Sharepic unterstellt Grünen fälschlich diverse Verbotsvorhaben

16.06.2021, 15:48 (CEST)

Die Bundestagswahl rückt näher und zum ersten Mal treten die Grünen mit einer Kandidatin für das Kanzleramt an. In einem Sharepic auf Facebook (hier archiviert) wird behauptet, die Partei wolle eine ganze Reihe von alltäglichen Dingen verbieten: Von Verbrennungsmotoren, Einfamilienhäusern und Kurzstreckenflügen über Motorradfahren, neue Autobahnen und SUVs bis zu Schnittblumen, billige Lebensmitteln und Swimmingpools. Stimmt das?

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In Hannover sollen Swimmingpools in Kleingärten ab 2022 verboten werden. Die anderen Verbote sind aus der Luft gegriffen, manches soll aber neu geregelt werden.

Fakten

Verbrennungsmotoren: Der Entwurf des Grünen-Wahlprogramms zur Bundestagswahl 2021 sieht vor, dass es ab 2030 keine Neuzulassungen für Autos mit Verbrennungsmotor mehr geben soll. Ein Verbot bestehender Fahrzeuge dieser Antriebsart fordert die Partei aber nicht. Erreicht werden soll das über eine Quote für «emissionsfreie Autos». Außerdem sollen über die Kraftfahrzeugsteuer Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor teurer werden. Die Grünen regen zudem «autofreie Innenstädte und Stadtviertel» an.

Einfamilienhäuser: Zum Einfamilienhaus schreibt die Bundestagsfraktion «Das wird es auch in Zukunft geben». Die Grünen halten zwar Mehrfamilienhäuser für ressourcenschonender und für ein besseres Mittel gegen Wohnungsnot, entscheiden darüber, was neu gebaut wird, solle aber die Kommune vor Ort. Das können Gemeinden über den Bebauungsplan. Einen entsprechenden Beschluss hatten die Grünen gemeinsam mit der SPD im Hamburger Bezirk Nord aufgenommen.

Der Vorwurf, Einfamilienhäuser verbieten zu wollen, geht auf ein Spiegel-Interview (hier im Wortlaut frei zugänglich) mit Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter zurück. Darin sagt Hofreiter wörtlich: «Natürlich wollen die Grünen nicht die eigenen vier Wände verbieten.» Im aktuellen Wahlprogramm der Grünen sprechen sie sich für nachhaltiges Bauen und Wohnen aus, über Einfamilienhäuser steht dort nichts.

Kurzstreckenflüge: Die Grünen wollen weniger Luftverkehr. Mitte Mai sagte Baerbock: «Kurzstreckenflüge sollte es perspektivisch nicht mehr geben.» Verboten werden sollen solche Flüge aber nicht, sondern durch den Ausbau des Bahnverkehrs bis 2030 «überflüssig» werden. So steht es auch im Wahlprogramm.

Motorradfahren: Im Wahlprogramm der Grünen tauchen Motorräder nicht auf. Ein Verbot steht nicht im Raum. Die Bundestagsfraktion fordert aber eine Begrenzung der Lärmemissionen von Motorrädern auf 80 Dezibel und hat einen entsprechenden Antrag im Parlament eingebracht. So eine Lärmobergrenze hat im Mai bereits der Bundesrat beschlossen.

Neue Autobahnen: Die Grünen wollen laut Wahlprogramm geplante neue Autobahnabschnitte, deren Planfeststellungsverfahren noch nicht abgeschlossen ist, noch einmal überprüfen - und dann gegebenenfalls einstellen. Geld wollen sie zum Bahnverkehr und in die «Sanierung maroder Infrastruktur» umschichten. Ein grundsätzliches Verbot neuer Autobahnen ist das alles aber nicht.

SUVs: Im Programm finden sich keine konkreten Angaben zu SUVs, Forderungen nach einem generellen Verbot gibt es nicht. Nach einem schweren Verkehrsunfall mit einem SUV in Berlin, bei dem 2019 vier Menschen ums Leben kamen, hatte der Verkehrsexperte der Bundestagsfraktion Oliver Krischer eine «Obergrenze für SUV in Innenstädten» gefordert. Konsequenzen hatte diese Forderung aber nicht.

Schnittblumen: Im Wahlprogramm werden Schnittblumen nicht thematisiert, auch anderswo findet sich kein Verbot. Möglicherweise geht die Idee vom Schnittblumenverbot zurück auf ein Programm zur Förderung nachhaltig durchgeführter Tagungen der grünen Wirtschaftssenatorin von Berlin, Ramona Pop. Laut «Sustainable Event Scorecard» werden Veranstalter gefördert, wenn sie unter anderem auf Schnittblumen verzichten.

Billige Lebensmittel: Die Grünen wollen wettbewerbsrechtlich gegen «Dumpingpreise für Lebensmittel» vorgehen. Also gegen Lebensmittel, deren Preise künstlich niedrig gehalten werden. Ein Verbot billiger Lebensmittel fordern sie nicht.

Swimmingpools: Zu Swimmingpools in Kleingärten lassen sich keine bundesweiten Forderungen der Grünen finden. Möglicherweise geht die Idee vom Verbot zurück auf die Neuregelung der Gartenverordnung in der grün regierten niedersächsischen Landeshauptstadt Hannover. Dort sollen einem Bericht zufolge ab 2022 große Schwimmbecken in Kleingärten wegen Wassermangels verboten werden.

(Stand: 16.6.2021)

Links

Sharepic auf Facebook (archiviert)

Grünen-Wahlprogramm (archiviert)

Stellungnahme Die Grünen nach Interview mit Anton Hofreiter (archiviert)

Beschluss der Grünen zur «Bauwende» (archiviert)

Bebauungsplan im BauGB (archiviert)

Beschluss der Grünen in Hamburg-Nord (archiviert)

Grünen-Bundestagsfraktion zu Motorradlärm(archiviert)

Bundesratsbeschluss zu Motorradlärm (archiviert)

Oliver Krischer fordert Obergrenze für SUVs (archiviert)

Sustainable Event Scorecard (archiviert)

Bericht zum Verbot von Swimmingpools in Kleingärten in Hannover (archiviert)

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