In «Tagesthemen» geht es um vermeintliche Helfer, nicht um Flut-Opfer

23.07.2021, 14:41 (CEST), letztes Update: 23.07.2021, 19:30 (CEST)

Im westdeutschen Hochwassergebiet hat die Polizei mögliche Aktivitäten von Rechtsextremisten und der sogenannten «Querdenker»-Szene im Blick. Nachdem auch die ARD-«Tagesthemen» darüber berichtet haben, wird dem Moderator der Nachrichtensendung vorgeworfen (archiviert), er verhöhne einige Opfer der Katastrophe als «rechtsradikale Querdenker».

Bewertung

Falsch. Es geht in der Moderation gar nicht um die Betroffenen in den Gebieten, sondern um Menschen aus dem «Querdenker»- und rechtsradikalen Milieu, die sich als vermeintliche Helfer ausgeben.

Fakten

Am 20. Juli 2021 erklärt die Polizei Koblenz auf Twitter, Rechtsextremisten gäben sich derzeit als «Kümmerer vor Ort» aus. «Wir werden in Abstimmung mit der technischen Einsatzleitung mit aller Entschiedenheit gegen Menschen einschreiten, die unter dem Anschein von Hilfe die Lage für politische Zwecke missbrauchen», heißt es. Nach Erkenntnissen der Polizei wurde an jenem Tag vor Ort etwa die Falschmeldung verbreitet, die Zahl der Einsatzkräfte werde verringert.

Auch die «Tagesthemen» berichten an jenem Abend über diese Vorkommnisse in Rheinland-Pfalz. Im Anschluss wird der ARD-Nachrichtensendung «Propaganda» und eine «Instrumentalisierung der Katastrophe für politische Zwecke» vorgeworfen. Anlass der Aufregung: Angeblich soll der Sprecher einen Teil der Opfer des Hochwassers in Westdeutschland als «rechtsradikale Querdenker» bezeichnet haben.

Das ist falsch. Der Moderator hat nicht im Entferntesten Aussagen getroffen, die solch eine Lesart auf irgendeine Weise zulassen würden. Vielmehr sagt der Sprecher, es gebe «in unserem Land» (nicht explizit in den Hochwassergebieten) einige Bürger, «die die Hilfe der Feuerwehr oder des Technischen Hilfswerks kategorisch ablehnen».

In der späteren Frage an einen Korrespondenten aus Mainz («Wer genau mischt sich da in den Katastrophengebieten unter die Helfer?») wird klar: Er bezieht seine Aussage eindeutig auf vermeintliche Unterstützer, die in die Hochwassergebiete reisen - und nicht auf Opfer der Überschwemmungen.

Zudem spricht der Moderator überhaupt nicht von «rechtsradikalen Querdenkern», sondern bezeichnet beide als einzelne Gruppen. «Viele von ihnen kommen aus der Querdenker-Szene und dem rechtsradikalen Milieu», sagt er.

Nach Informationen aus Sicherheitskreisen waren zum Beispiel an Aktionen in Bad Neuenahr-Ahrweiler auch prominente Vertreter der «Querdenker»-Bewegung beteiligt, die zuvor bei Corona-Protesten aufgefallen waren. Der zugeschaltete «Tagesthemen»-Korrespondent berichtet zudem unter anderem über das angebliche Hilfslager eines «bekannten Rechtsextremisten, der auch schon wegen Holocaust-Leugnung verurteilt wurde».

Mitte Juli hatte ein Unwetter mit Starkregen eine verheerende Flut in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen ausgelöst. Bei der Hochwasserkatastrophe kamen mindestens 175 Menschen ums Leben.

Dass bei den Aufräumarbeiten Rechte unterwegs seien, überrascht Politikwissenschaftler Josef Holnburger nicht. «Sie stellen sich gerne selbst als Anpacker dar.» Eher neu auf diesem Terrain seien Menschen aus der «Querdenker»-Szene. «Das ist jetzt ein gänzlicher Schulterschluss geworden», so Holnburger.

Von Verfassungsschutz-Präsident Thomas Haldenwang heißt es unter anderem über die «Querdenken»-Bewegung, die sich gegen die Corona-Schutzmaßnahmen stellt: «Es wird deutlich, dass hier die Agenda über die reine Mobilisierung zu Protesten hinausgeht und darauf abzielt, das Vertrauen in staatliche Institutionen und seine Repräsentanten nachhaltig zu beschädigen.»

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Berichtigung: In einer ersten Version des Faktenchecks war fälschlicherweise von 2017 die Rede. Die richtige Jahresangabe ist 2021.

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(Stand: 23.07.2021)

Links

«Tagesthemen» vom 20.7.2021 (archiviert)

Tweet der Polizei Koblenz (archiviert)

dpa-Bericht über Polizei-Erkenntnisse zu «Querdenkern» (archiviert)

Haldenwang über «Querdenken» (archiviert)

Beitrag mit falschem Vorwurf gegen «Tagesthemen» (archiviert)

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