Irreführender Vergleich von E-Autos und Verbrennern bei Hochwasser

5.8.2021, 10:56 (CEST)

Fotos von Einsatzfahrzeugen der Bundeswehr im Hochwasser in Rheinland-Pfalz sorgen für Aufsehen in den sozialen Netzwerken. Zu der Aufnahme von zwei Sanitätsfahrzeugen, die Mitte Juli durch metertiefes Wasser fahren, heißt es in einem Sharepic (archiviert): «Wie soll eine solche Katastrophe mit Fahrzeugen ohne Benzin und Diesel bewältigt werden, wenn es keinen Strom mehr gibt?»

Bewertung

Die Zusammenstellung von Text und Foto ist irreführend. Richtig ist, dass Elektroautos auf eine Ladeinfrastruktur angewiesen sind. Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor könnten hingegen bei einem Ausfall von Tankstellen auch mobil mit Kraftstoff versorgt werden. Dass Autos mit Elektromotor im Hochwasser Nachteile gegenüber Verbrennern haben, stimmt jedoch nicht. Die Gefahr von Stromschlägen ist nach Angaben des ADAC gering.

Fakten

Auf dem Foto, das ursprünglich vom Landkreis Trier-Saarburg auf Twitter veröffentlicht worden war, sind Sanitätsfahrzeuge der Bundeswehr im rheinland-pfälzischen Ort Kordel zu sehen. Dieser war von den Hochwassern Mitte Juli 2021 stark betroffen. Anknüpfend an das Foto verbreiten nun einige Nutzer die Vermutung, die Rettungskräfte hätten die Katastrophe mit Elektro-Fahrzeugen nicht bewältigen können. Andere sehen die Gefahr von Kurzschlüssen, sollten hier Elektroantriebe eingesetzt werden.

Die Abwägung der Vor- und Nachteile von Elektro- und Verbrennungsmotoren bei Hochwasser ist jedoch komplizierter. Bei den gezeigten Bundeswehr-Fahrzeugen handelt es sich um Verbrenner, denn sie basieren auf dem Modell Unimog von Mercedes, das es bislang nicht mit elektrischem Antrieb gibt. Der Hersteller empfiehlt für das Fahrzeug allerdings nur eine Wattiefe von 1,20 Metern - also etwas weniger, als die Fahrzeuge auf dem Foto kurzzeitig durchqueren.

Das generelle Problem bei Verbrennungsantrieben im Hochwasser ist, dass die Motoren Luft ansaugen müssen, um Treibstoff verbrennen zu können. Das ist insbesondere bei einfachen Pkw im Wasser schnell nicht mehr möglich.

Diesen Nachteil haben Elektroautos nicht, da sie für den Antrieb nur auf die verbaute Batterie angewiesen sind. Die Gefahr von Stromschlägen besteht nach Angaben des Allgemeinen Deutschen Automobil-Clubs (ADAC) zumindest solange nicht, wie das Auto keine Beschädigungen aufweist: «Alle Stecker und Kontakte sowie die Hochvoltbatterie sind wasserdicht ausgeführt und es besteht bei zeitweiliger Wassereinwirkung kein erhöhtes Stromschlagrisiko».

Wie der Verband der Automobilindustrie (VDA) den Faktencheckern von «Correctiv» mitteilte, gibt es bei der Wassertiefe, durch die ein Auto noch fahren kann, keinen wesentlichen Unterschied zwischen Elektro- und Verbrennungsmotoren. Der ADAC empfiehlt aber unabhängig von der Antriebsart, auf Fahrten in überfluteten Gebieten zu verzichten. Dringt Wasser ins Auto ein, kann etwa die Bordelektronik Schaden nehmen.

Auch größere Einsatzfahrzeuge könnten aber theoretisch elektrisch angetrieben werden. In Berlin werden bereits erste elektrische Feuerwehrfahrzeuge eingesetzt.

Wichtig ist: Es muss bei langen Fahrten eine Auflademöglichkeit geben, wenn möglich nahe des Katastrophengebiets. Hier könnten Verbrenner einen Vorteil haben, da sie zum Beispiel auch per Tankwagen betankt werden könnten. Einen Unterschied zwischen Tankstellen und E-Ladesäulen gibt es aber nicht: Stehen sie unter Wasser, können sie nicht benutzt werden.

Ladesäulen schalten sich nach Angaben des Energieversorgers EnBW im «Spiegel» bei Hochwasser automatisch ab und sind zudem geerdet - eine Gefahr geht von ihnen also nicht aus. Klassische Tankstellen stehen bei Hochwasser still, da der Treibstoff mittels elektrischer Pumpen abgefüllt wird. Solange der Strom nicht flächendeckend ausgefallen ist, haben Ladesäulen bei Hochwasser unter Umständen wiederum den Vorteil, dass sie oft dezentral verteilt sind.

Der «Spiegel» weist zudem darauf hin, dass aus unter Wasser stehenden Verbrennungsmotoren oft Treibstoff austritt, der die Umwelt verschmutzt - anders als bei E-Autos.

(Stand: 4.8.2021)

Links

Tweet des Landkreises Trier-Saarburg (archiviert)

Video vom selben Ort (archiviert, Video)

Aufnahmeort des Fotos bei Google Maps (archiviert)

Weiteres Video von Bundeswehrfahrzeugen im Katastrophengebiet (archiviert)

Bundeswehr über die Unimogs in verschiedenen Varianten (archiviert)

Informationen des Herstellers Mercedes (archiviert)

«Quarks» über Funktionsweise eines Verbrennungsmotors (archiviert)

Hinweise des ADAC zu Hochwasser (archiviert)

«Correctiv»-Faktencheck mit VDA-Aussagen (archiviert)

«Feuerwehrmagazin» über E-Einsatzfahrzeug in Berlin (29.9.2020) (archiviert)

«Spiegel»-Artikel mit EnBW-Einschätzung (29.7.2021, Bezahlschranke) (archiviert)

«Next Mobility» über den Betrieb von Tankstellen (archiviert)

Beitrag auf Facebook (archiviert)

Weiterer Beitrag zu angeblichen Kurzschlüssen (archiviert)

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