Verschiedene Zahlen zur Effizienz der Impfstoffe können beide richtig sein

16.08.2021, 15:24 (CEST), letztes Update: 16.08.2021, 15:29 (CEST)

Die Impfstoffe gegen Covid-19 sind unter besonderen Bedingungen entwickelt worden. Hat das Auswirkungen auf ihre Qualität? In einem Facebook-Post mit Video wird der Eindruck erweckt, die Wirksamkeit sei wesentlich geringer als angenommen. «BioNTech, AstraZeneca & Co entzaubert!», heißt es im Beitrag (archiviert). Im Video wird auf einen wissenschaftlichen Artikel Bezug genommen. Dort, so wird es im Video behauptet, stehe geschrieben, die Wirksamkeit der Impfung liege nicht bei maximal 95 Prozent, sondern würde jeweils für den Stoff von Astrazeneca bei 1,3 Prozent und für den Stoff von Biontech/Pfizer bei etwa 0,8 Prozent liegen. Kann das stimmen?

Bewertung

Sowohl die einen als auch die anderen Zahlen sind richtig - weil sie jeweils etwas völlig anderes aussagen. Wirksamkeit und Verträglichkeit der Impfungen wurden in Studien überprüft.

Fakten

Mit Bezug auf den Artikel in der Wissenschaftspublikation «The Lancet» heißt es in dem Video, die Wirksamkeit der Covid-19-Impfstoffe liege bei 1,3 Prozent für Astrazeneca, bei jeweils 1,2 Prozent für Moderna und Johnson and Johnson sowie bei nur 0,84 Prozent für Biontech/Pfizer. Bei dem Artikel in der Zeitschrift geht es aber nicht um neue wissenschaftliche Erkenntnisse hinsichtlich der Wirksamkeitsangaben der Impfstoff-Hersteller. Vielmehr handelt es sich um einen ausdrücklich als «Kommentar» bezeichneten Meinungsbeitrag von Wissenschaftlern.

Die Effizienz eines Medikaments wird oft mit zwei Werten ausgedrückt. Dabei handelt es sich zum einen um die Absolute Risikoreduktion (ARR) und zum anderen um die Relative Risikoreduktion (RRR). Beide Werte sind unterschiedlich. Dabei sind die ARR-Werte üblicherweise sehr gering, die RRR-Werte jedoch recht hoch. Im Marketing von Medikamenten wird, wie das «Deutsche Ärzteblatt» schon 2005 bedauerte, meist mit den RRR-Werten gearbeitet, weil diese eindrucksvoller klingen. Auch die AutorInnen des «Lancet-Artikels» kritisieren, dass die Impfstoffhersteller bisher in der öffentlichen Präsentation der Vakzine stets mit den relativen Werten operieren und nicht auch die absoluten Werte nennen.

Bei der Relativen Risikoreduktion (RRR) bedeutet eine Wirksamkeit von 95 Prozent beispielsweise beim Impfstoff von Biontech/Pfizer, dass 95 Prozent der Fälle vermieden werden, die in einer vergleichbaren Gruppe von Nichtgeimpften auftreten würden. Es geht hier darum, dass beispielsweise in zwei gleich großen Gruppen von knapp 22 000 Menschen 8 der Geimpften und 162 der Nichtgeimpften infiziert wurden.

Simpler gesagt: Beim relativen Risiko wird das Risiko einer mit einem bestimmten Vakzin oder Medikament behandelten Gruppe in Beziehung gesetzt zum Risiko einer anderen Gruppe, die ohne dieses Vakzin oder Medikament auskommen musste. Die Absolute Risikoreduktion (ARR) gibt in Prozentpunkten an, um wieviel das Risiko in Bezug auf alle Untersuchten geringer wird.

Auch die Autoren des «Lancet»-Artikels haben davor gewarnt, ihren Kommentar in der Zeitschrift falsch zu verstehen.

Im einem anderen Artikel einer Plattform aus der Schweiz wird das Vorgehen der Hersteller ebenfalls kritisiert und werden mit folgendem Beispiel die Unterschiede der Werte verdeutlicht: In einer Gruppe von 100 ungeimpften Personen infizieren sich durchschnittlich 2 Personen mit einer Krankheit. Das sind zwei Prozent. In einer Testgruppe von 100 Geimpften infiziert sich nur eine Person, also ein Prozent.

Das Erkrankungsrisiko liegt bei den Ungeimpften bei 2 Prozent und bei den Geimpften bei 1 Prozent. Die Absolute Risikoreduzierung (ARR) beträgt also genau 1 Prozent (2 Prozent minus 1 Prozent). Ganz anders sieht die Relative Risikoreduzierung (RRR) aus: Die Verringerung von zwei Personen auf eine Person bedeutet nämlich eine Reduzierung um 50 Prozent.

In diesem Beispielfall ist sowohl die Wirksamkeitsangabe von 1 Prozent als auch von 50 Prozent korrekt - sofern klargemacht wird, worum es geht. In dem Lancet-Kommentar und in dem Beitrag von Wissenschaftlern auf der Plattform in der Schweiz wird kritisiert, dass diese Verdeutlichung oft fehlt und dass gelegentlich auch Mediziner nicht wirklich wissen, wie die Zahlen zustandekommen. Detailliertere Erläuterungen und Formelsammlungen finden sich in einem Artikel der US-Biostatistikerin Mary L. McHugh.

Die Sicherheit und Wirksamkeit der Impfstoffe sind schon öfters überprüft worden.

(Stand: 16.8.2021)

Links

Post mit Video (archiviert) (Video archiviert)

Kommentar in Lancet (archiviert)

Ärzteblatt zu Statistik (archiviert)

Kommentar in Medicina (archiviert)

Erläuterung Risikokalkulation (archiviert)

US-amerikanischer Faktencheck (archiviert)

Weiterer US-Faktencheck (archiviert)

dpa-Faktencheck zur Wirksamkeit

Weiterer dpa-Faktencheck

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