Broschüre der GEW will Vorurteile abbauen helfen

03.07.2021, 13:56 (CEST)

Noch im 20. Jahrhundert wurde tatsächlich versucht, homosexuelle Menschen mit Elektroschocks umzuerziehen. Auf Facebook (archiviert) wird nun behauptet, in einer Broschüre für den Schulunterricht würde so eine Elektroschocktherapie für heterosexuelle Menschen empfohlen.

Bewertung

Die Behauptung ist falsch. Die Elektroschocktherapie wird auf einem provokant formulierten Fragebogen erwähnt, durch den Schüler sensibler bei Vorurteilen gegenüber Homosexuellen werden sollen.

Fakten

In einer Broschüre der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) zum Umgang mit Homosexualität findet sich die Übersetzung eines Fragebogens, der vermutlich schon in den siebziger Jahren entworfen wurde. Der «heterosexuelle Fragebogen» soll heterosexuelle Menschen mit Fragen konfrontieren, die Schwulen oder Lesben nach Ansicht des Verfassers oft gestellt würden - oder damals gestellt worden seien.

So sollen sie merken, wie sich homosexuelle Menschen bei solchen Fragen fühlen. Darin taucht auch die These auf, es scheine sehr wenige glückliche heterosexuelle Menschen zu geben, man könne sich aber ändern: «Hast du schon einmal in Betracht gezogen, eine Elektroschocktherapie zu machen?»

In der ersten Fassung der Broschüre stand als Erklärung zu dem Fragebogen nur im entsprechenden Kapitel einige Seiten davor: «Über den "Heterosexuellen Fragebogen" werden Vorurteile und Stereotype deutlich gemacht.» Der Fragebogen selbst wurde unkommentiert abgedruckt. Nach einer Debatte um die Broschüre hatte die GEW bereits 2014 eine Überarbeitung angekündigt.

In der aktuell abrufbaren Fassung von 2017 heißt es, der Fragebogen stelle «die Fragen, die LGBTI*-Menschen oft gefragt werden». Er lade zum Perspektivwechsel ein und decke Vorurteile auf. Jugendliche ab Klasse 10 verstünden das gut, Jüngeren müsse man es erklären.

Die englische Ursprungsfassung des Fragebogens hat der 2003 gestorbene amerikanische Psychotherapeut Martin Rochlin verfasst. Die Universität von Wisconsin gibt als Entstehungsjahr 1972 an. Im 20. Jahrhundert wurde tatsächlich noch versucht, homosexuelle Menschen mit Elektroschocks umzuerziehen. Vermutlich fand der Verfasser diese Frage deshalb nicht so ungewöhnlich, wie sie heutzutage erscheint.

Als Aufforderung oder politische Forderung, heterosexuelle Menschen so zu homosexuellen umzuerziehen, war die Frage weder damals von Rochlin noch später von der GEW gemeint. Heutzutage sind sogenannte Konversionstherapien in Deutschland grundsätzlich verboten - auch, wenn sie andere Methoden anwenden.

(Stand: 2.7.2021)

Links

Post auf Facebook(archiviert)

archivierte GEW-Broschüre «Lesbisch, schwul, trans, hetero...» von 2013

Meldung zur Überarbeitung der Broschüre auf bildungsklick.de(archiviert)

Aktuelle Fassung der Broschüre «Lesbisch, schwul, trans, hetero...» von 2017(archiviert)

Informationen zu Martin Rochlin bei der American Psychological Association (archiviert)

Englischer Original-Fragebogen mit Quellenangabe bei der University of Wisconsin(archiviert)

Studie im Auftrag des Bundesgesundheitsministeriums zu Konversionstherapien(archiviert)

Informationen des Bundesgesundheitsministeriums zum Verbot von Konversionstherapien(archiviert)

Kontakt zum dpa-Faktencheckteam: faktencheck@dpa.com