Merkel und Steinmeier haben sich nach der Tat in Würzburg geäußert
29.6.2021, 13:18 (CEST)
Nach der Messerattacke von Würzburg mit drei toten Frauen ist die Polizei weiterhin auf der Suche nach dem Motiv. Indizien deuten auf islamistische Hintergründe bei der Tat am 25. Juni 2021 hin. Der Täter, ein Asylbewerber aus Somalia, könnte nach Behördenangaben aber auch psychisch krank sein. In einem in sozialen Medien sehr weit verbreiteten Tweet (hier archiviert) vom 26. Juni wird in dieser unklaren Gemengelage zur Frage nach einem Motiv unter anderem Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Bundeskanzlerin Angela Merkel vorgeworfen, sich angeblich nicht zur Tat geäußert zu haben.
Bewertung
Falsch. Bundesregierung und Bundespräsident haben am Tag nach der Tat und Stunden vor dem Tweet ihre Erschütterung zum Ausdruck gebracht.
Fakten
Der Screenshot eines Tweets wird in sozialen Medien massiv herumgereicht. Darin wird behauptet: «Hätte ein Nazi 3 Asylbewerber umgebracht, (...) Merkel und Steinmeier hätten sich sofort gemeldet.» Bei der Tat in Würzburg «passiert nichts davon». Auf Twitter veröffentlicht wurde die Behauptung am 26. Juni um 15.10 Uhr. Kurz darauf, um 15.22 Uhr, landet ein Screenshot des Tweets auch bei Facebook - und wird seitdem dort massenhaft verbreitet.
Was der Verfasser allerdings hätte recherchieren und wissen können: Sowohl Bundespräsidialamt und Bundesregierung hatten sich schon Stunden vor seinem Tweet zu dem Angriff in Würzburg geäußert.
- Bundespräsident Steinmeier zeigte sich «erschüttert» über die Messerattacke. «Der Täter hat mit äußerster Brutalität gehandelt. Für diese menschenverachtende Tat wird er durch den Rechtsstaat zur Verantwortung gezogen», erklärte er am 26. Juni um 10.54 Uhr via Facebook. Ganz Deutschland trauere mit den Angehörigen der Opfer. «Ich bin in Gedanken bei denen, die ihre Nächsten verloren haben. Den Verletzten wünsche ich baldige Genesung.»
- Regierungssprecher Steffen Seibert, der sich in öffentlichen Statements stets im Namen von Kanzlerin Merkel und der gesamten Bundesregierung äußert, twitterte am 26. Juni um 12.00 Uhr: Die «entsetzliche Tat» von Würzburg richte sich «gegen jede Menschlichkeit und jede Religion. Alle Gedanken und Gebete sind heute bei den Schwerverletzten und den Familien der Opfer in ihrem Schmerz.»
Auf der ersten Regierungspressekonferenz nach der Tat zeigte sich die Bundesregierung entsetzt über den tödlichen Angriff. «Es ist eine Tat von nicht zu begreifender Brutalität und Bösartigkeit», sagte Seibert am 28. Juni. «Die Bundeskanzlerin und die gesamte Bundesregierung hoffen, dass die Verletzungen heilen, dass die Betroffenen wieder gesund werden können an Körper und an Seele und dass sie für diesen Weg Begleitung und Unterstützung finden.»
Am späten Nachmittag des 25. Juni hatte ein Somalier in der Würzburger Innenstadt auf Menschen eingestochen, die er wohl gar nicht kannte. Drei Frauen starben, sieben Menschen wurden verletzt. Der 24-Jährige kam wegen dreifachen Mordes, versuchten Mordes und gefährlicher Körperverletzung sowie vorsätzlicher Körperverletzung in Untersuchungshaft.
Aber stimmt wenigstens der Vorwurf des Tweet-Verfassers, Kanzlerin und Bundespräsident würden sich bei ähnlichen Fällen - aber mit rechtsradikalem Täter und Opfern mit Migrationshintergrund - schneller äußern? Nein. Auch dieser geschmacklose Vergleich führt ins Leere.
Zum Beispiel nach der rassistischen Attacke in Hanau, bei der ein Deutscher am Abend des 19. Februar 2020 neun Menschen mit ausländischen Wurzeln erschossen hatte, twitterte Seibert erst am Folgetag: «Tiefe Anteilnahme gilt den betroffenen Familien, die um ihre Toten trauern.» Genauso brachte Bundespräsident Steinmeier am 20. Februar erstmals sein Entsetzen über die Gewalttat zum Ausdruck.
Zurück zu Würzburg: Die Polizei sucht weiterhin nach dem Motiv für die Attacke. «Bislang sind beim Tatverdächtigen noch keine Hinweise auf Propagandamaterial oder sonstige extremistische Inhalte gefunden worden», teilten Generalstaatsanwaltschaft München und Landeskriminalamt am Vormittag des 29. Juni mit. Dennoch liege wegen diverser Zeugenaussagen «ein islamistischer Hintergrund für die Taten» nahe. Die Behörden wollen noch herausfinden, ob es sich bei dem Angriff um einen islamistischen Anschlag oder die Tat eines psychisch Verwirrten oder gar Kranken handelt.
(Stand: 29.6.2021, 11.00 Uhr)
Links
Steinmeiers Facebook-Post zu Würzburg (archiviert)
Steinmeiers Facebook-Post zu Hanau (archiviert)
Seibert-Tweet zu Würzburg (archiviert)
Seibert-Tweet zu Hanau (archiviert)
Seibert-Statement zu Würzburg in Regierungs-Pk (archiviert)
Polizei-Tweets vom 25.6. über die Tat (archiviert)
Generalstaatsanwaltschaft zu Propaganda-Material (archiviert)
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