Kampagne stellt Haltung der Union zu Klimaschutz teilweise falsch dar

24.06.2021, 13:18 (CEST)

Klimaschutz war lange ein Alleinstellungsmerkmal der Grünen. Doch vor der Bundestagswahl betonen auch CDU und CSU, dass sie sich für Klimaschutz einsetzen wollen. Alles nur Fassade? Das suggeriert der Verein Campact. Unter der Überschrift «Die Klima-Blockierer» (hier archiviert) wirft er in zehn Punkten Kanzlerkandidat Armin Laschet und den Unionsparteien Blockade vor. Zurecht?

Bewertung

Manche Vorwürfe lassen sich durchaus erheben. Allerdings sind einige der Campact-Behauptungen falsch, überzogen oder es fehlt ihnen wichtiger Kontext.

Fakten

Die Deutsche Presse-Agentur hat fünf der Vorwürfe genauer untersucht:

Die Behauptung, dass die Union den «ÖPNV-Ausbau behindern» wolle, ist so nicht richtig. Denn Campact ignoriert, dass das CSU-geführte Bundesverkehrsministerium die Bundeshilfe für den öffentlichen Nahverkehr im März 2020 massiv erhöht hat: von 332 Millionen Euro im Jahr 2019 auf 1 Milliarde Euro 2021; 2025 sollen es sogar 2 Milliarden Euro sein. Das wurde seinerzeit von allen beteiligten Verbänden begrüßt - auch von der Allianz pro Schiene, der auch die Umweltverbände BUND, Nabu und Deutsche Umwelthilfe angehören.

Außerdem will Minister Andreas Scheuer einem Bericht zufolge bei den Förderkriterien künftig «Umwelt- und Klimawirkungen» berücksichtigen. Im Wahlprogramm verspricht die Union Investitionen in den Bahnverkehr, wird dabei allerdings nicht konkret.

Korrekt sind die Campact-Angaben, dass im geltenden Bundesverkehrswegeplan von 2016 mehr Geld für den Straßen- als für den Schienenverkehr vorgesehen ist. Und genauso auch, dass nach Angaben der Bundesregierung auf eine Anfrage der Grünen 2019 nur sechs Kilometer Eisenbahnstrecke auf den Bundesschienenwegen, also den Schienen der Deutschen Bahn, neu gebaut wurden.

Dass CDU und CSU «Windräder verhindern» wollen, ist eine Interpretationsfrage. Der Ausbau der Windkraft 2019 und 2020 war nach Angaben der Fachagentur Windenergie geringer als in irgendeinem der vergangenen 20 Jahre. Verantwortlich dafür ist ein kompliziertes Geflecht von Regelungen und Vorschriften auf Bundes-, Landes und teilweise sogar Gemeindeebene, wie ein Positionspapier des Bundesverbands Windenergie zeigt. Wie Campact zu behaupten, Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) hätte «schon 2019 dafür gesorgt», lässt zumindest viele andere Akteure aus.

Tatsächlich auf Altmaiers Konto geht aber die von Campact genannte Abstandsregelung für Windräder von bis zu 1000 Metern zu Wohngebieten. Im von Kanzlerkandidat Laschet regierten Nordrhein-Westfalen gilt dieser Maximalabstand, die Kommunen können aber Ausnahmen zulassen. Bei den tatsächlich neu errichteten Windrädern an Land lag NRW im vergangenen Jahr mit 92 Anlagen an der Spitze, bei den installierten Anlagen nach Leistung mit 6174 Megawatt an vierter Stelle. Der Effekt der Abstandsregel lässt sich daran aber noch nicht ablesen, da 2020 gebaute Anlagen im Schnitt vor mehr als zwei Jahren genehmigt wurden.

In ihrem Wahlprogramm (siehe Zeilen 1438f.) und in öffentlichen Aussagen erwähnt die Union ausdrücklich, dass zusätzliche Flächen für die Windenenergie nötig seien. Wie sie das umsetzen will, ist aber noch offen.

Dass die Union einen «sozial gerechten CO2-Preis verhindern» will, lässt sich durchaus vertreten - wenn auch nicht unbedingt mit den von Campact gewählten Beispielen. Seit Anfang des Jahres liegt der Preis einer Tonne CO2 bei 25 Euro. Dieser soll schrittweise auf geplante 55 Euro pro Tone im Jahr 2025 steigen. Darauf haben sich Union und SPD in der aktuellen Legislaturperiode geeinigt. Eine CO2-Bepreisung lehnen die Union und ihr Kanzlerkandidat nicht ab, sondern haben sie sogar mitbeschlossen. Einen konkreten Betrag, um den der CO2-Preis ansteigen soll, nennt das Wahlprogramm nicht. Etwas verklausuliert steht da aber durchaus, dass er steigen soll.

Aber will die Union verhindern, dass der Preis «sozial gerecht» gestaltet wird? Das belegt Campact dadurch, dass die Union die Verteilung der Mehrkosten im Wohnbereich vor allem für das Heizen auf Mieter und Vermieter ablehnt - und das nun auch durchgesetzt hat. Der stellvertretende Unionsfraktionsvize Thorsten Frei nannte eine solche Aufteilung «kontraproduktiv». Es solle sich ja lohnen, weniger zu verbrauchen. Stattdessen will Laschet die Menschen bei der Pendlerpauschale entlasten.

Eine Untersuchung kommt allerdings zu dem Ergebnis, dass weder die Pendlerpauschale noch eine teilweise Finanzierung der erhöhten Mietkosten durch den Vermieter ärmeren Haushalten wesentlich zugutekommen würde. Am wirksamsten für diese wäre demnach die Rückerstattung eines festen Betrages pro Kopf.

Der Campact-Vorwurf, dass Laschet den «Kohleausstieg verschleppen» wolle, lässt sich durchaus erheben. Zwar bekennen sich CDU und CSU in ihrem Wahlprogramm «zum vereinbarten Kohlekompromiss» (Zeile 4557). Mitglieder der sogenannten Kohlekommission, die den Kompromiss entworfen hat, werfen dem Bund und den beteiligten Ländern aber vor, «gravierend und einseitig zu Lasten von Klimaschutz und Tagebaubetroffenen» von ihm abzuweichen.

Der Kompromiss hatte etwa empfohlen, den Kohlekraftwerksblock Datteln 4 in Nordrhein-Westfalen nicht in Betrieb zu nehmen - das geschah unter Ministerpräsident Laschet dann aber im Jahr 2019 trotzdem. Im März hat die Landesregierung neue Leitlinien für die Braunkohle beschlossen. Das letzte Kraftwerk dort soll demnach 2038 vom Netz gehen - zum laut Kompromiss spätestmöglichen Zeitpunkt.

Ob eine künftige Unionsregierung die «Solarenergie ausbremsen» will, wie Campact behauptet, lässt sich schwer sagen. Richtig ist, dass ihr Kandidat Laschet eine Solardachpflicht für Neubauten ablehnt, wie dieser in einem Interview gesagt hat. Laut Wahlprogramm will die Union aber ein Förderprogramm für Solarenergie auflegen und Naturschutzbedingungen lockern.

(Stand: 22.6.2021)

Links

Campact-Kampagne zur Union (archiviert)

Facebook-Post (archiviert)

Wahlprogramm der Union zur Bundestagswahl 2021 (archiviert)

ÖPNV

Bundesverkehrswegeplan 2030, von 2016 (archiviert)

Anfrage der Grünen (archiviert)

Novelle des Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes (GVFG) (archiviert)

Tagesspiegel-Bericht zu Scheuers Bewertungskriterien (archiviert)

Windräder

Fachagentur Windenergie - Ausbausituation der Windenergie 2020 (archiviert)

Aktionsplan für Mehr Windräder an Land des Bundesverbands Windenergie (archiviert)

Zahlen zum Windenergieausbau beim Bundesverband Windenergie (archiviert)

Deutschlandfunk-Beitrag, Altmaier zum Ausbau der Windenergie (archiviert)

NRW ermöglicht Ausnahmen beim Mindestabstand von Windrädern (archiviert)

CO2-Preis

Einführung der CO2-Bepreisung (archiviert)

Tagesschau-Bericht zur Ablehnung der Unionsfraktion (archiviert)

Kohleausstieg

Statement von Mitgliedern der Kohlekommission (archiviert)

Leitentscheidung zur Kohle des Wirtschaftsministeriums von NRW (archiviert)

Solarenergie

Artikel auf Merkur.de mit Äußerungen von Armin Laschet zu Solardächern (archiviert)

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