittlere Zahl der Sekundärfälle, die ein Infizierter in der Periode seiner Ansteckungsfähigkeit in einer gegebenen nichtimmunen Population erzeugt.» Veränderungen in der Immunität derselben Bevölkerung spielen bei diesem Wert also keine Rolle.

Laut einem in der Fachzeitschrift «The Lancet Respiratory Medicine» veröffentlichten Artikel hat die Delta-Variante des Corona-Virus eine Basisreproduktionszahl von «knapp 7», das sei «etwa 60 Prozent ansteckender» als die Alpha-Variante. Auch die Europäische Seuchenschutzbehörde ECDC, die entsprechende US-amerikanische Behörde CDC und auch Public Health England gehen von einer deutlich höheren Übertragbarkeit im Vergleich zur Alpha-Variante aus.

---

Berichtigung: In einer früheren Version des Faktenchecks hieß es im letzten Absatz, der genannte Artikel stamme aus dem Fachjournal «Lancet». Tatsächlich wurde er im «Lancet»-Ableger «The Lancet Respiratory Medicine» veröffentlicht.

---

(Stand: 16.11.2021)

Links

Facebook-Post (archiviert)

23. Virusvariantenbericht der englischen Gesundheitsbehörde PHE (archiviert)

RKI-Definition Basisreproduktionszahl (archiviert)

"The Lancet Respiratory Medicine" zu Infektiosität der Delta-Variante (archiviert)

CDC zu Infektiosität der Delta-Variante (archiviert)

Public Health England zum Vergleich zwischen Delta- und Alpha-Variante (archiviert)

Kontakt zum dpa-Faktencheckteam: faktencheck@dpa.com