Verbot des Kükentötens nicht mit Schutz menschlicher Embryos vergleichbar

29.06.2021, 16:22 (CEST)

Das Töten von Küken ist in Deutschland ab 2022 verboten, zwei Jahre später wird auch das Töten von Hühnerembryonen im Ei ab dem siebten Bebrütungstag gesetzlich untersagt. In sozialen Netzwerken kursiert deshalb die Annahme, Hühnerembryos seien besser geschützt als Menschenembryonen (hier archiviert).

Bewertung

Der Vergleich ist irreführend. Die Rechte von Hühner- und Menschenembryonen beruhen auf unterschiedlichen juristischen Grundlagen. Auch ungeborene Menschen sind in Deutschland besonders geschützt.

Fakten

Hühner werden unter anderem gehalten, um Hühnereier als Nahrungsmittel zu produzieren. Um dabei das Tierwohl nicht zu gefährden, gibt es das Tierschutzgesetz. Darin heißt es: «Niemand darf einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen.» Ab Januar 2024 dürfen Hühnerembryonen im Ei nach dem sechsten Bebrütungstag nicht mehr getötet werden, weil nicht ausgeschlossen werden kann, dass sie ab dem siebten Bebrütungstag Schmerzen empfinden können.

Hühnerembryonen werden nun aber in einem Ei ausgebrütet, nicht im Körper des Huhns. Beim Menschen ist das anders: Eine Schwangerschaft wird im Körper der Schwangeren ausgetragen, die ebenfalls ihre Rechte hat.

In dem im Facebook-Post erwähnten Bericht, der ein «Grundrecht auf Abtreibung» fordern soll, berufen sich die EU-Abgeordneten auf die Menschenrechte von Frauen. Die mitunter restriktiven Gesetze in einigen EU-Mitgliedsstaaten führen ihrer Meinung nach dazu, «dass Frauen heimliche Abtreibungen beantragen oder ihre Schwangerschaft gegen ihren Willen austragen müssen, was eine Verletzung ihrer Menschenrechte darstellt».

Die Abgeordneten fordern, dass Abbrüche in der frühen Schwangerschaft legalisiert werden - später nur dann, wenn die Gesundheit der Schwangeren gefährdet ist. Ein vollständiges Verbot der Abtreibung sei eine Form von geschlechtsspezifischer Gewalt.

Die Gesetzgebung in Deutschland schützt das ungeborene Leben, unter anderem durch das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit im Grundgesetz. Deshalb sind Schwangerschaftsabbrüche in Deutschland nicht legal, sondern werden lediglich dann nicht strafrechtlich verfolgt, wenn bestimmte Voraussetzungen greifen:

Schwangerschaftsabbrüche nach der 14. Schwangerschaftswoche (also zwölf Wochen nach der Empfängnis) sind dann straffrei, wenn für die Schwangere Lebensgefahr «oder die Gefahr einer schwerwiegenden Beeinträchtigung des körperlichen oder seelischen Gesundheitszustandes besteht» - oder wenn die Schwangerschaft beispielsweise durch eine Vergewaltigung zustande kam.

Schwangere, die vor der 14. Schwangerschaftswoche einen Abbruch vornehmen lassen wollen, müssen sich zuvor beraten lassen. Diese «Beratung dient dem Schutz des ungeborenen Lebens». Ziel der Beratung ist es, «die Frau zur Fortsetzung der Schwangerschaft zu ermutigen und ihr Perspektiven für ein Leben mit dem Kind zu eröffnen». Es wird deutlich gemacht, dass ein Schwangerschaftsabbruch «nur in Ausnahmesituationen in Betracht kommen kann, wenn der Frau durch das Austragen des Kindes eine Belastung erwächst, die so schwer und außergewöhnlich ist, dass sie die zumutbare Opfergrenze übersteigt».

Doch wie steht es um das Schmerzempfinden von menschlichen Embryonen? Das ist wissenschaftlich nicht abschließend geklärt. Lange war die vorherrschende Meinung, die sich auf eine Veröffentlichung aus dem Jahr 2005 beruft, dass Embyronen erst im letzten Drittel der Schwangerschaft Schmerzen empfinden können.

Eine neuere Studie kommt aber zu dem Schluss, dass eine Schmerzwahrnehmung bereits deutlich früher nicht ausgeschlossen werden kann - nämlich ab der zwölften Woche. Die Autoren raten deshalb dazu, insbesondere bei späten Schwangerschaftsabbrüchen Schmerzmittel für den Fötus in Betracht zu ziehen.

(Stand: 25.6.2021)

---

Aktualisierung

Der letzte Absatz des Faktenchecks wurde mit einer neueren wissenschaftlichen Arbeit aktualisiert: Der genaue Zeitpunkt, ab dem Embryonen Schmerzen empfinden können, ist nicht abschließend geklärt. Auch die Bewertung wurde angepasst.

Links:

Facebook-Post (archiviert)

Tierschutzgesetz (archiviert)

Bundesregierung zum Kükentöten (archiviert)

EU-Bericht zu sicherer Abtreibung (archiviert)

Wissenschaftliche Dienste des Bundestags zum Schutz des ungeborenen Lebens (archiviert)

Grundgesetz Artikel 2 (archiviert)

Familienministerium zu Schwangerschaftsabbrüchen (archiviert)

StGB §219 (archiviert)

Studie zum Schmerzempfinden bei Embryonen (2005) (archiviert)

Studie zum Schmerzempfinden bei Embryonen (2019/20) (archiviert)

Kontakt zum dpa-Faktencheckteam: faktencheck@dpa.com